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Pilotfilm #17: Vendetta (2015)

Pilotfilm #17: Vendetta (2015)


Prächtige Landschaftsaufnahmen, exotische Postkartenbilder wie aus dem Reisekatalog, weiße Berge, grüne Umrandung, blaue Gewässer. Dazu eine Massenhochzeit eines jungen Paares vor aller Augen der Dörflichkeit, ein kurzes junges Glück, welches schon überschattet ist, von zu viel 'Familie' und Tradition und dem Einbruch der Gewalt. Ein Heiratskonvoi auf der Fahrt von der einen Heimat in die andere, von der Weite von Albanien in die Kölner Rheinstadt, lang von den Hinterleuten geplant und lang von der Polizei überwacht und beschattet. Ein Zugriff an vielen Orten und von vielen Seiten, im Visier Drogenhandel im großen Stil, Geldwäsche, Clanbildung und länder- und generationenübergreifende Kriminalität. Der deutsche Staat lässt seine Muskeln spielen, bewaffnete Spezialeinheiten und Sturmtrupps in mehrerlei Teams. Bald wird scharf geschossen, vom Stand aus und inmitten der Fahrt, Straßensperren durchbrochen und Autos brennend beiseite geschleudert. Ein LWK überschlägt sich beim Flug und reißt bei der Landung ein Gebäude mit ein. "Ab jetzt stehst du im Blut." heißt es nach dem Chaos, das Inferno groß und köchelnd, die Inszenierung modern, im 21. Jahrhundert, im Aufwand für deutsches Fernsehen unvergleichlich und so sonst nicht vorhanden und das Anpeilen an Amerika (in der Michael Mann auf Michael Bay trifft, inklusive einer leicht zittrigen Kameraarbeit) nicht fern.

Menschliche Beziehungen dort und menschliche Beziehungen hier stehen im Mittelpunkt der Handlung, die parallel beginnt und erst bei den Konfrontationen zusammenführt. Da wird eine junge Ehe zerrissen, hier ein neues Heim für eine Patchwork-Familie gesucht, die ihre eigenen Probleme untereinander hat und wo ein anderes und größeres Haus nicht die Lösung für alle Sorgen und nicht der heilende Kitt für die Risse ist. Zudem soll ein Sohn gerächt werden und ein Bruder gesühnt, wird auf der Westbalkanroute nicht bloß Heroin, sondern auch die Blutehre transportiert. Tragende Klänge auf der Tonspur, viel Leid und kurz, aber heftig überbordende südosteuropäische Mentalität. Eine Schwarze Witwe, die eben noch den Feldsalat verrührt hat und nun nach den 'Gesetzen der Steinzeit' den Tod eines Polizisten will und zur Furie von Kölle wird. Von der Provinzialität und oftmaligen Biederkeit der ersten Folgen (und auch der bis vor wenigen Jahren) ist hier nichts mehr zu spüren, die Serie hat sich neu erfunden, das Umfeld hat sich erweitert, die meisten alten Darsteller weg, sowieso hat die Serie auch immer von der Fluktuation und der stets neu gebildeten Partnerschaft von Urgestein Semir Gerkhan zu seinen jeweils neuen Kollegen und Mitstreitern gelebt. Stammspieler Atalay ist dabei längst das feste Standbein und die treibende Kraft der Serie selber geworden, die Figur verinnerlicht, mit Stärken und mit Schwächen, ein kleiner großer Mann, der sich um seine Liebsten sorgt und zwei wesentlich höher gewachsene und breiter gebaute Angreifer in einer Tankstelle von Köln-Porz trotz Heimtücke von hinten überwältigt und durch die Arena prügelt und das Fenster hinauskatapultiert.

Ein Actionthriller, mit Selbstbewusstsein und Selbständigkeit auch ist man geworden, ein internationaler Polizei- und Gangsterfilm, Bezüge zu Vorereignissen der Serie sind da, aber für Gelegenheitszuschauer oder komplette Neueinsteiger (genauso wie das ehrenhafte, aber leidige Familiendrama) zu ignorieren, vielmehr wird erst verbal und dann aktiv ein Bedrohungsszenario entwickelt, ein Angriff gar an der Schule der Tochter eingeleitet und dann weiterführend auf das traute Heim der fünfköpfigen Familie, darunter zwei kleine Kinder verübt. "Seid ihr denn auch genug Polizisten?", fragt die Kleinste, als der erste Anschlag nur knapp vereitelt wird und man nur um Haaresbreite den Häschern in den schwarzen Geländewagen entkommt; vorher wurde ein Straßenrestaurant dem Erdboden gleich gemacht und dem Schicksal der Gefangennahme und drohenden Todes nur mühsam entronnen. Genug Polizisten ist man nicht, aber genug Polizist ist man, geht es nach dem Anschlag auf die liebsten Angehörigen in den Nahkampf und den Privatkrieg, wird das Szenario in das Herkunftsland und damit das ferne Tirana und an die Quelle allen Übels verlegt; dahin zurück, wo der Gegner stark ist, ein Auslandsspiel mit eigenen Regeln und Gesetzen und eine Spirale der Gewalt, die sich über zerstörte Marktplätze und Indoor-Shootout bis zum Finale auf einem bald empfindlich lädiertem Hochhausdach unerbittlich weiterdreht.

7/10

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