Abel Ferrara höchstpersönlich spielt die Hauptrolle in diesem räudig-ruppigen Frühwerk, das mit der Motivation hinter Gewaltausübungen, der Betrachtung kreativer Entfaltung, Existenzängsten und den Schilderungen von einer Beziehung im Zerfallsprozess bereits die großen Themen seines Gesamtwerkes einleitet. Auch religiöse Momente lassen sich hier bereits finden, werden jedoch noch nicht als Leitmotiv verwendet.
Ferrara spielt den Maler Reno Miller, der [Achtung: Spoiler!] mit zwei Freundinnen in einer riesigen Wohnung lebt, die ihn zusammen mit hohen Telefonrechnungen in einen Schuldenberg zu treiben droht. An seinem Meisterwerk arbeitend (ein Büffel, dessen schwarzes, leeres Auge ihn und den Zuschauer im Film mehrfach anstarren wird) schlägt er sich mit Vorschüssen durch und ist dennoch mit der Miete im Rückstand. In dieser angespannten Situation hat er den möglichen sozialen Abstieg immer vor Augen: vor seinem Haus vegetieren alkoholsüchtige Obdachlose dahin - die gesellschaftliche Schicht, der vermutlich auch sein Vater angehört: in den ersten, düster-aufpeitschenden Einstellungen des Films trifft er in einer Kirche auf einen heruntergekommenen Alten, der allen Anzeichen nach sein Vater ist, was Reno jedoch vehement bestreitet.
Vor diesen drohenden Beispielen einer verpfuschten Existenz flüchtet sich Reno zunächst in seine Malerei, als jedoch eine Punkrockband namens "The Roosters" neben ihm einzieht und unter der Leitung von Tony Coca Cola rund um die Uhr probt, gerät ihm auch diese Tätigkeit zur Geduldsprobe. Die unter der extremen Belastung aufgestauten Emotionen, die außerdem seine Beziehung mit einer der Mitbewohnerinnen auf eine harte Zerreißprobe stellen, entlädt er zunächst noch als Voyeur von Gewalttätigkeiten auf offener Straße und zudem in exzessiven Gewaltphantasien.
Der Titel und ein früher umfangreicher Einsatz der Bohrmaschine machen schnell klar, wohin das auf kurz oder lang führen wird: Reno begeht blutrünstige Amokläufe unter Obdachlosen, Junkies und Alkoholikern - den Personifizierungen seiner Ängste, die er damit ebenso aus der Welt schafft, wie die aufgestaute Energie, die er in seinen Gewaltorgien entfesselt.
Als dann erst sein Kunsthändler sein neues Meisterwerk als emotionsloses Selbstzitat beschimpft und kurz darauf auch noch seine Freundin zu ihrem Ex-Liebhaber zurückkehrt, übt Reno seine Mordphantasien kalkuliert aus und meuchelt erst seinen Händler, dann den Liebhaber seiner Freundin. Wie die Begegnung mit seiner Exfreundin verläuft, die zu ihm ins Bett steigt und dabei eigentlich ihren neuen (bzw. alten) Liebhaber vorzufinden glaubt, verschweigt der Film ebenso wie das Schicksal von Renos zweiter Mitbewohnerin, die den toten Makler entdeckt und dabei von Reno überrascht wird.
Überhaupt besitzt "Driller Killer" eine recht offene Form: nicht nur, dass er auf ein offenes Ende hinausläuft, sondern er ist zudem weitestgehend kaleidoskopartig aufgebaut und schildert das Abrutschen in den Amoklauf ohne jede Einstellung in einen Kausalzusammenhang zur vorangegangenen zu setzen. Damit betreibt er eine Dramaturgie, die nicht weit von einigen Werken Godards und Fassbinders entfernt ist, die eher ein verflochtenes Feld abgibt und weniger einen roten Faden.
Inwieweit die Verknüpfung funktioniert, in welchem Ausmaß einige Elemente andere bedingen, das beantwortet der Film nicht - nicht einmal die Frage, ob die Mordtouren (abgesehen von den zwei Morden aus Rache gegen Ende des Films) spontane Ausraster, Amokläufe oder gar berechnend vorausgeplante Morde sind (schließlich betreibt Reno den Bohrer mit dem im Werbeprogramm beworbenen Porto-Pak, das er jedoch für andere Zwecke nicht anzuwenden scheint), wird explizit beantwortet.
Auch bei der Schuldzuweisung hält sich Ferrara im höchsten Maße zurück; bloß zu Beginn legt der Film relativ deutlich eine Stellungnahme nahe: Renos Verleugnung des Vaters in der Kirche (wenn man davon ausgeht, dass er es ist, wofür die Vehemenz der Leugnung allerdings auch spricht), macht ihn bereits zu einem Sünder, dessen Verbrechen nicht erst im Ermorden liegt, sondern bereits in der Verleugnung bestimmter Mitmenschen als Menschen. Sein Hass auf die Alkoholiker und Penner, die er höchstens als Objekte für künstlerische Skizzen sieht, wird in dieser Szene, die in zu einem halben Judas macht, deutlich als Vorwurf gezeichnet: so flieht Reno auch aus der Kirche und vor dem Gespräch mit der Nonne, bevor er in menschenverachtende Schmähungen verfällt. Und im Umkehrschluss werden seine Opfer exemplarisch an dem von Reno Gekreuzigten als rein und unschuldig gezeichnet: dafür spricht auch der Umstand, dass die meisten Opfer als freundliche, nichts Böses ahnende, hilfsbereite, Kontakt suchende Menschen geschildert werden.
Das eigentliche Verbrechen liegt also bereits in der - wenn man so will - von Reno selbst nicht ausformulierten, nicht reflektierten Ideologie und nicht erst in der physischen Entäußerung, im Mord und Totschlag. Letztere Schuld (nicht jedoch die unheilvolle Auswirkung auf die Opfer) kann womöglich über verursachende Belastungen relativiert werden, dass sich Reno auf eine Zielgruppe eingeschossen hat hingegen nicht.
Reno ist schuldig insofern er das Menschsein von Mitmenschen ausblendet - ob er als aktiver Mörder die volle Schuld trägt, wird nie geklärt: die Morde sind zwar blutig, dreckig, widerwärtig, mitleid- und brechreizerregend, zugleich werden aber auch Unmengen möglicher Ursachen vorgeführt (ähnlich wie in Fassbinders und Fenglers "Warum läuft Herr R. Amok?" (1970)), so dass man als Zuschauer das aggressive Abreagieren auf der anderen Seite auch als befreiendes Moment erlebt. Da hier jedoch die Opfer durchgängig Unschuldige, Fremde sind, läuft der Film nie Gefahr wie viele Selbstjustizfilme das Morden der Hauptfigur als gerechtfertigt aussehen zu lassen: "Driller Killer" bleibt erstaunlich ambivalent zwischen befreiender Wirkung und beschämender Empörung und erschafft damit eine irritierende Wirkung, die dem Zuschauer arg zusetzt.
Allerdings ist der Film nicht durchgängig auf aggressive, drastische Gewalttaten und die faszinierende Mischung aus Mitfühlen mit der Hauptfigur und gleichzeitigem Angewidertsein angesichts ihrer Taten aus: "Driller Killer" enthält durchaus auch ganz ruhige, zutiefst traurige Momente - etwa die Aussage von Renos Mitbewohnerin, sie habe keine Freunde; oder Renos naives Gemälde "I'm sorry", das seine Freundin nach ihrem Streit vorfindet; oder sein imaginiertes Versöhnungsgespräch nach der endgültigen Trennung am Telefon, aus dessen Hörer bloß eine Bandansage tönt. Die Grundstimmung pendelt also zwischen erschreckend & zornig und ängstlich & traurig, was die emotionale Wirkung des Films etwas breiter fächert und intensiviert.
Unterstützt wird der Film dabei von seiner herausragenden, allzuoft unterschätzen Form. Auf den ersten Blick mag "Driller Killer" stilistisch an ein teils improvisierte Undergroundfilme erinnern, die eine provozierend schmutzige Atmosphäre quasi beiläufig über grobkörnige Bilder, nicht-klassische Beleuchtung und entsprechende Kulissen erreichen. Der Hinweis "THIS FILM SHOULD BE PLAYED LOUD" zu Beginn bestätigt in Verbindung mit der dröhnenden Musik und dem grellen Bohrgeräusch diese Arbeitsweise ebenso wie die Motivwahl, die bisweilen auf Erbrochenes, auf Essensreste, Müll und Verwundungen zurückgreift.
Doch die Erzeugung der beklemmenden Stimmung läuft bei Ferrara noch viel kalkulierter, geschickter und subtiler inszeniert ab: Neben Tobe Hoopers "The Texas Chainsaw Massacre" (1974) ist "Driller Killer" wohl eines der beeindruckendsten Beispiele für den gezielten Einsatz von extrem gehäuften Nah- und Großaufnahmen zur Erzeugung beunruhigender Stimmung.
Kamerafahrten bzw. -schwenks laufen mehrfach so dicht vor den Wänden ab, dass die Größe des Raumes dadurch ebenso ausgeblendet wird, wie auch über die Montage (welche die Subjekte & Objekte zumeist über auffällige Schnitt/Gegenschnittverfahren bei Groß- & Nahaufnahmen zueinander in Beziehung setzt). Auf diese Weise entsteht eine vorgegaukelte Enge des gefilmten Raums (Einstellungsgröße) ebenso wie eine Abtrennung der Figuren von ihrer Umgebung (Montage): Wenn Reno mit seinen Mitbewohnerinnen Pizza isst, hat er sich nicht nur längst geistig von ihnen entfernt, sondern bleibt sogar im Filmbild deutlich von ihnen getrennt. Und Außenaufnahmen spielen sich zum großen Teil so ab, dass Häuserwände die Sicht ins Weite, ins Freie verhindern - wenn Reno einen Überfall mit seinem Fernglas beobachtet, ist dank Vogelperspektive der Hintergrund der Figuren bloß der triste, graue Boden der Straße.
Räumliche Enge entspricht Renos eingeschränkter Entfaltungsmöglichkeit und Freiheit ebenso, wie das häufige Abgeschnittensein der Figur von der Umwelt im Filmbild seiner mangelnden Kommunikationsfähigkeit & Flucht in Gewaltphantasien entspricht.
"Driller Killer" ist mitnichten ein roher, ungeschlachter Reißer, sondern durchaus ein geschickt komponiertes Werk, das Ferraras Sicht der Bedeutung filmischer Stilmittel völlig gerecht wird: "Die Art, wie du etwas zeigst, das ist dein Statement." Dass sich bisweilen auch etwas selbstzweckhafte Kompositionen einschleichen (etwa die Hommage an Bunuels "Un chien andalou" (1929)), fällt bei der größtenteils sehr konsequenten formalen Gestaltung kaum ins Gewicht.
Lobenswert ist noch das Spiel der Akteure: Ferrara gibt Reno beängstigend glaubwürdig, Carolyn Marz schreckt weder vor Softsexszenen, Wutausbrüchen und Trauer zurück und D.A. Metrov schießt als schriller Tony Coca-Cola den Vogel ab.
Negativ macht sich allerhöchstens der Umstand bemerkbar, dass Renos Kunsthändler als unfreundlichste, zudem etwas schleimige Figur des Films als leicht affektierter Homosexueller gezeichnet wird, aber da in dieser Hinsicht weder sichtbar nach dem pars pro tot Prinzip gearbeitet wird und - wenn man überhaupt so weit gehen will - ein Schwuler (auch 1979 noch immer nicht unbedingt ein geschätztes Mitglied der Gesellschaft) gut ins Opferbild einer Figur passt, die auch Alkoholiker und Obdachlose nicht als Mitmenschen behandeln kann (Renos Tat ist hier jedoch die Bestrafung für die Schmähung des neuen Gemäldes), braucht einem auch dieser Umstand kein großes Kopfzerbrechen bereiten...
Insgesamt also ein formal überaus beachtlicher Ferrara, mit inhaltlich diskussionswürdigen Thesen (etwa die Vorstellung, dass bereits die Neigung zum Schlechten ein Vergehen ist, während eine schlechte Tat selbst mitunter aus Lebensumständen heraus teilerklärbar ist), der nahezu alle wichtigen Themen Ferraras in sich vereint. Neben "Bad Lieutenant" (1992) ist "Driller Killer" sicherlich einer von Ferraras interessantesten, herausragendsten Filmen.
Satte 8/10.