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"Never assume" als das Leitmotiv eines Filmes, der vorn vornherein ein wenig unter das Radar von geschalteter Publicity und entsprechender Aufmerksamkeit gerutscht ist; ein Werk im Kampf um den Geist und die Anfangskenntnisse einer extensionalen Erkenntnistheorie, zwischen investigativer Polizeiarbeit und der Bewahrung der Harmonie der Welt.
Autor, Produzent und Regisseur Kelvin Tong, gebürtiger Singapurianer, ehemaliger Anwalt für Seerecht sowie Filmjournalist, entwickelt in seiner sechsten Regiearbeit ein Sujet der Interferenzen, in der die Unterscheidung zwischen on & off-the-record aufgehoben ist. Eine Grauzone, in der nichts einfach nur so Schwarz und Weiß und Gut und Böse und damit auch nicht das Dasein der Dinge bestimmbar ist. Eine Zwischenwelt, eine Bewussstseinsenge, gefangen inmitten der nach Regeln verlangenden und sie auch benötigenden Allgemeinheit und der subjektiv-psychologischen Verbindungen der Vorstellungen. Regel Nummer Eins als Norm für Erlebnisse: Es gibt keine Geister.

Doch hier und im Jetzt der schon nach Außen hin zur einer ins Kalte erstarrten Fassade wirkenden Gesellschaft ist der Tod allein kein befriedigender Abschluss des Lebens mehr, treffen Himmel und Hölle und Realität und Albtraum an einem gemeinsamen Wertungspunkt aufeinander. Zwischen dem Leben als Anschauung und dem Leben als Erinnerung sowie der denkenden Idee und der wissenden Wahrheit existieren im Film keine Schranken mehr, sind in der Tiefendimension andere Kräfte als an der Oberfläche am arbeiten, ist die Seele von keinen Grenzlinien des Sinnenseins bevormundet. Niemals Mutmaßen. Aus der Vernunft gewinnen. Immer in Rücksicht auf eine Regel leben stellt das hauptsächliche Problem der beiden Protagonisten einer Geheimlehre für Eingeweihte dar, die allein auf sich und der Aufgabe der Rationalisierung von Phänomenen gestellt etwas verhindern müssen, was durch die Bedeutungen höherer Ordnung von vornherein einen absoluten und unzerstörbaren Wert hat:

Lee Kwok - keung [ Shawn Yu ] arbeitet als Sergeant in ganz normaler Streife, als er eines Abends bei einer Routinekontrolle aufgrund seiner scharfen Beobachtungsgabe und Hartnäckigkeit im Dienst einen unscheinbaren Serienkiller stellen kann, der gerade mit einem weiteren Opfer im Kofferraum das Weite suchen möchte. Allerdings beharrt Lee, der bei der Festnahme durch den Täter schwer verletzt wurde, danach in seinem Bericht an Commisioner Lau [ Ng Siu Kong ] auf Gedeih und Verderb, dass ihm die kurz wiederauferstandene Leiche des blutjungen Mädchens in der misslichen Lage als Ablenkung geholfen hat. Lau verweist Lee an die neue Einheit des Miscellaneous Affairs Department, die nur aus einem Telefonisten [ Bill Liu ] sowie dem seit 19 Jahre dort tätigen Inspector Wong [ Ekin Cheng ] besteht, und all die Anrufe beunruhigter Bürger entgegen nimmt, die mit "Es ist etwas Seltsames hier..." beginnen. Über eine verschwundene Krankenschwester, den scheinbaren Selbstmord eines Schulmädchens, und einer rasch um sich greifenden Suizidepidemie an der örtlichen Schule stoßen die beiden grundsätzlich verschiedenen Cops auf ein sich virusartig verbreitendes Mysterium, dass nicht nur beider Vergangenheit betrifft, sondern auch Lees schwangere Freundin May Ho [ Fiona Xie ] anzugreifen droht.

Das ist auf einer Seite gattungskonforme Einkleidung. Hokuspokus, marktschreierischer Basar im Schatten von 2002, Wilson Yips im Bildkader zwar lackschwarze, aber im Inneren dessen mit viel bunten Effekten, einer extrem massentauglichen buddy picture Aufmachung und sowohl ethnisch als auch global verständlichen Humorspitzen versehener Fantasy - Action; ein Vergleich, der für die hiesige 2 Mio USD Produktion oft proklamiert und interessanterweise gleichlaufend leidig, bemüht, zutreffend und grotesk sinnwidrig ist. Und ein direkter Querverweis auf die jüngere asiatische Genregeschichte, mit den darin üblichen eng verwurzelten Mätzchen von plötzlich auftauchenden Schocks, die dann dennoch dem Symbolcharakter stellvertretend für ein abstraktes Konzept entsprechen [ das unvermeidliche, aber durch diese grundsätzliche Notwendigkeit schon zum Klischee gewordene und als Medienwissen vorausgesetzte Mädchen mit langen schwarzen Haaren ]. Und einer unheilsschwangeren musikalischen Untermalung, die traditionsgemäß darauf besteht, im Zusammenhang und Wechsel zwischen Stille und expressiver Lautstärke auftrumpfen und den zweckbestimmt eingesetzten Härtegrad synchronisieren zu wollen. Auch dramaturgisch werden die Gemeinsamkeiten verschiedener Zustände und Verhältnisse nicht experimentell beziehungsweise detailliert in der Topografierung der Psyche, sondern bedürfnislos sachlich mit fest bestimmten Impressionen verbunden. Mythologisch, aber poesieleer, eine Inszenierung mit betont distanzierten Bühnenbild über Unberechenbarkeit und Schicksalshaftigkeit, die zwar für die Figuren öfters die mentale Fusion zwischen dem Gehörten und dem Gesehenen verweigert, aber dennoch eine strikte Vernetzung von Sinneseindrücken voraussetzt.

Tong, der sich zuvor bereits mit The Maid und 1942 [ beide 2005 ] im Metier der Fundamente von Angst und Schrecken beschäftigt und dies mit Men in White [ 2007 ] auch ad absurdum geführt hat, gründet sein unromantisch düsteres, bereits 2003 verfasstes Skript auf der Nuance dessen, daß das Erkennen nicht anders als erkennend untersucht werden kann und addiert eine Vorwegnahme von Erscheinungen mit einer anfänglichen Unklarkeit über die kausale Verknüpfung des Geschehens. Die Chronologie ist im Eingangsteil zuerst ebenso gebrochen und zerrissen wie eine Vermischung realer und allegorischer Erzählebenen mit der abglänzenden Spiegelung menschlicher Verhaltensweisen einhergeht. Dabei werden neue Aufklärungen im eher ruhigen Akzentmuster zusätzlich zu Wiederholungsbildern und so in Kombination von Verzögerung und Nachhallzeit mit bereits gegebenen verbunden, bis diese vorläufige Antwort zu einer weiteren Frage verdrängt ist. Eine letztlich dennoch erstaunlich asketische Vorgehensweise reflektorischer Pausen, die die thematisch verfügbare Einbettung philosophischer Aufklärung, naturwissenschaftlicher Stabilität, religionsintegrativer Faszination oder auch die Eigenschaften surrealistischer Textproduktion nahezu komplett außen vorlässt.

Derweil sind die mit der Ermittlung des Spuks beauftragten und durch die Wahrnehmung des Handelnden auch zur narrativen Entwicklung berufenen Individuen nicht nur geographisch an einen abgelegten Ort fernab der Stadt und somit fern einer kulturellen, sozialen oder anderweitig raumzeitlichen Orientierung verbannt worden, sondern auch emotional in einer Enklave ohne definiertem kommunikativem Gehalt eingeschlossen. Weder zueinander noch zu den bei Ihnen daheim und / oder auch im Herzen wohnenden Personen existiert ein Gefühl abseits von Ungerührtheit, Steifheit, Verfremdung. Die Beziehung zwischen der Befindlichkeit der Protagonisten - bei denen die Verteilung von Rolle und Besetzung folgerichtig der entsprechenden Charakterschablone zugewiesen ist - und ihrer Umwelt als gesunde Grundlage für einen fröstelnden Nebeneffekt der allgemeinen Verunsicherung und dem Startschuss einer Reihe ganz und gar nicht begehrlicher Reize über die Erhaltungsform eines reproduzierendes Ichs. Stilistisch nüchtern, bisweilen durch das Beharren auf Reduzierung und simpelste Kontrastierung auf feinstem fotografischem Schwarzweiß einförmig leer und nicht ganz zufällig auf karge shot-reverse-shots stereotypiert.

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