Schon älter, aber immer noch gut...07.11.2010
Wir schreiben das Jahr 1999. Das Internet war noch in den Kinderschuhen, Pornographie für jedermann weit entfernt, und die Zeit für böse Gerüchte gut geeignet, betrafen sie die Schmuddelecke und alles, was abseits der vermeintlichen Normalität vorging. Urbane Legenden sind so entstanden, und eine dieser damaligen Legenden bildet die Basis für einen auch heute noch sehenswerten Film, der in gewisser Weise nicht an Aktualität und Kommentierung des Zeitgeschehens verloren hat. Wir schreiben nun das Jahr 2010, und Pornographie ist nun für jedermann nur einen Mausklick weit entfernt, ein Mausklick, der schnell in ganz unglaubliche Gefilde führen kann, wo nichts mehr unmöglich ist. Und es beschleicht mich angesichts der immer häufiger zu Tage geförderten Kinderpornoringe mehr und mehr das Gefühl, daß die Urbane Legende von damals Wirklichkeit geworden ist...
Es geht um einen Snuff-Film, billig gemacht, real wirkend, der im Safe eines honorigen amerikanischen Geschäftsmannes nach dessen Tod von der Witwe gefunden wird. Die alte, seriöse, sehr auf den Ruf ihres Mannes bedachte Dame beauftragt nun den Privatdetektiv Tom Welles mit der Suche nach der "Darstellerin" des Films und möchte den Beleg haben, daß diese noch lebt. Tom, an sich ein Schnüffler für kleine, normale Fälle, vergräbt sich in diesen Auftrag, ermittelt in der Pornoszene und findet dabei auch die Identität des Mädchens heraus. Doch das Mädel ist tot, dahingeschlachtet, um dabei einen Film zu drehen...Als nun aufgrund der Ermittlungen auch Toms Familie in Gefahr gerät, anderseits aber auch Beweismaterial vernichtet wird und Zeugen sich das Leben nehmen, greift er zum einzigen ihm zur Verfügung stehenden Mittel...und sucht dabei auch die Antwort auf die entscheidende Frage des "Warum?" Bei dieser Suche begleiten wir ihn gerne und haben zusehends das Gefühl, etwas ekliges anzufassen...
Manch einer verzweifelt an der Wahl des Hauptdarstellers für diesen Streifen, aber ich halte Nicholas Cage gerade aufgrund seiner immer übertrieben wirkenden Mimik für ideal besetzt bei der Rolle des sich wandelnden Schnüfflers. Klar, manches ist überzogen, und der Grat zum Chargieren ist schmal, aber das Thema des Streifens kann nun mal auch Abscheu erzeugen - und für dessen filmische Umsetzung ist Cage samt Hundeblick wunderbar geeignet. Der Film macht alles richtig, nimmt sich Zeit für seine Figuren, geht behutsam bei den Ermittlungen vor, um dann seine finalen Aussagen um so heftiger zu präsentieren. Dazu dann noch Selbstjustiz, gerechtfertigt durch die Mutter des toten Mädchens, das ist starker Tobak. Dank Joaquin Phoenix gerät das auch nicht zu eindimensional, und so ist der Film eine gute Reise in die Abgründe des menschlichen Miteinanders...packend inszeniert, leider aber mit unpassender Musik hinterlegt und auch ein wenig zu lang, insbesondere in den etwas aufgesetzt wirkenden Momenten von Toms Familienleben, aber dennoch ein sehr unamerikanischer Streifen...8/10.