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Das Wortspiel des Filmtitels vermittelt trotz seiner Finesse schon eine kritische Haltung zur Religion, womit sich die erste Frage von allein stellt - wen will Bill Maher, Autor und Kommentator, mit seinem Film erreichen ? - Nimmt der Titel nicht von vornherein Einfluss auf die Art des Zuschauers ? - Religionsgegner werden den Film in Erwartung einer Bestätigung betrachten, während Befürworter ihn entweder meiden oder ihre Ablehnung bekräftigt sehen wollen. Dabei hätte der Film diese Vorbestimmung gar nicht nötig gehabt.

Wer sich an Glauben und Religion wagt, riskiert fast folgerichtig totale Zustimmung oder Ablehnung, da es nur wenige Themenbereiche gibt, über die man weniger mit Menschen diskutieren kann. Deshalb wirkt "Religulous" von Beginn an sympathisch - denn nichts anderes macht Maher hier - er diskutiert. Das macht er nicht von einem festen Standpunkt aus oder mit provokanten Thesen, sondern indem er hinterfragt. Manchmal scheinbar naiv, ein anderes Mal mit hintergründigem Humor.

Dabei macht er vor keiner Religionsrichtung halt und fängt bei der eigenen katholischen Kindheit an, die zudem noch durch ein jüdisches Elternteil geprägt war. Immer wieder verweisen Rückblenden - auch mit Aufzeichnungen seiner eigenen Komikerauftritte, für die er in den USA berühmt wurde - auf einen eigenen religiösen Hintergrund hin, der eher von Gedankenlosigkeit und Selbstverständlichkeit geprägt war. Kritisch empfand er die Kirche als Kind und Jugendlicher vor allem deshalb, weil der Gottesdienst für ihn quälend langweilig war. Eine wirklich kritische Haltung zur Religion entwickelte er erst mit etwa 40 Jahren.

Das macht seine Rolle in diesem Film so glaubwürdig. Hier hinterfragt kein überzeugter Atheist die verschiedenen Religionszugehörigen, sondern ein Mensch, der seine Skepsis trotz des ihm anerzogenen Glaubens mit den Jahren entwickelte und dafür genügend Gründe vorbringen kann. Neben den vielen inhaltlichen Widersprüchen, die sich nicht nur zwischen den verschiedenen Religionen auftun, seziert er besonders genau, wie einerseits Nächstenliebe und Solidarität gepredigt werden, um gleichzeitig den Nicht- oder Andersgläubigen zu verdammen. Dabei verwendet Maher in seinen Diskussionen niemals eigene Thesen, sondern zitiert fast ausschließlich aus der Bibel, dem Koran oder anderen Schriften und schlägt damit seine Gegenüber mit ihren eigenen Waffen.

In diesem Zusammenhang entstehen die beeindruckensten Momente des Films, die nicht darin liegen, dass Einige sich der Diskussion verweigern oder ablehnend davonziehen, sondern wenn Wenige im Gegenteil souverän und über die Widersprüche ihres Glaubens lachend, Mahers Fragen begegnen. Sie öffnen sich der Lächerlichkeit, die im übertriebenen Religionseifer liegt, und vermitteln damit, dass nicht die Religion die Menschen zu den vielen Gräueltaten in ihrem Namen bringt, sondern die Menschen die Religion dazu benutzen. Letztlich hat jeder eine Wahl, wie er mit seinem Glauben oder Nichtglauben umgeht.

Diesen Eindruck vermittelt Maher auch durch seine Gestaltung des Films, der zwar äusserlich als Dokumentarfilm fungiert, aber sehr viel vom Komödianten Bill Maher beinhaltet. Die immer wieder eingespielten Szenen aus populären Hollywoodfilmen, lassen den fast spielerisch, naiven Umgang der Menschen mit Religionssymbolen und besonders mit dem Gottesbild erkennen. Damit betont Maher einerseits die Lächerlichkeit, aber auch deren ideelle Stilisierung. Letztlich ist und bleibt aus seiner Sicht eben alles eine Erfindung der Menschheit.

Vielleicht war ihm selbst sein Film über den größten Teil seiner Laufzeit zu leicht, angesichts der unzähligen Gräueltaten, die im Namen Gottes verübt wurden und die der Film immer wieder erwähnt. Maher verlässt in den letzten 10 Minuten seines Films seine souveräne und sanft demaskierende Linie zugunsten einer konkreten Anklage, in der er alle Menschen dazu auffordert, ihrer Religion abzusagen. Er vergleicht diese mit einem Club wie etwa der Mafia, aus der ein anständiger Mensch doch auch austreten würde. So verständlich diese Aussage aus seiner Sicht ist, so sehr bewegt er sich plötzlich auf der gleichen radikalen Linie, die er zuvor so geschickt seziert hatte.

Sein Gedanke ist auch schlicht naiv, denn dieser unterstellt, dass die Menschen nur deshalb so gewalttätig gegeneinander handeln, weil sie das im Namen der Religion täten. Dabei gibt es genügend Beispiele in der Geschichte, in der Menschen auch abseits von Religionszugehörigkeit Begründungen für Terror gegen Andersdenkende fanden. Leider nimmt diese abschliessende Haltung dem Film viel von seiner Wirkung, denn lange Zeit befand sich Maher auf einem Weg, der zum Nachdenken anregte. Wie schrieb ein Kritiker in seinem Resümee zu dem Film : "Netter Film, aber am Ende bleibt alles wie vorher - der Eine ist gegen Religion ,der Andere dafür !" - leider muss man dem Recht geben, schade! (5/10)

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