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Der Film erinnert in Teilen stark an die beiden bisherigen Derek Kwok Regiearbeiten The Pye-Dog und Moss sowie Herman Yaus zuletzt veröffentlichtem Chaos, die jeweils eine konträr unterschiedliche Aussage als auch Schilderung und Bezeugung dessen, dies allerdings mit den gleichen Mitteln eines Wahrnehmungserlebnisses artikulieren. Auch Fate, der bereits im Juni / Juli 2006 und damit vorher gedreht, aber erst zwei Jahre darauf an die Öffentlichkeit entlassen wurde, arbeitet nahezu vollkommen mit den Mitteln einer körperlich triebhaften räumlichen Bestimmung, einer jenseitigen Brutkastenatmosphäre, komplexen szenischen Bildern, die stetig im Übergang von einer realen Beobachtung über eine mögliche Halluzination hin zu einen neuen Perzeption gehalten sind. Eine Art von Nicht - Einsicht, die zwar alle Eindrücke leibhaftiger Intensität bereithält, aber sich trotz diesem emotionalem Aufdrängen niemals in vorstellungsnaher Erfahrung ausleben lässt. Meist spielt Einem der eigene Geist den entscheidenden Strich in der Rechnung, die vermeintlich scharfsinnige Analytik der Verstandes- und Vernunftform lässt das eben Gesehene und Gefühlte trotz der Beschäftigung der Gemütskräfte und der Verfeinerung der gegebenen Begriffe nur als ein verblassendes Spüren und nicht als ein nachhaltiges Erinnern zurück.

Die Logik des Scheins greift in allen Werken mehr oder weniger ausführlich, aber immer deutlich auf die ewige Faszination des Märchens und damit auf das Bedürfnis nach und der Befriedigung von Wunschträumen zurück. Auf den klassischen Weg des Ausbruchs aus der Realität hinaus und in ein Nebenprodukt dessen hinein, auf das Ausweichen an einen besseren Ort zu einer besseren Zeit, in der man sicherlich auch so seine Probleme hat, die aber aus diesem und jenem Grund keinesfalls so schwerwiegend wie in der Wirklichkeit und zuweilen auch durch simples Gedankenspiel auszuschalten sind. Ein seelisches Wohlfühlgebiet dichterischer Freiheit, dass das Streben nach einer glücklichen Zukunft ebenso beinhaltet und erfüllt wie den Rückzug in die eigene Kindheit, in der Alles noch so einfach und friedlich aussah:

Die nach einem Unfall an Gedächtnisverlust leidende Nana [ Miki Yeung ] führt auf Anraten ihres Psychologen ein Blog, auf dem sie in romanhafter Weise ihre Erlebnisse und Gedanken festhält und dazu eine Geschichte entwickelt hat, in der eine im Wald verirrte Prinzessin diesen nur mit Hilfe eines einäugigen Wolfs verlassen kann. Während ihrer Schreibtätigkeit, die sie bevorzugt im nächtlichen Dunkel inmitten der Großstadt vollzieht, bittet sie den Fremden King [ Deep Ng ] um die Wegbeschreibung zur sogenannten bystreet, an dessen Basketballfeld sie einen unbestimmten, aber ewig geltenden Treffpunkt mit dem dorthin geflüchteten Sung Fei [ Alan Kuo ] ausgemacht hat. King begleitet sie in der Straßenbahn bis zum Eingang der bystreet, warnt sie aber vor, dass man, wenn einmal betreten, den Ort nicht mehr verlassen kann.

Hier wie dort beherbigt das metaphysische Streben nach einem elementaren Sinnesfeld auch die Bedrohung durch das Unbekannte, das Schemenhafte oder das umgestaltete Böse, eine düstere Miss-Stimmung okkult erscheinender Mächte; nicht umsonst tauchen sowohl bei Kwok als auch dem direkt in eine gänzlich andere Ära verpflanzten Chaos als auch dem schimärenhaften Phantomgebilde Fate immer ein komplett vermummter, schwarz gewandter, groß gewachsener und als unbesiegt geltender Gegner auf. Ein Wächter seiner eigenen Ordnung, für den Besucher der imaginären Konstruktion, der Schicksalsgemeinschaft im wilden Gedankenstrom, die ausschlaggebende Einschränkung und das somit folgenschwere subjektive Hindernis.

Was zuerst als Vision oder Illusion erscheint, ist in Wahrheit und nach der rückwirkenden Bekanntgabe auch aller Details nur eine zur Poesie aufmunternde Metapher zwischen Ergötzung und Belehrung, in der die transzendentale Denkkraft zur kritischen Selbsterkenntnis führt und umgekehrt. Von dem Aus- und Abweichen der allgemeinen Rationalität hinein in den spekulativen Verstand und eine philosophische Formierungslehre. Von der Thesis in die Antithesis, in der andere Gesetze von Natur und Freiheit herrschen. Belangvoll, da autoritativ, dekorativ und illustrativ beherrschend ist die obskure Querstraße als Trugbild im Wahn, ein fatalistischer Ort voll Schönheit und Hässlichkeit zugleich, in der selbst die Verwahrlosung, der Schmutz, die Armut in gegenteiliger Behauptung festgehalten werden. Als eine Fehldeutung, die das eigentlich Sehende in Erlebnisse im Sinne dinglich plastischer Vorstellungen umwandelt und wie in anhaltender Schizophrenie das wandernde Leben als Synthese unglaublicher Begebenheiten bereithält. Viel mehr als nur Schauplatz der Handlung im Sinne von neutralem Spielgerüst: Ein beengter, spärlich durch offene Feuerstellen beleuchteter, aber seltsam glänzender Ort voll- und zugemüllt mit Wellblech, Draht, Kabel, Glasresten, Stofffetzen, in dem plötzlich Alles eine andere Bedeutung als noch zuvor hat, und der sich trotz offensichtlich bewahrendem Realitätsbezug genauso ausdrücklich eine eigene und dazu gegensätzliche Identität aus abstrakten Vorstellungen und flüchtigen Erscheinungen bewahrt hat.

Regisseur Raymond Yip, der danach und damit zuletzt als Co - Director bei The Warlords und Executive Director bei An Empress and the Warriors die Beilage mit Zuarbeit bei weitaus größeren Produktionen verdient hat, funktioniert sein Gedankengebilde der bystreet als Potenzierung erst komplett mit dem Plan der Ästhetik aufmerksamster Betrachtung kleinster Umstände und danach mit der Allgemeinen Methodenlehre und dort auch mit einer gewissen schwebenden Verstiegenheit um. Erst das Wo, dann das Wie, und dann das Warum. Erst Experiment in Dekoration, dann in zunehmendem Maße Konsolidierung, Konkurrenz, Überprüfung, Richtigstellung, allerdings mit einem Mangel an struktureller Konsequenz. Je mehr Erklärungen er in Form von liebestrunkenen, prometheischen bzw. todessehnsüchtigen Rückblenden in die Vorgeschichten von Nana, King, Sung Fei, dessen Begleiterin P.S. [ Biu Biu ], dem drogendealenden Triaden Bill Lam [ Jack Kao ], dem Antiquitätenhändler Lung [ Berg Ng ] einfliessen und erörtern lässt, desto häufiger kehrt er in die Gewissheit, die Tatsachlichkeit und dem Realismus zurück. Es lichtet sich buchstäblich der Schleier, aus dem verästelten Fantasygebilde wird mal abwechselnd und dann wieder zugleich ein gewaltgeschwängertes Jugenddrama, gleich zwei tragische Dreiecksromanzen und eine verhängnisvolle Rachefabel, die wiederum mit einigen wenigen theologischen Anstrichen versehen wird.

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