GROß! War der Aufschrei der Spielergemeinde, als es hieß, man würde das kongeniale Far Cry verfilmen. Noch größer die Begeisterung, als es hieß, Til Schweiger würde die Hauptrolle übernehmen. Und dann nannte man den Namen des Regisseurs. Uwe Boll. Schöpfer solcher Meisterwerke wie „House of the Dead" oder „Bloodrayne". Genau dieser Gott der Filmbranche sollte nun also Far Cry verfilmen, das konnte ja nichts anderes als ein weiteres Meisterwerk werden. Wer lacht da?
Zur Sache: Far Cry ist ein Egoshooter aus dem Jahre 2004, entwickelt von Crytek, einem deutschen Team. Das Spiel selbst fiel durch Genre definierende Grafik auf, es spielte sich hervorragend, und es wurde prompt zum Highlight des Jahres.
Die Geschichte ist recht simpel: Jack Carver, unser Held, ist ehemaliger Soldat der US Marines und hat sich zur Ruhe gesetzt. Sein Geld verdient er, indem er Bootsfahrten im Pazifik anbietet. Eines Tages soll er eine Journalistin auf eine nicht verzeichnete Insel bringen. Sie will da angeblich Fotos von japanischen Ruinen aus dem Zweiten Weltkrieg machen. Auf der Rückfahrt wird das Boot versenkt und Jack Carver ist auf sich allein gestellt. Von da an ballert er sich durch die Insel, trifft später auf geheime Labore, in denen Genexperimente durchgeführt werden, und muss sich am Ende gegen Soldaten und Monster zur Wehr setzen. Sinnfrei? Von wegen! Das ist der Stoff, aus dem Actionträume gemacht sind!
Der gute Uwe Boll lässt den Vorwand der Ruinenfotos weg und legt die Karten gleich offen auf den Tisch. Da ist eine Insel, auf der Genexperimente durchgeführt werden, die so geheim sind, dass selbst ein versoffener Bootskapitän davon weiß. Verkompliziert wird die Story allerdings dahingehend, dass die Journalistin mit einem der Soldaten des führenden Wissenschaftlers verwandt ist und sich Sorgen um ihn macht, weil er immer mehr ausplaudert. Also muss sie auf die Insel, zur Rettung eilen. Til Schweiger, ganz Macho, hilft natürlich wo er kann, anfangs noch leicht widerstrebend, später ballernd und Sprüche klopfend. Soviel zur Story.
Nun um es klar zu machen: das ist ein Actionfilm, ein reiner Actionfilm, daraus machte man im Vorfeld kein Geheimnis. Immerhin ist die Vorlage ja auch reinste Ballerunterhaltung. Ein Actionfilm lebt von guten Explosionen, Sinnfreiheit (jedenfalls in Slys und Arnies Filmen), Kämpfen und/oder Shootouts und am besten trockenen Sprüchen à la "Das können nur ich und Superdave!". Logik können wir nach der Inhaltsangabe schon mal aus dem
Wörterbuch streichen. Es kracht, es bummst (ich meine kabumm, nicht quietsch quietsch), Leute sterben, Autos explodieren und es wird durchschnittlich oft geballert und geprügelt. Das klingt soweit schon mal nicht verkehrt. Woran krankt der Film dann also?
Zunächst sind die Schauspieler, als da wären Udo Kier als böser Wissenschaftler (mal was ganz neues!), Til Schweiger als Held, Ralf Möller als netter kleiner Sidekick und Emmanuelle Vaugier auf dem Papier ja ganz nett. Aber sie wirken in jeder einzelnen Sekunde Screentime maßlos unterfordert. Die Dialoge sind dermaßen mies und das Drehbuch so unwahrscheinlich dämlich, das ich manchmal das Gefühl hatte, den Schauspielern war jede Minute vor der Kamera ziemlich peinlich. Udo Kier verzieht im ganzen Film sein Gesicht nicht einmal, ich glaube, er hat sich auch selbst synchronisiert (zum Einschlafen! Oh man), das ist alles ganz furchtbar. Til Schweiger selbst versucht noch auf Macho-Tour irgendwie Ironie in die Sache rein zu bringen, aber wenn er ohne ersichtlichen Grund und ohne vorherigen Aufbau mit der weiblichen Hauptfigur rummacht, dann ist das wirklich alles andere als gelungen, es ist verdammt peinlich. Manchmal turnt er durch die Gegend, als wäre er nicht an den Waffen ausgebildet worden in seiner Vergangenheit, sondern als Turner, Fabian Hambüchen wäre bestimmt neidisch auf sein Können. Oder eher auf das Können des Stuntmans.
Sicher, man kann sagen: hier wurde einfach wert auf das gelegt, worauf es ankommt: Action wie am Fließband. Wer braucht da schon einen einigermaßen nachvollziehbaren Storyaufbau oder eine sinnvolle Charakterentwicklung? Aber selbst Phantom-Kommando hatte in der Hinsicht mehr zu bieten und wirkt vom Anspruch her im Vergleich zu Far Cry wie ein „Es war einmal in Amerika".
Aber wenn die Action stimmen würde, wäre das alles noch irgendwie zu ertragen, denn viele Schwachsinns-Filme konnten mit einer guten Inszenierung vieles vergessen machen. Die Explosionen sind dann auch wirklich ganz unterhaltsam geworden und sehen sehr professionell aus. Die Shooutouts, meine Freunde, sind dann aber nahezu eine direkte Verarschung der Zuschauer. Zunächst mal hören sich sämtliche Waffen an, tja...wie hören sie sich an... wie Luftgewehre? Da fehlt der Wumms, das Knallen, das richtige alles nieder mähende Trommeln der Gewehre. Puff Puff, Peng Peng? Ich war wirklich geschockt. Und man muss schon sehr gut hingucken, bis man mal sieht, wer denn wo getroffen wurde und ob er nicht vielleicht auch durch einen Windhauch umgeweht worden ist. Dabei ist der Blutgehalt minimal gehalten. Hier und da vielleicht mal einen kleinen Effekt und gaaaanz selten auch mal ein Einschussloch. Das wars.
Das Schlimmste an den Actionszenen ist aber die Kamera. Der ganze Film wird durch eine unruhige (Hand?)Kamera dominiert. In den Actionszenen geht das Ganze dann vollends unter. Die Kamera dreht sich, es wird wirr geschnitten und man bekommt so gut wie nichts mehr vom Metzeln mit. Ehrlich gesagt hab ich so was schon lange nicht mehr erlebt (oder noch nie?). Damit wir uns richtig verstehen, das ist nicht positiv wirr geschnitten wie bei Crank oder Gamer, sondern einfach unprofessionell, als hätte man ein Kind an die Cam gelassen, das nicht stark genug ist, die Kamera auch zu halten.
Was mir Spaß gemacht hat, waren die 2 Minuten, in denen Ralf Möller sich durch ein paar Soldaten prügeln darf. Das ist nicht sehr einfallsreich gemacht, sieht aber trotzdem einigermaßen spektakulär aus und passt hervorragend zu unserem Gladiator-Export. Außerdem sind die Landschaftsaufnahmen zu Beginn und am Ende einfach wunderschön eingefangen. Leider steht die Fabrik, in/unter/drüber/hinter der sich das Labor befindet, im direkten Kontrast dazu. Zwar sieht die Holzfabrik/Sägemühle noch einigermaßen lustig und nach einem passablen Spielplatz für die gebotene Action aus. Aber die Laboranlagen sind scheinbar auf Sparflamme entstanden. Stellt euch 08/15 Labore „aus der Zukunft" vor und streicht den Gedanken, man hätte sie mit ordentlich viel Geld gut umgesetzt.
Und die Explosionen waren ganz nett, denn es sieht so aus, als hätte man das ganze Budget nur für die Schauspieler und die Explosionen rausgeschmissen. So ist das bei Uwe Boll's Verfilmungen von Videospielen aber schon immer gewesen. In House of the Dead und Bloodrayne waren es
wohl die Bluteffekte, hier sinds die Explosionen. Achja, der Showdown am Ende dauert recht lange, was man durchaus als positiv werten könnte. Die Langeweile drängt sich allerdings immer wieder kurz dazwischen, in einen durchgehenden Showdown, ist das nicht unglaublich?
Ach was hab ich mich geärgert über den Film. Eigentlich mochte ich House of the Dead wirklich, viel Blut, viel Schwachsinn, sehr nahe an der Videospielvorlage. Sehr nahe an der Videospielvorlage ist Far Cry auch irgendwie. Zumindest storytechnisch. Aber wie ihr meinem Bericht bis hierhin entnehmen konntet, bleibt mir fast nur, Kritik zu schreiben und sie jedem Menschen ins Gesicht zu schmettern, der sich überlegt, Far Cry zu gucken. Wie schafft Uwe Boll es nur, durchweg gute Schauspieler so dermaßen bescheuert zu verheizen? Das ist ein echtes Armutszeugnis. Man denke an Bloodrayne, allein die Schauspieler hätten den Film tragen können, wenn die Dialoge OK gewesen wären.
Dass man Spiele auch anders umsetzen kann, sieht man doch an diversen
Beispielen. Silent Hill zum Beispiel war so gruselig wie die Spiele selbst auch.
Naja vielleicht bietet Far Cry nicht die beste Vorlage, aber für einen unterhaltsamen (!) Actionfilm hätte es doch allemal reichen können. Wenn nur die Action wesentlich stimmiger inszeniert worden wäre, dann hätte ich den schwachsinnigen Aufbau ertragen können. Aber die Action ist langweilig geworden, in einem Actionfilm ein Todesurteil, herrje! Ich habe es selten bereut, einen Film geguckt zu haben. Das war eigentlich das letzte Mal bei Nemesis 3 bzw. 4 der Fall. Und glaubt mir, das war Grütze. Vor dem absoluten, totalen Reinfall rettet sich der Film durch die guten Explosionen, durch Til Schweiger, den ich immer wieder gerne sehe (auch wenn's nur in so einem Schrott ist, um Mitleid mit ihm zu haben) und die kurzen Minuten mit Ralf Möller. Das ist bei einem Film mit 90 Minuten Laufzeit doch ziemlich dürftig, oder? Und wenn ihr nicht besseres zutun habt, dann lest halt ein Buch, geht
nach draußen und füttert Enten oder mäht den Rasen. Aber guckt nicht Far Cry.