Es ist schon eine Crux mit diesen Videospielverfilmungen. Immer und immer wieder scheitern Regisseure an ihnen, und auch wenn viele Vorlagen kommerziellen Filmemachern wie Uwe Boll zum Opfer fallen, die gar nicht beabsichtigen, das Flair der Spiele einzufangen, so beißen sich doch selbst die ambitioniertesten Regisseure die Zähne an ihnen aus. Für viele ist “Silent Hill” von Christophe Gans die neue Referenz, doch selbst der ist nicht unumstritten, gilt als zu unfilmisch und ungruselig. Das populärere Konkurrenzprodukt “Resident Evil” hingegen muss sich mit einer ausgeflippten Filmtrilogie arrangieren, bei der höchstens die ersten fünf Minuten des ersten Films den Games nahe kommen. Das alleine ist Grund genug, es noch mal ganz neu zu versuchen. “Resident Evil: Degeneration” genießt alle Existenzberechtigung dieser Welt, so viel steht mal fest.
Nun mag die Spielreihe ja durchaus actionlastig sein, was aber nicht ausschließt, dass um die Katastrophe von Raccoon City herum nicht auch etwas zu erzählen wäre. Atmosphärische Zwischensequenzen verbinden die Spielabschnitte miteinander, die ihrerseits immer noch narrativ angelegt sind: so gibt es beispielsweise Sequenzen, in denen sich Tastenreaktionsspiele mit den Filmabschnitten überlagern und diese in eine bestimmte Bahn lenken. Eine ziemlich exklusive 3rd-Person-Perspektive hat “Resident Evil 4" ausgezeichnet, bei der man das Gefühl hatte, dem Protagonisten Leon S. Kennedy - der hier ebenso eine tragende Rolle spielt wie der Endgegner-Mutant - direkt über die Schulter zu schauen. Und wenn man das Vieh am Ende von “RE 4" in die Luft gesprengt hat und der Epilog läuft (welcher sehr viel Ähnlichkeit hat mit dem Epilog, den man diesmal zu sehen bekommt), hat man das Gefühl, einer gewaltigen und mitreißenden Geschichte beigewohnt zu haben, die über cineastische Qualitäten ohne Ende verfügt.
Die japanische Programmierung versucht sich also in Vorlagennähe. Einen CG-Film zu drehen ist in Anbetracht der Vorlage so originalgetreu wie nur irgend möglich und mit der Entscheidung, den Protagonisten so eng es geht zu folgen, wird das intime Beisein des Spielers bei seiner Figur imitiert.
Nur: einmal mehr funktioniert es nicht.
An der mitunter sterilen Darstellung der Menschen- und Zombiegesichter in Totalen, die sich mit nahezu fotorealistischen Panoramaeinstellungen abwechseln, kann es nicht liegen, denn so unfertig manche Einstellung auch aussehen mag, die Qualität ist doch immer noch besser als das Material der interaktiven Vorlage.
Nun ist es so, dass der Kamerafokus mit Freude als zentrifugaler Gefahrenpunkt fungiert: Zombies stürmen auf ihn zu, beißen herzhaft in ihn rein, oder umgekehrt beißt auch mal die Kamera in jemanden rein, wenn die Egoperspektive eines Angreifers eingenommen wird. Wäre das Genre ein anderes, man könnte Makoto Kamiyas Regie als einfühlsam-liebevoll und den Film als romantisch missverstehen, so nahe ist man den Charakteren, und in der Tat ist es wie eine direkte Mittendrin-Erfahrung. Das Beisein einer starken Figur wie Leon lässt uns wie Schulkinder zurück, die an der Hand durch ein Gruselkabinett geführt werden.
Trotzdem bleibt die Sorge um das Zweigespann Leon S. Kennedy / Claire Redfield minimal; allenfalls beinharte Gamer werden mitfiebern können, weil sie höchstpersönlich schon eine Karriere als Leon und / oder Claire hinter sich haben und ihre Pappenheimer kennen. Wem die interaktive Erfahrung fehlt, der sieht bloß zwei x-beliebige Animefiguren, die von querschnitthaftem Antiheldentum geprägt sind. Es wird innerhalb dieser Produktion nichts getan, um die Charaktere in dieser neuen Filmsituation interessant zu machen.
Bloß hat die klettenhafte Kamera den Kehrteffekt, dass sie eine geschlagene Stunde lang geradezu an den Charakteren klebt und folglich auch beiwohnt, wenn unzählige Lagebesprechungen stattfinden, an denen inhaltlich allenfalls Geeks interessiert sind. Wer da noch behauptet, “Silent Hill” sei unfilmisch, der soll mir dann mal erklären, was “RE - Degeneration” in diesen Momenten ist.
Und dann beginnt auch schon bald das Finale, welches wie ein langgezogener Nachschlag an den von vereinzelten Zombieattacken durchsetzten Dialogpacken drangehangen wird. Wo die Spiele eine Art “Evolution” der Monster generierten und man sich bildlich immer tiefer in den Schlund der Hölle stolpern sah, während die Monster immer abstoßender wurden, so muss diesmal wieder eine Schar klassischer Stöhner mitsamt eines einzelnen Über-Wesens ausreichen. Genug der Artenvielfalt, das Scherenvieh mit dem Glupscher in der rechten Schulter macht ohnehin genug Radau für zwei Endbosse und zerstört gleich drei Ebenen einer wissenschaftlichen Einrichtung, ohne in den langen 20 - 30 Minuten jedoch verschleiern zu können, dass der Kampf letztlich bloß tumbes Herumgehüpfe ist.
Die Moral von der Geschicht: Was wirklich essentiell ist, wurde wieder nicht erfasst. Wo Christophe Gans mit “Silent Hill” auf recht gelungene Art und Weise das malerisch Surrealistische des ehemals Menschlichen und nun Deformierten zu zeichnen wusste, hätte “Resident Evil - Degeneration” bei seinem Authentizitätsanspruch versuchen müssen, den Irrsinn eines modernen Holocausts exemplarisch anhand einer Hier-und-Jetzt-Situation nachzeichnen und mit Blut- und Ekeleffekten abrunden sollen. Statt dessen labt sich Regisseur Kamiya an dialogischen Erzählorgien und folgt seinen digitalen Stars auf Schritt und Tritt, ohne die Grenzen und Möglichkeiten des Mediums Film zu berücksichtigen. Die Folge ist zumindest in der ersten Stunde ein Langeweiler erster Güte, der in jeder einzelnen Szene Potenzial verschenkt in Hülle und Fülle. Natürlich scheitert er wesentlich ehrenvoller als die Jovovich-Ballerorgien; scheitern tut er dennoch.