Dies ist die Geschichte der RAF, der Roten Armee Fraktion, so, wie sie sich tatsächlich abgespielt hat. Angefangen von den Studentenaufmärschen Ende der 60er Jahre, dem Besuch des Schars über den Tod von Benno Ohnesorge entwickelt sich über die Brandstiftung eines Kaufhauses durch Gudrun Ensslin und Andreas Baader langsam die RAF. Mitbeteiligt sind außerdem Ulrike Meinhof und der Anwalt Mahler. Von da beginnen die Morde und der Terror in Form von Bombenanschlägen auf offizielle Einrichtungen. Und es dauert eine Weile, bis letztendlich die Jagd auf die Verursacher langsam aber sich zum Erfolg führen wird.
Der Film ist von seiner Wirklichkeitsgetreuen Nachbildung der Ereignisse exzellente umgesetzt, sofern man diversen Quellen Glauben schenken darf. Grundlage bietet hierfür das Buch von Stefan Aust, einem langjährigen Spiegel-Mitarbeiter und unter anderem Moderator der Fernsehsendung Spiegel TV. Das ist jüngere Geschichte, wie man sie bisher noch nicht verfilmt hatte, denn dieses Thema wurde zwar durch Dokumentationen in die Welt des Fernsehens getragen aber eine gute filmische Umsetzung war bisher ausgeblieben.
Die Thematik an sich ist sehr gut umgesetzt, denn die Ereignisse haben wirklich so stattgefunden. Umso mehr wundert es mich, dass dieser Film fast schon ein Nischendasein führt. Mir lag im übrigen die Extended Edition vor, die leider nicht auf Blu Ray erhältlich ist. Das Bild gut bis mäßig für eine DVD auf einem Großbildfernseher. Dabei ist hier absichtlich Material von Sendungen aus den 70er Jahren eingebracht worden, wie diverse Tagesschau-Blöcke, Eduard Zimmermann in Aktenzeichen XY ungelöst und am Original orientierte Zeitungsausschnitte. Weiter hat man versucht die Ereignisse exakt nachzubilden. Dies fällt vor allem bei der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback auf, da die Postierung der Leichen fast so wie am originalen Fundort dargestellt ist.
Auch die Verhaftung von Meins ist ein Ebenbild der Geschichte, fast bis aufs letzte Detail. Das Gefängnis in Stammheim könnte vielleicht sogar der wirkliche Schauplatz sein, so wie er damals ausgesehen hat, und wo die RAF-Mitglieder inhaftiert waren.
Vor sehr kurzer Zeit gab es „Die Geschichte der RAF“ als Dokumentation zu sehen, und deshalb sind nicht alle Dinge so dargestellt, wie es eigentlich der Fall hätte sein müssen. Wichtig war zum einen, dass Enslin und Baader Unterschlupf in Paris gefunden hatten und nicht in Rom, und aus Paris sind sie letzten Endes wieder nach Deutschland gekommen. Außerdem wird die Geburtsstunde der RAF als den Zeitpunkt gewertet, an welchem Baader von Ulrike Meinhof im Institut für soziale Fragen befreit wird. Im Film könnte man denken, dass schon früher nämlich bei einer Kundgebung von Rudi Dutschke die Gründung stattgefunden hat.
Weiter ist nicht so ganz geglückt, dass Astrid Proll im toten Trakt in Köln untergebracht war, wie es auch später Ulrike Meinhof gewesen ist. Man versucht zwar das hier mit einfließen zu lassen, aber es geht ein wenig unter. Es ist außerdem nicht so, dass Baader, Enslin und Meinhof von Beginn an in Stammheim einsaßen. Ulrike Meinhof kam erst später hinzu. Auch die Anwälte, die heute keine Unbekannten sind, denn niemand geringeres als Christian Strobele von den Grünen als auch der ehemalige Bundesinnnenminister Otto Schily haben damals die Verteidigung übernommen. Das wird hier gar nicht berücksichtigt. Dafür gibt es ein wenig Familiensinn mehr, wie es durch den Ehemann von Ulrike Meinhof und den Verlust der Kinder deutlich gemacht wird. Auch das Ausbildungscamp wird eher ausgeschmückt, und mag zu bezweifeln sein, ob dies wirklich so stattgefunden hat.
Die geschilderten Ereignisse gehen etwa bis 1977. Da kommt Brigitte Mohnhaupt mit ins Spiel, die auch in der Folge die Geschehnisse maßgebend beeinflussen wird. Allerdings geht die Figur ein wenig unter. Auch der noch inhaftierte Christian Klaas (?) wird gar nicht berücksichtigt. Man hätte außerdem Verena Becker etwas mehr ausschmücken können, denn mittlerweile ist sie aufgrund des Attentats an Genrealbundesanwalt Buback erneut verurteilt worden. Auch die Schleyer-Entführung kommt viel zu harmlos rüber und es waren schließlich mehrere Wochen, in welcher er in der Gewalt der RAF gewesen war. Allerdings ist die Rolle rein optisch hervorragend besetzt.
Die Charaktere
Andreas Baader
Moritz Bleibtreu verkörpert Andreas Baader hervorragend, auch wenn er ein wenig mehr herrisch sein müsste. Der Kopf und Gründungsmitglied der RAF soll recht tyrannisch gewesen sein, was leider ein wenig im Film verloren geht. Optisch und auch von der Gestik her ist Baader aber absolut treffend dargestellt.
Ulrike Meinhof
Die Journalistin Ulrike Meinhof wird von Martina Gedeck gespielt. Meinhof war eher die Denkerin als die Täterin, was hier sehr gut in Szene gesetzt wird. Was nicht so recht in das vorhandene Bild passen mag, ist die Familienfürsorge und die Sorge um ihre Kinder. Man darf nämlich nicht vergessen, dass sie in erster Linie eine Terroristin ist.
Gudrun Ensslin
Von den Dokumentationen her und hier im Film wahrscheinlich die authentischste Darstellung und damit auch die Beste im Ganzen Film, denn hier wird eine kaltblütige, um jeden Preis gegen das System arbeitende Verbrecherin gezeigt, die fast 1:1 mit ihrem Original austauschbar wäre. Besser geht es warhscheinlich nicht, und für mich die Darstellung des gesamten Films.
Brigitte Mohnhaupt
Nadja Uhl spielt Monhaupt, deren Tage Ende der 70er erst beginnen werden, auch wenn sie an der Schleyer-Entführung beteilgt gewesen ist. Sie stellt Mohnhaupt gut dar, aber es kommt ihre Rolle nicht so ganz in ihrer Wichtigkeit innerhalb der 2. Generation der RAF durch. Das ist Schade, denn gerade da, wo der Film aufhört, beginnt erst ihre Zeit.
Horst Mahler
Gespielt wurde er von Simon Licht. Leider bleibt seine Rolle sehr sehr verborgen. Mahler war vielleicht auch eher im Verborgenen tätig, man weiß heute aber, dass er wahrscheinlich der eigentliche Drahtzieher der RAF gewesen ist, weshalb ich mir eine etwas größere Rolle gewünscht hätte.
Peter Hohmann
In der oben genannten Dokumentation tauchte dieser Name eigentlich nicht auf. Seine Rolle in Gestalt von Jan Joseph Liefers wirkt zu sehr aufgeblasen und damit eigentlich wichtiger, als sie es in Wirklichkeit gewesen ist. Es ist ganz nett, dass sie vorhanden ist, aber wirklich voran bringt es den Film und auch die wirklichen Ereignisse nicht.
Jan-Carl Raspe
Niels Bruno Schmid verkörpert diesen Charakter im Film, aber dieser geht völlig unter. Auch die Tatsache, dass er mit Baader, Ensslin und Imrgard Möller gemeinsam in der JVA Stammheim Suizid begangen hatte, wird eignetlich überhauptnicht erwähnt. Schade.
Holger Meins
Neben Ensslin die authentischste Darstellung durch Stipe Erceq, einem kroatisch-stämmigen Schaupspieler. Gerade die Verhaftung und auch der Hungerstreik sind absolut überzeugend rüber gebracht worden.
Rudi Dutschke
Nur eine Nebenrolle aber absolut überzeugend stellt Sebastian Blomberg Duttschke dar, von seinen Reden in der Studentenbewegung bis zum Attentat wird hier alles abgehandelt, und zwar gerade so viel, wie es für die Geschichte der RAF wichtig ist.
Die Übrigen
Es gibt noch weitere Charaktere, die einer Erwähnung bedürfen: Bruno Ganz spielt Horst Herold , den Präsidenten des Bundeskriminalamtes und jeder, der mal eine Rolle von Ganz gesehen hat (allen voran muss hier seine großartige Leistung als Dr. Faust im Theater erwähnt werden), weiß, dass er mit Leib und Seele dabei ist, wie es auch hier der Fall war. Anna Thalbach, Jasmin Tabatabai, Hannah Herzsprung als auch Michale Gwisdek und sogar die Tochter des Produzenten Bernd Eichinger bekommen eine Rolle ab. Dabei sind alle wichtigen Mitglieder und Opfer der RAF in ihrer ersten Generation erwähnt. Teilweise wird in Form von der bereits erwähnten Monhaupt und auch Christian Klar auch auf die 2. Generation der RAF eingegangen ohne dies weiter auszuführen.
Was mich hier sehr in Erstaunen versetzte ist die Freigabe, denn dieser Film ist ab 12 freigegeben. Vielleicht ist dies aufgrund der geschichtlichen Ereignisse so, aber Kopfschüsse und durch Maschinenpistolen durchsiebte Wagen und Körper, was man gerade bei der Ermordung von Buback sieht, ist schon recht heftig, weshalb ich hier die Freigabe nicht nachvollziehen kann.
Trotz der reichlich vorhandenen Kritikpunkte ist dies ein exzellenter deutscher Film, den man als Kind der 70er und 80er auf jeden Fall gesehen haben sollte. Es wäre schön, wenn es im Verlauf noch einen 2. Teil ab der Entstehung der Bewegung 2. Juni geben würde, aber das steht wohl in den Sternen. Wer die wahren Bilder sehen möchte, der sollte sich „Die Geschichte der RAF“ in seinen 5 oder 6 Teilen ansehen, ich kann es nur empfehlen. Der Film war nicht umsonst Oscar nominiert.
Leider ist die erweiterte Fassung, der diese Bewertung zugrunde liegt, noch nicht auf Blu Ray schienen. Lohnen würde es sich auf jeden Fall, damit auch die heutige Jugend ein Stück der eigenen, jüngeren Geschichte dargeboten bekommen kann.