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Dass es möglich ist, mit allerlei optischen Leckerbissen qualitative Mängel eines Films zu verschleiern, wissen wir alle. Dass es aber so wenigen Zuschauern auffällt wie bei „Vidocq“, ist allerdings außergewöhnlich. Denn Pitofs Versuch, seinen Debütfilm nur mit Digitalkamera abzufilmen, geriet zwar zu einem visuellen Erlebnis, hat aber sonst kaum etwas zu bieten, das diesen düsteren Krimi zu einem Muss macht.

Wir befinden uns im Paris des 19.Jahrhunderts: Ein mysteriöser Mörder, der hinter einem Spiegel vor seinem Gesicht stets unerkannt bleibt, treibt sein Unwesen und metzelt bevorzugt junge Frauen dahin. In der Bevölkerung macht sich Angst und Schrecken breit, vor allem als Meisterdetektiv Vidocq (Gérard Depardieu mit einer gewohnt guten Leistung) bei der Jagd auf das Phantom ums Leben kommt. Ein Journalist möchte mehr über die Hintergründe der Taten wissen und begibt sich auf Spurensuche.

Die ganze Geschichte wird also in Rückblenden erzählt: In der Gegenwart ermittelt der Journalist, die Vergangenheit beschäftigt sich mit der Suche Vidocqs nach dem Mörder. Zunächst versteht es das Drehbuch durchaus, Spannung aufzubauen, obwohl bereits nach fünf Minuten klar ist, dass die Hauptfigur das Ganze nicht überleben wird. Die Mörderhatz ist anfangs ganz interessant, kommen doch immer mehr Verdächtige ins Spiel. Aber genau dieser Punkt wird dem Film im weiteren Verlauf zum Verhängnis, denn ab einem gewissen Zeitpunkt rennt der junge Bisset nur noch von einem Ort zum anderen, wo er wiederum einen Hinweis bekommt usw. Je mehr Namen und Verdächtige in den Raum geworfen werden, umso müder wird man selber, bis man es irgendwann leid ist.

Natürlich wurde das alles in bahnbrechende Bilder verpackt, die auf DVD derart glasklar und gestochen scharf niemals vorher bewundert werden durften. Aber das ist lediglich nettes Eye-Candy und zwar nur in den Szenen, in denen die Kamera mal ruhig hält, womit wir beim nächsten Punkt wären: „Vidocq“ ist dermaßen hektisch inszeniert, dass einem spätestens ab Bissets Hatz durch die Hintergassen die Augen wehtun. Pitof wird seinem Ruf als Spezialeffektguru zwar mehr als gerecht, aber manche Sequenzen wirken irgendwie nur als Füllstoff, um für mehr Laufzeit zu sorgen oder wurden eben nur des Effekts willen inszeniert. Vor allem die Szenen mit Préah verstärken diesen Eindruck.

Bei der für die Augen sehr anstrengenden Inszenierung ist es schon ziemlich schwer, gegen Ende noch einen Überblick über die Story zu behalten. Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb man sich am Ende einer ganzen Reihe unbeantworteter Fragen gegenüber sieht, oder bietet das Drehbuch einfach keine Antworten? Der finale Plottwist mit der Preisgabe der Identität des Phantoms ist natürlich ein Paukenschlag, entbehrt aber jeglicher Logik, vor allem was die Motivation des Mörders angeht, die nie richtig klar wird. Zudem werden beim Schlusskampf sämtliche physikalische Gesetze außer Kraft gesetzt, der Bösewicht scheint plötzlich übernatürliche Kräfte zu haben, für die es auch keine plausible Erklärung gibt. Aus dem historischen Krimi wird so ein undurchsichtiges Fantasy/Mystery-Wirrwarr, das dann auch noch mit dem ärgerlichsten, weil ältesten und blödesten Schlussgag überhaupt endet. Das Böse überlebt natürlich in seiner Gruft und wird alsbald wieder auf Menschenjagd gehen. Warum? Keine Ahnung, Hauptsache zum Schluss noch einen draufgesetzt.

Was Pitof natürlich gelungen ist, ist die Darstellung der Großstadt Paris um 1830 mit seinen verdreckten Gassen, der üblen Luft, die man fast riechen kann und dem Abschaum von vergammelten Halbweltgestalten und Prostituierten, welche die Stadt bevölkern. Das alles wirkt durch die extravagante Optik noch ein Stück fassbarer, aber irgendwann kann man aufgrund der verwackelten Kameraführung fast nicht mehr hinschauen.

Pitofs Regiedebüt wird deutlich überbewertet und bietet außer einer technischen Revolution, was die Kameraarbeit anbelangt, herzlich wenig, um als bedeutendes Werk in die Filmgeschichte einzugehen. Optisch durchaus reizvoll, aber das kann ein Michael Bay auch und bei dem meckert komischerweise die halbe Filmwelt, wenn die Story mal wieder papierdünn ausfällt. Was Pitof außerdem noch alles kann, hat man ja wenig später bei seinem Hollywood-Debüt „Catwoman“ gesehen…

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