Ein schlichterer Beginn ist kaum vorstellbar. Im Stil einer Akte wurden die Credits zu Beginn mit einer Schreibmaschine auf einfaches Papier geschrieben - signifikant für einen Film, der sich um größtmögliche Sachlichkeit bemühte. Drehbuchautor Robert A. Stemmle orientierte sich an dem realen "Fall Hoflehner", einem österreichischen Anästhesisten, der 1955 fälschlich eines Mordes verdächtigt wurde und nur zufällig seine Unschuld beweisen konnte. Die Vorverurteilung auf Grund von Indizienbeweisen, die Funktion der Sachverständigen und die Stellung des Beschuldigten waren für Stemmle Ausdruck einer veralteten Strafgesetzverordnung, deren Reform er wiederholt anmahnte.
Er selbst bezeichnete sich als Spezialisten für Justizirrtümer, hatte 1948 das Drehbuch zu dem DEFA-Film "Affäre Blum" verfasst, der einen Fall während der Weimarer Republik behandelte, verfilmte die Story 1962 erneut, diesmal für das westdeutsche Fernsehen, um ein Jahr später "Der Fall Rohrbach - eine Rekonstruktion" über die Hausfrau Maria Rohrbach als TV-Trilogie herauszubringen. Ihr war vorgeworfen worden, ihren Mann zuerst vergiftet und dann zerstückelt zu haben, weshalb sie 1958 auf Basis eines Sachverständigengutachtens verurteilt wurde. Erst nach vier Jahren Haft wurde dem Urteil in einem Wiederaufnahmeverfahren widersprochen. Tatsächlich war ihr ihre stadtbekannte Leichtlebigkeit zum Verhängnis geworden, die sie in der Augen der Bevölkerung moralisch vorverurteilte - ein wesentlicher Aspekt auch für die Eigendynamik in „Gestehen Sie, Dr.Corda!“.
Die ermordete Krankenschwester Gabriele Montag (Eva Pflug) war die Geliebte des verheirateten Anästhesie-Arztes Dr.Corda (Hardy Krüger), die an diesem Abend ursprünglich zum Englisch-Kurs an der Volkshochschule gehen wollte. Corda hatte sie überredet, sich mit ihm noch einmal zu treffen. Seine Frage, ob sie ihn noch liebt, lässt sie unbeantwortet, aber daran wird deutlich, dass er spürt, dass sie sich von ihm entfernt. Als er sie weder am verabredeten Treffpunkt, noch an der Volkshochschule anfindet, beginnt er sie zu suchen und stößt dabei auf ihre Leiche. Anstatt die Polizei zu rufen, versucht er dilettantisch seine Spuren zu verwischen, begibt sich nach Hause zu seiner Frau (Elisabeth Müller), um am nächsten Morgen als Mitglied einer Suchgruppe scheinbar zufällig die am Fluss liegende Tote zu entdecken. Die Polizei braucht nicht lange, um ihn ins Auge zu fassen. Von seiner Affäre wusste die gesamte Krankenhaus-Belegschaft, Indizien für seine Anwesenheit am Tatort gibt es genügend und die offensichtlichen Lügen, die er der Polizei auftischt, machen ihn zum perfekten Täter.
Leider geht die Story auf die Qualität der Beziehung von Corda und Gabriele später nicht mehr ein, sondern betont nur dessen hektisches Reagieren auf den Tod der Geliebten. Stattdessen wird seine Ehefrau Beate zu einer Idealfigur hochstilisiert, die trotz der erdrückenden Beweislast und seines Betrugs als Einzige an die Unschuld ihres Mannes glaubt. Obwohl er es war, der sich unbedingt mit der Krankenschwester treffen wollte, die schon ihre Verlegung in ein anderes Krankenhaus beantragt hatte, erhält die Liebes-Affäre zunehmend den Charakter einer früheren Sünde, weshalb Corda seine Rolle als Ehemann und Vater einer kleinen Tochter nicht in Frage stellen muss. Offensichtlich wollte Stemmle die Identifikationsfigur Hardy Krüger nicht weiter belasten, um die Tragik des unschuldig Verurteilten Dr.Corda noch zu betonen, und sparte sich den logischen Konflikt zwischen ihm und seiner Frau. Und damit die Frage, wieso er dieser schönen und scheinbar idealen Ehefrau eine Andere vorzog?
Diese manipulative, oberflächliche Charakterisierung, die zudem in einen unnötig dramatisierenden Selbstmordversuch der Ehefrau mündet (der damals noch strafrechtlich hätte geahndet werden müssen) nimmt dem Film ein wenig von seiner sonst realistischen, auf emotionale Schürungen verzichtenden Qualität. Wie schon ein Jahr zuvor in „Die Frühreifen“ (1957) gelang es Regisseur Josef von Baky stimmig die bürgerliche Atmosphäre einer mittelgroßen Stadt einzufangen. Die Arbeit im Krankenhaus, Volkshochschule und selbst das Fassnachts-Treiben erzeugen ein Umfeld der Normalität, in der der Mord durch einen unauffällig wirkenden Mann wie nebenbei geschieht. Auch das Vorgehen der Polizei kommt ohne besondere Härten aus - anders als es der Filmtitel vermuten lassen könnte. Weder setzen sie Corda besonders unter Druck, noch verhalten sie sich ungesetzlich. Für Inspektor Guggitz (Siegfried Lowitz) und seinen Vorgesetzten Oberinspektor Dr.Pohlhammer (Fritz Tillmann) ist der Mann, der seine Geliebte loswerden wollte, einfach der logische Täter, auf den alle Spuren hindeuten. Warum sollen sie sich auf die Suche nach dem großen Unbekannten machen? - Genauso nachvollziehbar verhält sich Cordas Verteidiger (Hans Nielsen), der ohne die aus US-Justiz-Filmen bekannten Tricks auskommt.
Mit einem klassischen Thriller hat der Film entsprechend wenig gemeinsam, auch spielt die Suche nach dem wahren Täter nur eine untergeordnete Rolle. Die Vermarktung betonte leider einen reißerischen Charakter und erzeugte damit eine Erwartungshaltung, die Stemmle und Von Baky weder erfüllen konnten noch wollten. Sie vermieden in der Schilderung der Justiz-Vorgänge jeden Eindruck von Übertreibung, um ihre Kritik an diesem Beispiel möglichst objektiv ausdrücken zu können. Extrem sind nur die Reaktionen der Bevölkerung, die Corda und seine Familie vorverurteilen und massiv bedrohen, womit ihnen die Chance auf ein normales Weiterleben genommen wird. Stemmle wollte damit seinen Wunsch nach einer Reform der Strafgesetzordnung noch betonen, aber geändert hat sich seitdem wenig – die hier gezeigten Abläufe könnten heute noch in ähnlicher Form stattfinden. (7/10)