Eins muss man dem aktuellen deutschen Kino lassen. Wenn 'wir' eins können, dann alle paar Jahre ein Stück eigene Geschichte adäquat auf die Leinwand zu bringen. Dass es diesmal ausgerechnet unter der Regie eines seit Jahren filmisch eigentlich kaum mehr zurechnungsfähigen Uli Edel gelungen ist, erstaunt zusätzlich.
Der Film überzeugt dadurch, dass er die Geschichte von den Anfängen der Studentenrevolte in Deutschland bis zum Tod von Hanns Martin Schleyer haarklein durchdeklariert und somit den Aufstieg und Fall der RAF einerseits nicht vordergründig wertend nachvollziehbar macht, andererseits am Ende einen treffenden Schlusspunkt setzt, indem er den Mythos RAF sich selbst entlarven lässt.
Dank Stefan Aust, der sich für sein Buch und darüber hinaus wohl wie kein anderer in die Materie eingearbeitet hat, kann das Werk im Rahmen seiner Form als Spielfilm mit einer erstaunlichen Komplexität und Korrektheit aufwarten. Wer es noch genauer wissen will, muss nunmal zum Buch greifen. Dadurch gewinnt der Film ein ungeheures Maß an Authentizität und vermittelt auch einer Generation, die den deutschen Herbst und seine jahrelange Vorgeschichte nicht hautnah miterlebt hat, eindrucksvoll einen Einblick in die Stimmungslage einer Nation, einer Bewegung und wagt einen Blick in das zerrissene Innenleben der maßgeblichen Protagonisten. Eine Zerreißprobe zwischen richtigen Zielen und falschen Mitteln. Sogenannter faschistischer Polizeistaat gegen Linksextremismus. Internationale Verbrüderung. Außer Kontrolle geratene Lawinen mit tödlichem Ende.
Gespickt mit dutzenden talentierten deutschen Darstellern, die oft nur minuten- oder sekundenlange Parts spielen, zeigt der Film die Gewalt der Taten brutal wie sie waren, ungeschönt. Dennoch verkommt er niemals zu einem Action-Schnippelsalat, wie mancher Trailer befürchten ließ. Beeindruckend auch die realitätsnahe Darstellung der bekannten Figuren und korrekten Eckpfeiler der Zeitgeschichte, die jedoch glücklicherweise nicht so weit geht, dass der Film einen allzu dokumentarischen Charakter erhält. Erfreulich auch, dass der Film mit Überlänge an den Start gehen darf und nicht der grassierenden Unsitte unterliegt, in unserem ausgesprochenen Fernsehland schon im vorhinein in ein später taugliches TV-Format gequetscht zu werden was die Laufzeit betrifft.
Mögen noch viele weitere "Untergänge", "Leben anderer" und "Komplexe" das Licht der deutschen Kinos erblicken. (9/10)