Review

Gestern habe ich zwei Filme gesehen: Morgens den poetischen Grusel-Erotiker DIE GESCHÄNDETE ROSE von Claude Mulot, und abends den Popcorn-Unterhaltungs-Mainstream-Blockbuster-Film OUTBREAK – LAUTLOSE KILLER von Wolfgang Petersen. Beide habe ich mit sieben von zehn Punkten bewertet, was bedeutet, dass die auf meiner persönlichen Skala beide gleich gut sind. Und trotzdem muss ich konstatieren, dass mir der Mulot deutlich besser gefallen hat, mich sehr viel mehr angesprochen hat und ich ihn aus rein formalen Gründen (der Film hat einfach seine Schwächen) nicht höher bewerten mag. Kann ein Wolfgang Petersen also wirklich einem Claude Mulot das Wasser reichen?

Die Antwort ist natürlich, das ist wohl klar, sehr subjektiv: Doch, das kann er, aber selbstverständlich kommt es auf die persönliche Gewichtung an. DIE GESCHÄNDETE ROSE hat wunderschöne und sehr eindringliche Bilder, und reizt mit seiner gotischen Romantik mein schwarzes Herz fast zu Tränen ob seiner Schönheit. Mulot will eine zarte Geschichte erzählen, die mit ein wenig Erotik und viel Tod gewürzt wird, und viel von einem Gedicht aus dem späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert in sich hat. OUTBREAK hingegen will nur eines: Unterhalten! Und zwar auf Teufel komm raus und so viele Menschen wie möglich. Und das klappt eigentlich auch recht gut - Das Tempo ist so hoch und die Spannung so treffsicher gesetzt, dass die gelegentlichen Anflüge von „Was für ein Scheiss“-Gedanken schnell beiseite gefegt werden, damit man den nächsten Höhepunkt bloß nicht verpasst. Was nicht unbedingt etwas Schlechtes ist!

Hinzu kommt, dass wenige Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie ein nicht ganz 30 Jahre alter Film über den Ausbruch einer Seuche merkwürdig aktuell wirkt, und so mancher Ablauf im Film, der uns vor knapp 30 Jahren konstruiert vorkam, mittlerweile von der Realität eingeholt wurde. Wie ein tödlicher Virus innerhalb von nur wenigen Tagen aus dem hintersten Busch Zentralafrikas (oder einer Stadt am Ende von China) bis mitten in das Herz der modernen westlichen Zivilisation kommen und dort alles, aber auch wirklich alles, auf den Kopf stellen kann, das erschien uns damals so weit hergeholt, und inzwischen sind wir um so vieles klüger …

Steven Soderberghs CONTAGION mag düsterer, bitterer und treffender sein, aber der erfolgreichere OUTBREAK macht halt vieles von dem richtig, was einen Blockbuster so auszeichnet: Sympathische Helden (Dustin Hoffman, Rene Russo), einen knuffigen (Kevin Spacey) und einen patenten (Cuba Gooding Jr.) Sidekick, eine väterliche Figur mit etwas (aber nicht zu viel) zweifelhaftem Charakter, und ein wunderbar Militär-Bösewicht, wie wohl nur Donald Sutherland ihn geben konnte. Die Handlung wogt zwischen den verschiedenen Kontinenten hin und her dass es nur so eine Pracht ist, die Musik von James Newton Howard ist martialisch und mindestens genauso stereotyp wie Donald Sutherlands Rollencharakter, die Affen sind niedlich, das Kind reizt unser Mitleid, und der Freund des Helden muss sterben. Die Dialoge pendeln zwischen medizinischem Kauderwelsch und coolen Repliken, die Liebe zwischen den geschiedenen Dustin und Rene darf selbstverständlich wieder aufkochen, und man könnte dem Film höchstens vorwerfen, dass die Hunde zu wenig Screentime hatten.

Nichts Neues im Lande Blockbuster also, ein Film nach Bauanleitung, nur dass eben diese merkwürdig realistische Komponente mittlerweile noch mitschwingt, die wir natürlich wissendes Auges schnell entdecken: Wo warst du eigentlich, als Covid-19 in Europa ankam und alles platt machte? OUTBREAK erfindet das Kino nicht neu, er will es auch gar nicht. OUTBREAK hängt sich an bekannte Muster kopiert diese, setzt die sympathischen Eigenschaften seiner Hauptdarsteller in den Vordergrund, und schafft es damit, eine Menge Spaß zu machen.

Es gibt solche Filme, und solche. DIE GESCHÄNDETE ROSE ist ein schöner, ein guter Film, aber nicht unbedingt etwas für einen Mittwochabend nach 10 Stunden Arbeit. Da gibt es OUTBREAK, und es ist gut dass es ihn gibt, denn da kann man sich so richtig entspannen. Das Hirn abschalten. Und sich in Sicherheit wähnen, weil solche Pandemien gibt es doch in der Wirklichkeit gar nicht. Oder etwa doch?

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