"Zero Woman: Red Handcuffs“ ist ein würdiger Vertreter des japanischen (vornehmlich aus Sexualität und Brutalität bestehenden) Siebzigerjahre-Kinos, dessen (mit Sicherheit fragwürdige) Ergüsse heute nur noch schwer auffindbar bzw. erhältlich sind.
Betrachtet man die mit abstoßenden Bösewichtern, zahlreichen Folterungen, Vergewaltigungen und extremen Blutbädern bestückte Handlung dieses raren Werkes, lässt sich der voreilige Schluss ziehen, es handle sich um einen menschenverachtenden, allein der Befriedigung sensationsgieriger Schaulust dienenden Sado-Streifen, dessen Zielpublikum hoffentlich nicht allzu groß sei. Doch um es mit den treffenden Worten Ivo Ritzers zu formulieren: "Die Erfüllung der exploitativen Vorgaben ist nur eine Seite der Medaille.“ ("Splatting Image # 61“)
Die andere Seite besteht aus einem schier unermüdlichen Ausdruckswillen, der sich in gesellschafts- und sozialkritischen Elementen, einem eindeutigen politischen Kommentar, sowie nahezu hypnotischen Bildern der Degradierung, Deformierung und Dezimierung äußert, die in ihrer ungewöhnlichen Komposition und sowohl grafischen als auch inhaltlichen Konsequenz einen neu- und einzigartigen Stil bilden, welcher lediglich anhand einiger Zeitlupen die (definitiv gelungene) Übernahme bereits vorgegebener Stilmittel erkennen lässt.
Es ist unbeschreiblich, wie galant sich Yukio Nodas Manga-Verfilmung auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Ausbeutung bewegt. Auf der einen Seite, so scheint es, bekennt sich "Zero Woman“ zu seiner primitiven, ausschlachtenden Darstellung von Gewalt und Leid, auf der anderen aber ist er sich nicht zu fein, diese mit schon fast delikaten optischen Mitteln, sowie unverblümt ambitionierter Kritik zu ergänzen. Während die "Bösen“ Menschen mit Lötkolben oder Schraubstöcken foltern, Frauen verprügeln oder vergewaltigen und ihre Familienmitglieder bestialisch ermorden, gibt man sich auf der "zivilisierten“ und "guten“ Seite höchst zurückhaltend. Bloß keinen Skandal so kurz vor den entscheidenden Wahlen, lautet die Devise eines Politikers, der alles daran setzt, die Entführung seiner Tochter vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Die Jagd auf die Entführer nimmt eher die Rolle einer aufregenden Freizeitbeschäftigung ein, denn die eines verzweifelten Befreiungsversuchs. Lösegelder werden nicht gezahlt, Menschen werden gemartert (kurz vor seiner Hinrichtung sagt ein Todgeweihter, der Vater der Entführten und seine Helfer seien auch nicht besser als die eigene Bande) und schließlich wird zwecks Vertuschung sogar der Tod der eigenen Tochter angeordnet.
Abgesehen von den kritischen Tendenzen wirkt das Drehbuch in seiner Reduzierung auf das Wesentliche zunächst simpel, offenbart später aber mühelos und völlig nebenbei die Vergangenheit und Motivation einiger Charaktere, ohne – und das ist wahrlich schwer zu vermeiden – dabei in Erklärungsnot oder Rechtfertigungsversuche abzudriften.
Viele der Darsteller erscheinen durch ihr minimalistisches Schauspiel glaubwürdig und ambivalent, einigen gelingt es sogar, ihren Figuren dezente Ausdrücke des Selbstzweifels zu verleihen. Dieses Ensemble kann sich sehen lassen!
Da die technischen Stärken des Films (restlos verbraucht) in den Bereichen Ausleuchtung, Kamera, Schnitt liegen, fällt der eher unpassende und beliebige Funk-Score auch nicht weiter ins Gewicht.
Wenn man dazu bereit ist, die sich anziehenden Gegensätze dieses schizophrenen Meisterstücks in ihrer Gänze zu akzeptieren, ist ein filmischer Hochgenuss vorprogrammiert. Falls man es nicht ist, dürfte dennoch für jeden etwas dabei sein: Freunde billiger Unterhaltung werden sich an den krankhaft hysterischen Gewaltszenen und der rüden Sprache ergötzen, Liebhaber des avantgardistischen Kinos können sich von den grellen und außergewöhnlichen Bildkompositionen begeistern lassen, Fans harter und explosiver Action müssten beim atemberaubend-dynamischen End-Shootout auf ihre Kosten kommen und Verehrer des nihilistischen Films dürften in dieser Gift und Galle spuckenden Holzhammer-Allegorie auf das Japan der Siebzigerjahre ihr zweites Zuhause finden.
Ein Ausnahmefilm.