Wieder einmal haben unsere unglaublich vorurteilsfreien deutschen Gutmenschen, aus dem Zentralbüro für Filmkultur des freien deutschen Cinematografischen- Kombinates in München, einen (Aufklärungs-) Film erschaffen. Und um eines gleich vorweg zu nehmen. Die Parteispitze in Berlin, Öffentlich-rechtliche Sender sowie unsere allseits hochgeschätzten sachverständigen Fördergremien, können mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein. Der Pädagogische Kontext und erzieherische Auftrag wurde konsequent eingehalten!
Ausgelassenes Desinteresse und ein selbst zerstörerischer Hang zum Glauben an Besserung, klatschen sich in meinem Innersten in die spröden Hände. Ob der Leidensweg deutscher Filmkultur, welcher durch viele geschichtliche und gesellschaftliche Umstände geprägt ist, hier eine Fortsetzung findet, davon sollen die folgenden Zeilen berichten. In den letzten 40 Jahren wurde das deutsche Kino hauptsächlich durch die zentralistische Förderstruktur der Länder geprägt. DER BAADER MEINHOF KOMPLEX ist deshalb vielleicht kein so gutes Beispiel dafür, dass hier ein Film weniger durch den Markt bzw. den Zeitgeist, als durch die politische Einflussnahme der deutschen Filmförderung geprägt wurde. Misstrauen schwingt allerdings mit, wenn man weiß dass Stefan Aust und Bernd Eichinger das Drehbuch zu diesem Werk verfasst haben. Nach Sichtung des, sage und schreibe 148minütigen Spektakels, möchte ich dennoch eines gleich vorweg schicken, der Film ist (milde) unterhaltsam. Was, wie ich richtig vermutete, nicht am Drehbuch liegen kann. Denn die mechanisch aneinander gereihten Szenen, lassen eines sehr deutlich werden, der Film hatte kein Drehbuch.
Erneut gibt sich der edle Ritter Bernd Eichinger, also das Deutsche Kino, als der untadelige Aufarbeiter unserer Geschichte. Uli Edels Film funktioniert dabei wie ein nach gedrehter Dokumentarfilm. Im Schnelldurchlauf (trotz der zweieinhalb Stunden) werden die Charaktere eingeführt, abgeknallt und abgehakt. Dabei vergisst Edel ein nicht ganz unwichtiges Element dieses Mediums, die Geschichte. Der Film hat schlicht keine! Die Dramaturgie wird durch Dramatik ersetzt und das zügige aber spektakuläre Nachstellen der geschichtsträchtigen Ereignisse. Unerlässlich werden sämtliche Gesichter des „Deutschen Herbstes“ in Stellung gebracht, feuernd aus allen Rohren, um dann ideologisches Kleinholz zu hinterlassen. Einer Figur wie Ulrike Meinhof wird ein solcher Film natürlich in keiner Weise gerecht, schafft aber immerhin das große Kunststück nicht eine Minute lang zu langweilen. Trotzdem lugt der pädagogische Lehransatz den Darstellern in jeder zweiten Szene aus ihrem betroffenen Spiel. Besonders Nadja Uhl wirkt hierbei besonders gut vorbereitet und deshalb meist unangenehm gekünstelt. Auch die ansonsten interessante Johanna Wokalek lässt die Glaubwürdigkeit ihres Handelns durch ihre krebselige Stimme fast wie eine Parodie erscheinen.
Während sich die deutsche Filmkritik auch im Jahre 2008 immer noch darüber ergeht, dem Film Oberflächlichkeit und fehlende Charakterentwicklung zu attestieren und tatsächlich Aufarbeitung fordert, für etwas das nie weggelassen wurde, nämlich die kritische Haltung unserer Gesellschaft zur Terrorkultur der 68er Generation, ist der eigentliche Fehler, das Ausbleiben eine genresichere Geschichte zu erzählen. Ein kontroverser Charakter wie Andreas Baader wäre hierfür geradezu prädestiniert. Und somit wären wir wieder einmal beim altbekannten Problem des Deutschen Kinos: Man traut sich einfach nicht den Weg zu Ende zugehen. Ängstlich, weil inkonsequent, wird einmal mehr nur deutsche Geschichte (bzw. Literatur vom Drehbuchautor Aust) dargeboten. Wir befinden uns also nicht -wie man meinen könnte- in einem Kino und lassen uns unterhalten, nein, wir befinden uns bei diesem Film in einem Hörsaal, wo Aust, Eichinger und Edel (klingt nach einer Rechtsanwaltskanzlei) höchstpersönlich die Fortbildung des Zuschauers in die bereitwillig alles zu ordnen wollenden Hände genommen haben. Eine fiktive Geschichte, mit Momentaufnahmen realer Ereignisse wäre eine Option gewesen. Denn, der große Unterschied zu Terrorristen wie sie uns heutzutage von den Medien präsentiert werden ist, Baader-Meinhof waren keine anonymen Untergrundbomber. Im Gegenteil, war die RAF der Polizei von Beginn an ihrer Aktionen wohl bekannt. Da wir uns aber in Deutschland befinden, wo Unterhaltung (im Kino) immer im Kontext mit einem Lehrauftrag kredenzt werden MUSS, würde eine solch „unseriöse“ und pädagogische wenig verwertbare Herangehensweise, nie in den „Genus“ der deutschen Filmförderung kommen. Welche sich die hiesige Filmlandschaft perfekt erzogen bzw. abgerichtet hat (warum hat ein Produzent wie Eichinger eigentlich Filmförderung nötig?).
Ich möchte noch einmal auf den durchaus bestehenden Unterhaltungswert dieses Films zurückkommen, denn hier entwickelt sich ein niedlicher kleiner Nebeneffekt. Der Einäugige (unter den Blinden) Bernd Eichinger, der nicht einmal weiß was das Wort Exploitation heißt, geschweige was Exploitation-Kino ist, hat mit sehr viel Aufwand und ebensoviel Geld eben genau dieses Genre hierzulande neu belebt. Geldvermehrer Eichinger hat dem deutschen Kino (also dem deutschen Beamtentum) vorgegaukelt, dass es sich bei diesem Werk um ein künstlerisches und ebenso wertvolles handelt, und ihn zum offiziellen deutschen Beitrag für den Auslands- Oscar gemacht. Hochachtung. Vorgegaukelt deshalb, weil der Film von offiziellen Stellen in Deutschland niemals ernsthaft wahrgenommen worden wäre, stünde er für das was er letztendlich ist, ein spekulativer und/aber unterhaltsamer Gangsterfilm. So aber hieven die Macher ihr Werk mit einem halb gezwungenen halb gewollten aber bekannten Winkelzug, auf eine künstliche und möchte gern intellektuelle, typisch Deutsche Kunstebene, um sich der Nichtbeachtung des in Deutschland vorherrschenden Antikinogeistes zu entziehen. Auf die man allein schon wegen der Rentabilität getrost pfeifen sollte. Rentabilität schaffen aber die hiesigen Subventionsstrukturen, weshalb eine künstlerisch unabhängige Herangehensweise wohl ausgeschlossen werden kann. Hier dreht sich die Endlosschleife verbeamteten Stilempfindens.
Die Einstellung der teutonischen Kinoszene, offenbart sich deutlich durch ein weiteres Detail. Die politische Kaste und deutsche Beamte in die Bewertung dieses Streifen einzubeziehen. Dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) Ernst Uhrlau, wurde der Film vorab gezeigt, auf dessen finales und wenig schmeichelhaftes Urteil wohl von Seiten der Produktion Wert gelegt wurde. Jetzt mal unter uns Pfarrerssöhnen: Wäre sein Urteil positiv ausgefallen, hätte sich das als Qualitätsmerkmal des Films verkaufen lassen?
Es mag auch nach 40 Jahren international vor sich her dümpelndem deutschen Förder-, und Beamtenkinos keiner mehr zwischen Unterhaltung, Publikum und Lehranstalt unterscheiden mögen. Vielleicht passt hierzu ein Zitat von Andreas Baader: „Die Knarre löst die Starre“! Michael Kohlhas-Garrone