Nicht erst seit dem die Bundeswehr in Afghanistan operiert, tut man sich mit dem Begriff "Krieg" schwer. Auch als die US-Amerikaner nach Bagdad vordrangen, um Saddam Hussein zu stürzen, da dieser bekanntlich chemische Waffen hortete, war schnell Schluss mit dem Begriff "Krieg". Nur wenige Wochen benötigte die US-Armee bis die Saddam-Statue in Bagdad umfiel und schon war die Rede vom Ende der Kampfhandlungen und damit dem des "Krieges".
Obwohl die US-Armee (neben diversen eigenen Interessen) durchaus auch die Befreiung des irakischen Volkes aus der Diktatur beabsichtigt hatte, mussten die Soldaten feststellen, dass sie im Land nicht besonders Willkommen war. Die Einen gaben ihnen die Schuld, Chaos und Tod über ihr Heimatland gebracht zu haben, für die Anderen waren sie schlicht Feinde. So zogen sich die amerikanischen Soldaten (und ihre Verbündeten) in hermetisch abgeriegelte Lager zurück, um nur zu bestimmten Aktionen diesen geschützten Bereich zu verlassen, während die Zivilbevölkerung ihnen nicht nur fremd blieb, sondern auch einen guten Schutzschild für die Durchführung von Anschlägen abgab.
Leider handelt es sich bei diesem Zustand nicht um Vergangenheit, sondern um bittere Gegenwart, was Kathryn Bigelows "The Hurt Locker" noch bemerkenswerter macht. Ihr Film ist eine Beschreibung des "Status Quo" und es gibt Niemanden, der eine Lösung oder das Ende kennt. Das unterscheidet den Film von beinahe sämtlichen seiner Art, die sich einem militärischen Konflikt widmen. In der Regel betonen diese während der noch anhaltenden Kampfhandlung den heroischen Charakter der eigenen Soldaten, während erst nach dem Ende des Krieges die kritischen Stimmen überwiegen, die an Hand inzwischen bekannter Fakten die Geschehnisse resümieren.
Das Wissen über die späteren Konsequenzen eines Konfliktes ermöglicht im klassischen Kriegsfilm - egal ob Anti oder nicht - die Vermittlung einer Tragweite in der Handlung. Wenn ein Soldat im Kampf stirbt, dann weiß der Betrachter, dass sein Tod nicht umsonst gewesen ist, oder wenn etwa Clint Eastwood die Kämpfe aus japanischer Sicht in "Letters from Iwo Jima" schildert, dann funktioniert die Botschaft über die Sinnlosigkeit dieser Auseinandersetzung auch auf Grund der inzwischen langanhaltenden japanischen Freundschaft mit den USA. Doch weder ist der Irak eine blühende Demokratie, noch gibt es ein freundliches Verhältnis unter den Völkern, man kann aber auch nicht mit Sicherheit voraus sagen, dass es dazu nicht in irgendeiner Form kommen wird. Das macht Bigelows "The Hurt Locker" so unbequem, da eine eindeutige Wertung der hier gezeigten Geschehnisse nicht vermittelt werden kann.
Konsequenterweise entzieht sie sich sämtlichen Sonntagsreden von Politikern, lässt auch keinen hohen Militär zu Wort kommen und vermittelt weder zeitliche Aussichten noch Zielsetzungen, sondern konzentriert sich ausschließlich auf die drei Protagonisten, die dafür zuständig sind, Bomben zu entschärfen. Es handelt sich um Staff Sergeant William James (Jeremy Renner), dem eigentlichen Bombenspezialisten, und um Sergeant JT Sanborn (Anthony Mackie) und Specialist Owen Eldridge (Brian Geraghty), die für seinen Schutz sorgen sollen. Mit der Konzentration auf eine so kleine Einheit, gelingt es dem Film, die gesamte Perversion der hier ablaufenden Ereignisse in einem minimalen Brennpunkt zu verdeutlichen.
Im Prinzip bräuchten die drei Männer nur in ihrer geschützten Unterkunft zu bleiben, denn Gefahr droht ihnen durch die Bomben erst, wenn sie sich diesen nähern. Ähnliches gilt auch für die übrigen Soldaten, denn das Entschärfungsteam kann nur dann gerufen werden, wenn ein möglicher Anschlag auch entdeckt wurde. Entsprechend sind bei ihrer Ankunft die Gebiete um eine solche Bedrohung immer weiträumig abgeriegelt. Die Schizophrenie in ihrer Vorgehensweise erschliesst sich darin, dass sie gelungene Attentate damit gar nicht verhindern können, sondern sich nur der tödlichen Gefahr aussetzen, um wieder Normalität für die Zivilbevölkerung herzustellen. Bigelow vermittelt damit den Zwiespalt zwischen dem Versuch Menschen zu schützen und einer Gefährdung, die erst durch die eigene Anwesenheit entsteht.
Die Beschränkung auf die drei Protagonisten hat zur Folge, dass nur deren subjektive Sichtweise das Geschehen bestimmt. Die ständige tötliche Gefahr, in der sie schweben, wird so auch für den Betrachter fühlbar. Durch den Verzicht, Spannung speziell herauf zu beschwören, wird diese nicht zum Selbstzweck, wodurch "The Hurt-Locker" trotz seines Gefahrenpotentials nicht im Sinne eines typischen Actionfilms unterhaltend ist. Gleichzeitig bekommt man trotz der sparsamen Dialoge ein zunehmend genaueres Bild der drei Charaktere, die zwar ganz unterschiedlich mit der Situation umgehen, aber diese immer aus ihrer privaten Perspektive beurteilen. Wer von ihnen Statements oder eine kritische Haltung erwartet, unterliegt wieder dem Wunsch nach einem klaren, übergeordneten Urteil, ohne zu verstehen, dass der Film sein eindeutig kritisches Potential nicht durch Meinungsmache nach Außen trägt, sondern indem er dem Betrachter die Möglichkeit gibt, sich ein eigenes Urteil zu bilden.
Letztlich zentriert sich alles in der von Jeremy Renner großartig gespielten Figur des Bombenentschärfers. Einmal erfährt dieser von einem tötlichen Anschlag auf die Armee und ärgert sich darüber, nicht in der Nähe gewesen zu sein, weil er die Gefahr vielleicht hätte zuvor erkennen können. Sein Verhalten ähnelt immer mehr einem Wettlauf mit den Attentätern, so als ob es ihm irgendwann gelingen könnte, Bomben zu entschärfen, bevor sie überhaupt gelegt würden. Der daraus entstehende Drang, immer wieder sein Leben zu riskieren, erinnert an einen Junkie, der auch nicht mehr in die Normalität zurückfindet, selbst wenn dort Frau und Kind auf ihn warten. Seiner Figur haftet deshalb nichts heroisches an, sondern symbolisiert in ihrer Sinnlosigkeit und Todessehnsucht eine Handlung, die ohne Aussicht auf Erlösung ständig wiederholt wird (9/10).