Können sich gut 50 Millionen Leserinnen und Leser irren? Film-Fans, welche die literarische Vorlage nicht kennen, können darauf im Fall von "Twilight" natürlich nur schwerlich eine Antwort geben - so frech, dass man von der Qualität der Verfilmung direkt auf das Buch schließt, möchte man schließlich nicht sein. Unterstelle man jedoch dreist, dass die Spannungsarmut und dümmlichen Dialoge der Leinwandversion so auch auf Papier wiederzufinden sind, so würde man sich nicht unbedingt zu einer Lesestunde animiert fühlen. Was der Schmöker letztlich hermacht, soll hier aber nicht von Belang sein; vielmehr interessiert die Frage, wie es um die Kino-Adaption bestellt ist. Die Antwort darauf sieht nicht nur aufgrund der oben genannten Punkte leider alles andere als rosig aus.
Bella Swan (Kristen Stewart) möchte ihrer Mom etwas Freiraum gönnen und zieht daher für eine Weile zu ihrem Dad nach Forks, einer recht verschlafenen Kleinstadt. Obwohl sie schnell Anschluss an eine Clique findet und dort mächtig umworben wird, fühlt sie sich zu dem eigenartigen Edward Cullen (Robert Pattinson) hingezogen. Dieser verhält sich jedoch ohne ersichtlichen Grund unnahbar und unhöflich. Als eines Tages ein außer Kontrolle geratenes Auto Bella zu zerquetschen droht, rettet Edward ihr mit seinen scheinbar übermenschlichen Kräften das Leben. Der Sonderling offenbart ihr daraufhin sein Geheimnis: Edward ist ein Vampir und benahm sich lediglich derartig abweisend, um die von ihm geliebte Bella zu schützen. Da seine Angebetete ähnlich fühlt, wollen die beiden trotz aller Widrigkeiten ein Paar werden…
Das ist er also nun, der heilige Gral einer ganzen Generation von Teenager-Mädchen und solchen, die es gerne schon oder noch wären. Angesichts der abgöttischen Art und Weise, mit welcher die besagte Zielgruppe das medienwirksame Phänomen anhimmelt, bauen sich bei Außenstehenden schnell scharfe Vorurteile auf, was eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Materie von vornherein problematisch gestaltet. Resultat: Zwischen übertriebener Liebe und oft vorprogrammiertem Hass ist eher wenig zu finden. Letztere Einstellung mag zwar sicherlich eben jene repräsentieren, die der Qualität angemessener ist, aber dennoch greift eine solch vorschnelle Verurteilung zu kurz. Denn auch wenn das Endprodukt aufgrund eklatanter Mängel letztlich durchfällt, gibt es doch gute Ansätze, welche der Fairness halber honoriert werden sollten.
So kann die Rolle von Billy Burke als Bellas Vater ebenso auf schauspielerischer wie inhaltlicher Ebene durchaus gefallen. Die vergeblichen Versuche, als dezent hilfloser, da in allen Belangen überforderter Gutmensch eine Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen, versprühen zugleich eine gewisse Tragik, aber auch amüsante Komik, was das Misstrauen gegenüber Edward betrifft. Die weiteren Nebencharaktere in Form von Bellas Mitschülern (unter denen sich auch eine gnadenlos unterforderte Anna Kendrick befindet) sowie der Familie Cullen sind zwar reichlich dünn, aber zumindest größtenteils sympathisch dargestellt. Zusammen mit der vernünftigen Inszenierung und dem wirklich erstklassigem Soundtrack (u.a. von Muse und Paramore) hätte man also tatsächlich einen grundsoliden Film schaffen können. Diese Chance wird jedoch fahrlässig verschenkt, da der Streifen bei seinem elementarsten Bestandteil schlicht versagt: Die Romanze zwischen Edward und Bella.
Seien es nun die schwächelnden Schauspieler oder das katastrophale Drehbuch: Bei der Lovestory stimmt einfach gar nichts. Für die tiefgehenden Gefühle, welche uns die zuckersüße Liebe-auf-den-ersten-Blick-Geschichte suggerieren möchte, finden sich keinerlei zufriedenstellende Rechtfertigungen. Warum sich der uralte (und damit doch weise?!) Vampir ausgerechnet in den introvertierten Neuling verguckt, wird nie wirklich deutlich - an Bellas Schlagfertigkeit liegt es auf jeden Fall schon mal nicht. Das verzweifelte Ringen nach Worten, welches man anfangs bei ihr beobachten muss, soll wohl Schüchternheit und Unbeholfenheit darstellen, sieht in seiner übertriebenen Form aber eher nach sozialer Störung aus. Auch umgedreht ergibt sich kein logisches Bild: Sicher, das Schwer-zu-haben-Spielchen sollen manche ja ganz anziehend finden. Dass der Blutsauger jedoch als derart abweisendes Arschloch Erfolg hat, wirkt dann doch etwas daneben. Später wird diese Ungereimtheit ja sogar noch aufgeklärt: Edward, seines Zeichens tödliches Raubtier, soll mit seiner animalischen Anziehungskraft Bella die Sinne vernebeln. Da haben wir es also: Die unsterbliche Liebe beruht auf Manipulation und Täuschung des Opfers. So etwas wünschen sich also Heerscharen jugendlicher Mädchen herbei?
Sobald die beiden endlich zusammen sind, wird die ganze Chose leider noch peinlicher. Hoffnungen auf sentimentale Subtilität werden schnellstmöglich mit einem mächtigen Holzhammer zermalmt. Die gerade mal ein paar Tage alte Beziehung entlockt den Liebenden doch glatt solch illustre Schmachtfetzen der Marke “Du bist jetzt mein Leben”; da schwört man sich gerne mal lebenslangen Zusammenhalt und ewige Treue. Dummerweise bleiben diese überzogenen Versprechungen nichts weiter als leere Worthülsen, von wahren Gefühlen und tiefer Zuneigung ist auf der Leinwand nichts zu spüren. Mehr als lethargisches Zuflüstern inhaltsleerer Phrasen bekommt man nicht geboten. Wäre ja beinahe alles zu verschmerzen, wenn als Ausgleich andere interessante Krisenherde existent wären. Die lustlose Kitsch-Show wird jedoch dermaßen breit ausgewälzt, dass gar kein Raum für weitere Konflikte bleibt. Der Zwist mit einem verfeindeten Vampir-Clan soll zum Schluss hin noch als Alibi-Auseinandersetzung herhalten, gestaltet sich jedoch ausgesprochen blutleer und spannungsarm. Die für eine solche Produktion doch ziemlich spärlich genutzten und zudem schwachen Special-Effekte können einen auch keineswegs in Euphorie versetzen.
Fazit: Da bringen selbst die guten Ansätze nicht mehr allzu viel: Auch wenn so mancher Aspekt überzeugen kann, schädigt die schlampig ausgearbeitete Romanze den Gesamteindruck einfach zu sehr. Eine schwülstige Anhäufung kitschiger Dialoge will große Gefühle vermitteln, welche höchstens auf dem Papier des misslungenen Drehbuchs, nicht aber auf der Leinwand wiederzufinden sind - zu steif wirken die Hauptdarsteller, zu steril die Chemie zwischen ihnen. Schlussendlich ist “Twilight” also nichts weiter als eine verlogene Mogelpackung, die leichtgläubigen Mädchen den Traum der großen Liebe verkauft, dem anspruchsvolleren Zuschauer aber viel zu wenig zu bieten hat.
3/10