Das die asiatische Filmgeschichte ein Fass ohne Boden ist, in das wir Europäer höchstens ansatzweise eintauchen können ist klar. Besonders wenn es sich um ein Genre handelt welches zu einer bestimmten Zeit, lange vor dem digitalen Zeitalter eine schwer erfassbare Unmenge an Filmen hervorgebracht hat. In den 70ziger Jahren war ein solches Genre, das in gleichem Ausmaß produziert wurde und eine ähnliche Popularität genoss wie in Italien die Gialli, der so genannte Pinku Eiga, der „Pink-Film“. Häufiges Motiv ist die brutale Schändung einer Frau, die sich dann ebenso brutal rächt. Dabei handelt es sich jedoch keinesfalls um typische Rape and Revenge-Filme sondern in der Regel um Krimis, die in der Unterwelt japanischer Großstädte angesiedelt sind und in denen oft auch die Yakuza eine Rolle spielen.
Das sich die Masse der Pink-Filme besonders für den deutschen Filmkonsumenten nicht einmal ansatzweise erschlossen hat mag wohl auch daran liegen, das es die wenigsten in deutsche Lichtspielhäuser schafften. „Der Tiger von Osaka“ ist einer der Filme denen dies gelungen ist und gilt mittlerweile als Klassiker des Genres.
Die Polizistin Rei (Miki Sugimoto) wird, nachdem sie in Selbstjustiz einen Mädchenmörder (amüsanterweise ein Europäer) getötet hat, freigelassen, um sich in die Bande eines Kleingauners einzuschleichen, dem durch Zufall die Tochter des Premierminister-Kandidaten Naguma in die Hände gefallen ist. Sie muss qualvolle Torturen und Vergewaltigungen ertragen bevor die Bande sie akzeptiert. Doch ausgerechnet Naguma bringt sie durch eine unüberlegte Aktion in tödliche Gefahr…
Die meisten Pink-Filme die mir bisher untergekommen sind, hinterließen keinen bleibenden Eindruck. Zu oft fließt die für einen Europäer schwer verständliche und unbekannte japanische Kultur und Historie mit ein wie etwa in Teruo Ishiis „Tokugawa“ und macht das Geschehen seltsam fremd und unzugänglich, vorausgesetzt man bringt nicht eine gewisse Vorrausbildung und ein gehobenes Interesse an dieser Kultur mit. „Der Tiger von Osaka“ ist eine andere Nummer. Nicht selten erinnert der temporeiche Film mit seiner simplen Kriminalgeschichte in Grundstimmung und Handlungsaufbau dezent an die deutschen Edgar Wallace- und Jerry Cotton-Filme (der gelungene Soundtrack, der stellenweise an Peter Thomas erinnert, verstärkt diese Assoziationen).
Doch so züchtig wie in oben beschriebenen Filmen geht es hier nicht zu. Denn „Der Tiger von Osaka“ wäre kein Pink Film, wenn seine Handlung nicht mit exzessiven Gewaltszenen und zahlreichen saftigen Vergewaltigungen angereichert wäre. Allerdings wirkt dies hier nicht so ermüdend wie in anderen Filmen des Genres, denn Regisseur Yukio Noda hat sich deutlich an westlichen Filmen orientiert (vermutlich auch ein Grund dafür, warum Constantin den Film hierzulande startete) und jene Szenen nicht unnötig ausgeschlachtet, so das sein Werk wohl nur zu empfindsameren Gemütern keinen Zugang finden dürfte. Warum allerdings diese Unterwerfung der Frau im japanischen Kino so populär und verbreitet ist wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Wie im europäischen Thriller jener Zeit gibt es auch hier politische Elemente sowie eine neue Emanzipation der Frau als Agentin / Polizistin. Auch wenn sie von den Schurken sexuell erniedrigt wird. ist Rei ihnen letzten Endes stets einen Schritt voraus, erscheint selten schwach- und schickt sie schließlich alle zusammen über den Hades.
Dabei werden die zahlreichen Schandtaten in der unbeschreiblich schmierigen deutschen Kinosynchronisation mit Stilblüten der Trash-Poesie kommentiert, die den Verdacht auf Frauenfeindlichkeit durchaus berechtigt erscheinen lassen. Eigentlich tut dies zwar nichts zu Sache, doch einige Sprüche sind einfach zu herrlich, um sie nicht zu zitieren:
„Wisst ihr was? Jetzt braucht er erstmal was zum bumsen, der hat schon lange keine mehr von innen gesehen!“
„Na ihr schlitzäugigen Benzinkutscher, was sagt ihr dazu?“- „Da geht einem ja das Messer in der Hose auf!“
„Sie antwortet nicht- vielleicht ist einer drin bei ihr?“- „Drin ist gut!“
„Die werden schon nichts sagen- die haben selbst zuviel Mäusedreck in der Orgel.“
Der ganz spezielle Einfallsreichtum deutscher Übersetzer und Texter in den 70ziger Jahren macht doch immer wieder Freude!
Überdies kann man dem Film einen gewissen künstlerischen Wert nicht absprechen denn wie so viele andere seiner Zunft (und überhaupt japanischer Filme dieser Ära) ist auch „Der Tiger von Osaka“ optisch von erlesener Schönheit und schwelgt beinahe über die gesamte Laufzeit in wundervollen Bildkompositionen. Auch die Darsteller sind, gemessen dem Genre durchaus passabel. Natürlich beeindruckt vor allem die wunderschöne Miki Sugimoto mit ihrer kühlen und distanzierten Darstellung, die zwar nicht durch Tiefe oder ein besonderes Talent aber doch durch ein gewisses Charisma überzeugt. Auch der Darsteller des Gangsterbosses ist hervorragend besetzt.
„Der Tiger von Osaka“ ist japanisches Exploitation-Kino mit dem gewissen Etwas, das durch eine rasante Inszenierung, kunstvolle Bilder und eine spannende, wenn auch nicht übermäßig innovative Kriminalgeschichte begeistert und nicht umsonst als eines der Aushängeschilder des Pink Filmes gilt. Sehenswert.