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"Schmerz ist etwas furchtbares für dich. Du fühlst ihn wie kein anderes Wesen, gerade weil du ein Vampir bist."

"Interview mit einem Vampir" basiert auf dem ersten Buch der zehnteiligen Chronik der Vampire von Anne Rice. Epochenübergreifend beschreibt er das Leben des Vampirs Louis, der mit seinem Dasein zu kämpfen hat.

In einem Hotel in San Francisco trifft der Reporter Daniel Malloy (Christian Slater) auf ein Kind der Nacht. Der Vampir Louis (Brad Pitt) saugt ihm aber wider erwarten nicht das Blut aus den Adern, sondern erzählt ihm seine Lebensgeschichte, die vor 200 Jahren begann.
1791 verlor Louis seine Frau und Kind. Gebrochen und sehnsüchtig nach dem Tod erreicht sein stiller Ruf den Vampir Lestat (Tom Cruise). Dieser bietet ihm nach dem Genuß seines Blutes an, ihm zur Seite zu stehen. Louis nimmt das Angebot an, aber die Wandlung in einen Vampir hat seinen Preis. Der neu geborene Vampir leidet unter Gewissensbissen beim töten von Menschen. Daher beschränkt er sich anfangs auf Ratten, Hunde und Hühner. Als er aber die kleine Claudia (Kristen Dunst) in einem von der Pest beherrschtem Stadteil kennenlernt, kann er dem süßen Duft nicht widerstehen. Er trinkt ihr Blut und ist von seiner eigenen Tat völligst verzweifelt. Lestat der nun die Chance sieht, ihn durch dieses Mädchen besser an sich zu binden, wandelt Claudia ebenfalls zum Vampir. Er behält recht und fortan leben die drei harmonisch zusammen. Bis im Laufe der Jahre Claudia geistig zur Frau heran reift, gefangen im Körper eines Kindes aber immer wieder rebellisch gegen ihren Erschaffer reagiert.

Im Gegensatz zu sonstigen Vampirfilmen konzentriert sich "Interview mit einem Vampir" auf die Psyche der Charaktere und fällt weit weniger blutig aus als vielleicht erwartet, was auf die Buchvorlage zurückzuführen ist. Hier steht nicht der ansonsten übliche Horror im Vordergrund, sondern vielmehr die Probleme die eine solche unsterbliche Existenz mit sich bringt und die universelle Angst vor dem Alleinsein. Anstatt der ansonsten blutrünstigen und gewissenlosen Kreaturen sind die hier gezeigten Vampire vielschichtige Wesen. Eine sicherlich ungewöhnliche Herangehensweise an das Thema.

Die vorwiegend im traurigen Ton gehaltenen Geschichte wird wie im Buch teilweise sehr dialoglastig und dramatisch erzählt. Immer wieder ist die Melancholie, Einsamkeit, das immerwährende Leben als Wesen der Nacht oder die ungezähmte Mordlust der Vampire angesprochenes Thema. Dass es dabei nicht langweilig wird verdankt das Vampirdrama seinem immer wiederkehrenden ironischen Tonfall, dem tiefschwarzen Humor sowie dem schwierigen Unterfangen des Überlebens in der eigenen Kultur. Denn Rice's Vampire strotzen den üblichen Klischees wie Knoblauch und haben Werte, die in ihrer Gesellschaft eingehalten werden müssen. Ist dies nicht der Fall droht Verfolgung und Strafe, wobei die Anfälligkeit gegen Sonnenlicht sichtbar erhalten bleibt.
Auch wenn "Interview mit einem Vampir" weitestgehend auf actionorientierte Sequenzen verzichtet, völligst blutleer ist er nicht. Der absolute Gruselfaktor stellt sich zwar nicht ein, abgeschlagene Köpfe, aufgeschlitzte Kehlen und in zwei Hälften geteilte Vampire erinnern aber zumindest ab und an an die bekannten Zeichnungen kompromissloser Nachtwandler.

Die Atmosphäre des Filmes und dessen Visualisierung ist grundlegend düster. Einzig die vielfältigen Kleider bieten schillernde Abwechslung. In dieser Richtung trifft "Interview mit einem Vampir" einen absolut treffenden Ton, denn die Charaktere tragen, der damaligen Zeit entsprechend, lange Haare und herrlich edle, barocke Kostüme. Abgestimmt darauf fügen sich Maske und eindrucksvolle Kulisse ansprechend ein, unterlegt von einem eindrucksvollen, melancholisch geprägten Soundtrack.
Kaum zu übersehen ist auch der homoerotische Ansatz der sich durch den gesamten Film durchzieht. Ebenfalls eines von Anne Rice's Vorgaben übernommenes Detail, das sicher nicht jedem Geschmack entspricht, der Vampirsaga über Verlust, Abkapselung, Zugehörigkeit und nicht zuletzt, Verlangen überaus gut steht.

Der Cast des Vampirdramas könnte treffender kaum sein. Allein das Charisma damals angesagtester Frauenschwärme Brad Pitt ("Inglourious Basterds", "Fight Club", "Der seltsame Fall des Benjamin Button"), Tom Cruise ("Krieg der Welten", "Last Samurai") und Antonio Banderas ("Die Legende des Zorro", "Der 13te Krieger") spiegelt die visuelle Überlegenheit ihrer vampirischen Figuren gegenüber den Normalsterblichen überwältigend wieder.
Überaschend ist auch die erfahrene Kinderdarstellerin Kirsten Dunst ("Jumanji", "Spider-Man"-Reihe) die die anspruchsvolle Rolle der im Körper eines Kindes gefangenen, erwachsenen Persönlichkeit glaubwürdig vermittelt.
Selbst manch Nebenrolle kann sich sehen lassen und ist durch Christian Slater ("Windtalkers"), Stephen Rea ("V wie Vendetta") oder Thandie Newton ("Das streben nach Glück") ebenso namhaft besetzt.

"Interview mit einem Vampir" ist enorm vielfältig. Gigantisch, düster, melancholisch, witzig, brutal, einfühlsam sowie ironisch sind nur einige Worte die man ihm nachsagen kann. Das Vampirdrama funktioniert völligst ohne Standard-Massengemetzel vor allem als großartig gespielte Charakterstudie. Und obwohl die zweite Filmhälfte ein paar Längen aufweist, kommt durch gelungen schwarzen Witz, eine komplexe und ereignisreiche Handlung, enorm dichte Atmosphäre sowie visuell ansprechender Darstellung keine Langeweile auf. Actionpuristen mit hoher Erwartung an Blutzoll greifen aber besser zu "30 Days of Night " oder ähnlichen "Standardwerken".

10 / 10

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