„Ich würd‘ nie ‘ner Frau trauen!“
Anscheinend der erste Spielfilm des japanischen Regisseurs Yukio Noda, der auch in Deutschland ausgewertet wurde, ist sein im Jahre 1974 entstandener „Der Tiger von Osaka“ – ein höchst exploitativer Action-Thriller, der dem japanischen Pinky-Violence-Genre zugeordnet wird und auf einem Manga Tooru Shihoraras basiert, der von Fumio Konami und Hiro Matsuda adaptiert wurde.
„Ein süßes Geschöpf!“
Die attraktive Polizistin Rei (Miki Sugimoto, „Girl Boss Revenge: Sukeban“) bringt mit vollem Körpereinsatz einen Triebtäter zur Strecke, indem sie ihm eine Art Falle stellt: Sie deutet an, mit ihm ins Bett zu wollen, doch als er sie zu misshandeln beginnt, tötet sie ihn in – nicht unwillkommener – Notwehr. Da es sich jedoch um einen bedeutenden Diplomaten handelte, wird sie der Selbstjustiz überführt in landet im Gefängnis. Als aber eines Tages Kyôko (Hiromi Kishi), Tochter des Politikers Nagumo (Tetsurô Tanba, „Der Untergang Japans“), von Yoshihide Nakaharas (Eiji Gô, „Tokyo Drifter - Der Mann aus Tokio“) Bande entführt wird, sind ihre Dienste plötzlich wieder gefragt: Konspirativ und ohne viel Aufsehen zu erregen, soll sie Kyôko befreien, ohne dabei Nagumos Erfolg bei den bevorstehenden Premierministerwahlen zu gefährden. Rei nimmt den Auftrag an und findet sich letztlich inmitten eines blutigen Infernos wieder...
„Auch einen Mörder schießt man nicht ab wie ein Karnickel!“
Disco-Funk-Klänge, die in eine vermeintliche Sexszene überleiten, führen den Zuschauer schön aufs Glatteis, der kurz darauf einen ersten Eindruck von der Gewalt bekommt, die diesen Film vornehmlich bestimmen wird. Kyôko Entführer sind eine dreckige, dafür umso brutaler agierende mafiöse Gang, deren häufig sexualisierte Gewalt durchaus unangenehm realistisch dargestellt wird. Rei schleust sich bei ihnen ein und nimmt, bevor sie ihr Vertrauen genießt, selbst größte körperliche Demütigungen auf sich, um sich später umso entschiedener zu rächen. Letztlich kämpft sie nur für sich und befindet sich so zwischen allen Fronten – erst recht, als der korrupte Nagumo am Ende gar bereits ist, seine eigene Tochter zu opfern. Zwischen urbanen Leuchtreklamen und ländlichen Absteigen, zwischen Misshandlungen, Vergewaltigungen und Sprücheklopferei werden alle Seiten zunehmend sadistischer und offener Zynismus bricht sich allenthalben bahn.
„Du verkaufst nur deinen Körper, aber in meinem Job verkauft man die Moral!“
Da erschlägt ein Gangster seinen kleinen Bruder brutalst mit einer Flasche, lässt der Politiker zu, dass gekidnappte Hausbewohner lebendig verbrennen und wird auch darüber hinaus alles getan, um keinen Zweifel an der moralischen Abgestumpfheit und Verkommenheit der hier agierenden Personen zu lassen. Rei lässt das meiste stoisch und eiskalt über sich ergehen, scheint daber aber immer ihren eigenen Plan zu verfolgen. Wichtig scheint ihr nicht ihre körperliche Unversehrtheit, Schläge ins Gesicht berühren sie nicht. Priorität genießt für sie, dass sie es sein wird, die zuletzt lacht. Sie hat einen Handschellentrick drauf, der ihr des Öfteren zur Hilfe kommt und etwas Comichaftes in den Film einbringt, wie es auch die gern chargierenden Darsteller und das generelle Over-the-Top-Sujet tun. „Der Tiger von Osaka“ wandelt damit irgendwo zwischen den Polen bösartiger Grimmigkeit und karikierender Übertreibung, was seinen Konsum durchaus zu einem Wechselbad der Gefühle machen kann.
Zu splatterigen Schießereien gesellen sich im allgemein hohen Tempo Erinnerungen zeigende Standbilder, die den Film immer mal wieder komplett zum Stillstand bringen und damit ein ebenso interessantes Stilmittel darstellen wie die schrägen und originellen Kameraperspektiven. „Der Tiger von Osaka“ ist eine Art ultrabrutaler Rape’n’Revenge-Trip um mehrere Ecken mit viel Blut und nackter Haut, der auf seine plakative Weise das kulturpessimistische Bild einer verkommenen Gesellschaft zeichnet, in der die Geschicke von korrupter, über Leichen gehender Politik und Staatsmacht sowie skrupellosen Gangsterbanden geleitet werden und jeder letztlich auf sich allein gestellt ist. Noda pfeift genretypisch auf gesellschaftliche Frauenbilder, geht in seiner Manga-Verfilmung weiter als viele westliche Filmemacher damals wie heute und hat mit „Der Tiger von Osaka“ sicherlich einen herausragenden Pinky-Violence-Beitrag unter den deutsch synchronisierten Exemplaren geschaffen, der für manch Zuschauer zuviel des Guten und damit schwer genießbar sein dürfte, während sich andere genau in ihrem Element wähnen.