Muss das sein, wird sich der eine oder andere fragen - nicht genug der täglichen Meldungen über Terroranschläge in aller Welt, jetzt auch noch ein Film über unsere "hausgemachten" Terroristen. Aber vielleicht liegt Deutschlands umtriebigster Produzent Bernd Eichinger gar nicht so falsch, dieses Kapitel deutscher Vergangenheit rund 40 Jahren nach den Anfängen in möglichst publikumswirksamer Form aufzugreifen, um - nach seinen eigenen Worten - auch und gerade die Jugend hierfür zu interessieren, denn die Mechanismen von Terror und Gegengewalt haben sich seit damals nicht wirklich geändert.
Auf der Grundlage des Aust-Bestsellers gibt es knapp 15 Jahre RAF-Geschichte in gut 2 Stunden Film: In späten 1960igern ist das Klima der BRD immer noch eher bleiern, die Ausschreitungen anlässlich des Schah-Besuchs (gleich am Anfang des Films eine der beeindruckendsten Sequenzen) mitsamt willkürlichen polizeilichen Übergriffen und dem Tod des Studenten Ohnesorg bilden den Nährboden für die erste Generation: Ulrike Meinhof, Andreas Baader und Gudrun Ensslin, z.T. mit bürgerlichem Hintergrund wie Ensslin oder Intellektuelle wie Meinhof radikalisieren sich, greifen zu den Waffen und lösen harte Reaktionen des Staates aus. Nach ihrer Verhaftung und parallel zu ihrem Prozess übernimmt die zweite Generation der Terroristen (Klar, Mohnhaupt und andere), deren Gewaltbereitschaft die der Vorgänger noch übertrifft.
"Die RAF als Actionthriller" lautete eine der nicht unbedingt positiv gemeinten Schlagzeilen, die ich anlässlich der Premiere gelesen habe, was sich allerdings vermutlich eher auf den in der Tat ziemlich aufdringlichen Trailer beziehen dürfte. Der Film rechtfertigt diese Einschätzung dagegen nur sehr bedingt; nach meiner Einschätzung ist das eher ein zugegeben hartes, bleihaltiges Doku-Drama mit deutlichem Schwerpunkt auf die Charaktere der ersten RAF-Generation. Dass im letzten Drittel mit den eher gesichtslosen Nachwuchs-Terroristen die Charakterelemente zugunsten der Gewaltaktionen zurücktreten, ist historisch zu rechtfertigen und angesichts der Laufzeit auch wohl kaum zu ändern, aber sicher auch eine der kleineren Schwächen des Projekts. Bis dahin ist das ein starkes Stück Geschichtsaufarbeitung, eine zumindest in weiten Teilen überzeugende Kino-Version ähnlich gelagerter TV-Doku-/Fiktionsmischungen. Und es ist trotz der für historisch Interessierte zumindest in groben Zügen bekannten Handlung sogar ein überraschend spannendes Stück Zelluloid, ausstattungstechnisch präzise, sauber produziert und überwiegend gut gespielt. Und auch politisch bleibt man angemessen ausgewogen: Absurden Verschwörungstheorien um den Tod der ersten Terroristen erteilt der Film eine unmissverständliche Absage, aber die Ursachen der Gewalt werden genausowenig ausgespart wie der manchmal alles andere als rechtsstaatliche Umgang der westdeutschen Justiz mit ihren Feinden und die Hilflosigkeit in der gerichtlichen Aufarbeitung.
Mit die wichtigste Frage bei dem Unternehmen ist dabei natürlich: Kann uns der Film etwas Neues über den Hintergrund, das "Warum" des Terrors und seiner Protagonsten erklären ? Ich meine: zumindest teilweise ja. Trotz der bedauerlichen, aber verständlichen Entscheidung, das "Nicht-Terror"-Vorleben der Protagonisten weitgehend auszublenden, erfährt man zumindest über die Hauptfiguren Baader und Meinhof doch eine ganze Menge. Während Meinhof immer mühsamer versucht, ihre Aktionen intellektuell zu rechtfertigen, und dabei letztlich an den Widersprüchen (und - so wird suggeriert - an einem zu weit gegangenen Sprengstoffanschlag) zerbricht, erweist sich Baader als von Anfang an als genauso wirres wie gewaltbessenes Kerlchen, der trotz aller Brutalität schon fast komische Züge aufweist, etwa wenn er einen arabischen Terror-Trainer mal eben als Kameltreiber beschimpft. Gudrun Ensslin dagegen bleibt eher blass, über ihre Motive oder Persönlichkeit erfährt man für meinen Geschmack etwas wenig. Das am Ende leichte Figureninflation herrscht, hatte ich ja schon erwähnt - vielleicht hätte man die Figuren tatsächlich wie in manchen TV-Dokus mit Untertiteln oder Einblendungen vorstellen sollen. Und wenn wir schon beim Meckern sind: Ein paar dramaturgisch kaum nötige Nacktszenen hätte man sich für meinen Geschmack auch schenken können.
Schauspielerisch hat man die Elite deutscher Darsteller auflaufen lassen, was immer die Gefähr birgt, den Schauspieler und nicht die Figur zu sehen; aber vor allem Martina Gedeck lässt manchmal fast den Eindruck aufkommen, die echte Meinhof vor Augen zu haben, und auch Moritz Bleibtreu als Baader bietet eine sehenswerte Leistung. Ach ja: Bruno Ganz als vielleicht einen Tick zu sympathisch gezeichneter Horst Herold (der damalige Chef des BKA) sei noch lobend ewähnt.
Fazit: Notgedrugen komprimierte, durchweg spannende Reise erster Klasse in ein immer noch aktuelles Thema nicht nur der deutschen Geschichte, der man einen ordentlichen Kinoerfolg wünschen sollte.
P.S. Die von Herrn E. angepeilte jugendliche Zielgruppe (zumindest die neben mir im Kinositz) verschlief den Film ziemlich gründlich. Schade eigentlich.