Review

„TWILIGHT – Biss zum Morgengrauen“ - eine moderne Parabel Kafkas.


7 Punkte. Dafür ?!?

Jaja... 


Das folgende ist wohl der Versuch einer Rationalisierung: Warum wirkte „TWILIGHT“ so überraschend stark auf mich? Natürlich ist Kristen Stewart als Bella eine konzentrierte Ansammlung sexueller Schlüsselreize, Physis, dunkle Stimme, alte Seele, ständig halb geöffneter Mund (was allerorten Anlaß zu Spott gibt), sexuell überständig und unbefriedigt, einzelgängerische Powerfrau usw.


Aber selbst so ein Megababe als Hauptfigur rettet noch keinen Film. Da scheint noch eine andere Ebene zu existieren. Und tatsächlich, schon ihr erster Satz ließ mich aufmerken.


Bella am Anfang des Films: „[...] daher kann ich es auch nicht bereuen, mein Zuhause verlassen zu haben. Ich werde die Hitze vermissen [...] Aber sie wollen wegfahren, also werde ich eine Weile mit meinem Vater verbringen. Und das ist auch gut so. - Denke ich.“


1.) Spätestens bei „Denke ich“ wissen wir: Hier spricht eine moderne Heldin. Die sich erklären will, die nachdenkt, vorsichtig ihre Motive hinterfragt.


2.) „Eine der besten Eigenschaften von Charlie: Er lässt mir Freiraum.“ Eine Heldin, die Freiheit braucht.

 

Als alter Fan von Franz Kafka (siehe meine Review zu „JOURNEY INTO FEAR“) sprach mich an „TWILIGHT“ ein Phänomen an, das Bella und Kafka (in meinen Augen) zu teilen scheinen, ganz deutlich z.B. am Scheitern der Kommunikation mit dem Vater.


3.) Es ist das Unbehaust-Sein, die Entfremdung („Alienation“) von ihrer Umgebung - ein Mädchen, das nirgends daheim ist. Sie sieht immer mißtrauisch aus, als versuche sie zu erfahren, was die anderen von ihr wollen. Eigentlich scheint sie mit niemandem „warm“ zu werden. Auch die sog. Liebe zu Edward ist eher eine Besessenheit, die sie sogar den Tod ALS MENSCH verlangen läßt. Und „warm“ ist der kalte Edward ohnehin nicht, die Beziehung wird nie besonders wärmend oder warmherzig, sie wird sogar zur Gefahr für Bella.


Das fahle, trübe Grün-Blau, das diese Gegend zu einem Ort des Unbehaust-Seins macht, wird jedenfalls von ihrer Liebe nicht aufgehellt. Das ist auch nicht möglich: denn die Liebenden können ihre Liebe nur im Schatten öffentlich machen. Und Edward verweigert ohnehin die letzte Konsequenz (den Vollzug, den Sex).


Er tendiert sogar dazu, Bella wegzustoßen. Außerdem trennt die Beiden, daß er besser mit der Umwelt verbunden ist als sie. Obwohl sie ein Mensch ist, hat sie weniger Familie als er, der Vampir.

Der fest eingebettet ist, sogar weiß, wohin er gehört, der sich mit seiner Familie bewußt vor Ort angesiedelt und eingemeindet hat.


Diese Gewißheit fehlt ihr. Und IHRE (menschlichen) gleichaltrigen Freunde scheinen nur einen kleinen Teil von ihr zu erreichen. Ihre Seele ist schon zu alt. Viel lieber wäre sie Vampir, also weg aus „ihrer“ Gruppe, den Menschen.


OFDB-Kollege McClane beschreibt das zutreffend: „Im Schöner-Leiden-Voice-Over erzählt Bella von ihren Problemen, denn die ganzen Kids von Schülerzeitung und Footballteam mögen sie, aber sie fühlt sich immer so abseits von ihnen. Da werden Teile der jugendlichen Zielgruppe sich jetzt ganz dolle verstanden fühlen, dem Rest der Welt hingegen wird schnell klar, dass Bellas wirkliche Probleme quasi gen null tendieren, aber als Teen neigt man ja zum Überdramatisieren.“


Ob überdramatisiert oder nicht: Gefühle, subjektiv empfunden, sind immer echt. Ein Problem ist für uns so weit „wirklich“, wie wir es als „wirkliches Problem“ sehen. Bellas Eltern-Kind-Entfremdung („Parental Alienation Syndrome“) bzw. Entfremdung von ihrer Umwelt ist nicht eingebildet, sondern real, auch wenn sie auf Grund einer Überdramatisierung (oder eines Irrtums) zustande kommt. Und auf das Gefühl, abseits zu stehen, folgt relativ schnell auch tatsächlich der reale Zustand des Abseitsstehens.


So erscheint Bella schon bald die Chance, in eine Parallelwelt (die der Vampire) zu entkommen, so heilsbringend wie Kafkas Eingang, der „nur für Dich bestimmt“ ist und aus dem ein „unverlöschlicher Glanz bricht“. (Auch die Vampire glänzen im Sonnenlicht und sind „unverlöschlich“.) Die Frage wird spannend: Wird sie diesen Eingang durchschreiten? Auch gegen den Willen des „Türhüters“ Edward? Der „Mann“ in Kafkas Parabel jedenfalls entschliesst sich, „lieber zu warten, bis er die Erlaubnis zum Eintritt bekommt“ und stirbt, ohne die Schwelle überschritten zu haben. Bella zeigt sich da weit aktiver. Was wird sie schließlich tun?


Fazit: ein Megababe wie Kristen Stewart als entfremdete, zudem noch sexuell ausgehungerte Power-Bella zu beobachten, machte für mich den Film aufregend. Auch daß sich eine Liebe über Gespräche entwickelt, daß sexuelle Spannung nicht abgebaut werden darf, daß das Kleinstadtleben inmitten moosbedeckter Twin-Peaks-Wälder spielt: All das vermochte mich über die Ironiefreiheit, das Pathos, die leicht fade Geschichte, die verwirrende Action und das Wirework-Geprügel am Schluß hinwegzutrösten.


PS: Inzwischen kam auch schon NEW MOON raus. Absturz.Tut mir leid, dazu fiel mir nichts mehr ein.

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