Frage: du bist Hollywoodproduzent und hast einen talentierten und actionfähigen Jungstar an der Hand, der den optischen Vorteil besitzt, immer noch wahlweise als Schüler, Student oder ausgelernter Jungmann eingesetzt zu werden. Bei einem flotten Teeniethriller machst du mit einem brauchbaren Regisseur ne Menge Kasse.
Läßt du alles so stehen oder versuchst du beim nächsten Film mit dem Traumteam alles noch mal um einen Level zu übertrumpfen. Was machst du?
Antwort: du wählst die dritte Variante, die entspricht der zweiten, nur nicht einen, sondern vier bis sieben Level mehr Stoff, auf das kein Teenager auf diesem Planeten die Löcher in deiner Story entdecken möge.
Und – es funktioniert.
Ganz ehrlich: ich will Shia LaBeouf nichts Böses, im Gegenteil, ich halte ihn nach seinen Auftritten in „Indy 4“, „Transformers“ und nicht zuletzt „Disturbia“ für ein großes Talent, daß die meisten Ärgernisse von aufgebauten Teenstars hinter sich läßt. Der junge Mann hat Stil und Ausstrahlung.
Darum kann man sich auch kaum darüber beschweren, daß man ihn noch mal mit Regisseur D.J.Caruso zusammengesteckt hat, dem Kopf hinter „Disturbia“ – die beiden aber jetzt in ein Actionspektakel reinzureißen, gegen das alle Michael Bay-Filme wie lahme Enten aussehen, war eine kreativ eher zweideutige Entscheidung.
Das Beste an „Eagle Eye“ ist mal wieder der Start: kurze Figureneinführung, Dilemma, Familientragik und dann ist plötzlich die halbe Welt hinter unseren Protagonisten her (den Östrogenpart übernimmt Michelle Monaghan), die jedoch zur Flucht von einer Frau getrieben werden, die offenbar jedes technische Gerät manipulieren und kontrollieren kann und etwas mit den beiden vor hat.
Das heißt also erst mal, aus Staatsgewalt und Polizeigewahrsam fliehen u nd spätestens bei der nun folgenden Verfolgungsjagd reißt dem Stoff bereits der Faden. Natürlich: es ist die totale Action, superschnell, extrem zerstörerisch und atemberaubend, es ist aber, und das gibt den Ton für den Rest des Films vor, auch komplett lächerlich. Die Kontrolle über den gesamten elektronischen Apparat läuft dermaßen aufwändig reibungslos, daß selbst Vierjährige mit dem Kopf schütteln und bei der Durchführung wird so sehr auf menschliche Belastbarkeit und Hundertschaften von zivilen Opfern geschissen, daß man hier einen Zynismusoscar einführen könnte.
Und es bleibt auch in der Folge so, „Big Brother“ is watching you und sowohl die Air Force als auch die Polizei (Rosarion Dawson und Billy Bob Thornton klären für uns die Hintergründe etwas auf) hinken ständig hinterher.
Das Problem nur ist: so kompliziert der Plan zur Rettung oder Vernichtung Amerikas hier aufgebaut ist, so ungeschickt bemüht sich die Action, ihn zu verschleiern, obwohl der Ablauf und die paar ausgestreuten Hinweise ein aufgewecktes Köpfchen sehr schnell dahin führen, wo Bartel den Plot holt und das im ersten Viertel bis zum Showdown.
Für den großen Bruder wird dann nach einem flotten Stündchen eine top-ober-hacken-tüten-Knaller-Erklärung geboten, daß sich uns die Augenbrauen sträuben, weil der Käse schon in „I, Robot“ bis zur Vergasung verbraten wurde und der ganze Auflauf darüber hinaus unsäglich nach einer modernisierten „Wargames“-Version stinkt.
Sicher, die Actionafficionados werden drüber grinsen und sich auf den totalen Trip einlassen, doch genau das macht „Eagle Eye“ so durchlässig für die ganze Skalenbreite an Noten.
Nicht auf den Plot achten, muß man sich ständig zuflüstern, sonst geht’s in die Hose, aber das Vergnügen trübt sich, wenn man schon im ersten Drittel drauf gekommen ist, was hier bis zum Ende der Fahnenstange Sache ist.
Da kann man noch so sehr die guten Tricks und den physischen Einsatz aller Beteiligten loben, aber abstrus bleibt das alles trotzdem, wobei die Zynik dann später bei einem Flugdrohnenangriff in einem Washingtoner Tunnel ganz neues Futter bekommt, bis dann die Krönung der Themensammlung (aka Klau) zum Showdown im Capitol erreicht ist: nach „Rear Window“ in „Disturbia“ klaut das Autorenquartett (!!!!) für Hitchcockfan Caruso mal eben die komplette Schlußszene aus „Der Mann, der zuviel wußte“ und bügelt sogar des Meisters Wunsch aus, das Publikum müsse die Partitur lesen können. Denn man Prost.
Insofern teile ich das Fazit mal zielgruppenfreundlich so auf, daß das hormongesteuerte Publikum hier getrost einen drauf machen sollte, während diejenigen, die ihre restlichen Sinne mitbenutzen möchten, sich auf den mechanischsten Käse seit langem einlassen müssen, der zudem noch schön menschenverachtend Zivilisten ausschlachtet. Man kann sich natürlich auch in der Mitte treffen, aber bei mir blieb nur Verblüffung über soviel automatisierte Lächerlichkeit. Dann doch lieber die schnöde Intellektualität eines John McClane. (4/10)