Schon vor der Premiere ließ Tom Cruise („Top Gun”, „Collateral”) seinerzeit verlauten, dass „Jerry Maguire“ für ihn nun ein Schritt in eine völlig andere Richtung sein soll. Es folgten überzeugte Kritiken, ein sensationelles Abschneiden am Boxoffice (immerhin 150 Millionen Dollar Einspiel) und als Sahnehäubchen fünf Oscar-Nominierungen (bei einer Auszeichnung für Cuba Gooding Jr., „Chill Factor“, „Men of Honor“) obendrauf. Seinen vielen Lorbeeren gerecht wird „Jerry Maguire“ zwar nicht, trotzdem ist er auch fast zehn Jahre später immer noch extrem kurzweiliges Entertainment.
Das hat der Zuschauer vor allem Drehbuchautor und Regisseur Cameron Crowe („Almost Famous“, „Vanilla Sky“) zu verdanken, denn der verfilmt sein selbst geschriebenes Erfolgsrezept so lebendig herunter, dass die knapp 135 Minuten nie langweilig werden. Steht man als notorischer Cruise-Hasser nicht schon vorn herein mit dem Film auf Kriegsfuß, kann man sich hier überaus gut unterhalten lassen.
Cruise selbst ist die Rolle des erfolgreichen Sportagenten Jerry Maguire quasi auf den Leib geschrieben. Der Workaholic ist der Star der Agentur, hat die erfolgreichsten Sportler unter Vertrag, ist smart, wortgewandt und versteht mit Presse, Kritikern und Sponsoren umzugehen – der perfekte Händler also. Das soll solange gut gehen, bis sich eines Nachts sein Gewissen einschaltet, er das ganze Metier plötzlich mit völlig anderen, nämlich menschlichen Augen sieht, einen ebenso menschlichen, aber wenig lukrativen Wegweiser schreibt und ihn veröffentlicht. Darauf endet nicht nur seine Karriere jäh, sondern auch seine Klienten laufen zu seinem schmierigen Kollegen Tony Francis (herrlich: Jay Mohr, „The Adventures of Pluto Nash“) über. Nur die dortige Angestellte Dorothy Boyd (Renée Zellweger, „Bridget Jones's Diary“, „Cold Mountain“) findet den gefallenen Sunnyboy so inspirierend, dass sie sich seinem Neuanfang anschließt.
„Jerry Maguire“ produziert zunächst die erwarteten Rückschläge, denn Jerrys neues Konzept, dass weniger Klienten und damit auch weniger Geld, dafür aber mehr persönliche Betreuung beinhaltet, trifft scharenweise auf viel Skepsis. Schließlich läuft ihm auch noch der wortbrüchige, zukünftige Starquarterback weg, so dass ihm nur noch der zunächst uninteressante Rod Tidwell (Cuba Gooding Jr.). Mit ihm allein soll der Weg zum Erfolg gelingen.
Natürlich wird das ein Happyend nehmen, doch bis dahin ist „Jerry Maguire“ vollgestopft mit jeder Menge Sympathien, musikalischer Evergreens und nonstop Tom Cruise. Der nimmt uns mit auf seine nun folgenden Höhen und Tiefen und erhandelt für Rod nicht nur einen ordentlichen Vertrag, sondern sucht auch die Liebe seines Lebens, weil ihn seine letzte Verlobte nur aufgrund des Geldes sitzen ließ. Praktisch, dass Dorothy nicht nur frei, sondern auch sehr sympathisch ist und ihn auch noch anhimmelt.
Viel interessanter und witziger als die zahlreichen Seitenhiebe auf eigenwillige Erzieher und femininen Selbsthilfegruppen ist dabei die Entwicklung der Charaktere und ihre Beziehungen. Maguire, der zu Beginn mit Tidwell noch den gleichen Fehler wie vor seiner Wiedergeburt macht, freundet sich mit seinem Schützling an, was Cuba Gooding Jr. dazu veranlasst, herrlich überdreht und hyperaktiv durch den Film zu schwadronieren, um allen die Show zu spielen. Ob das letztlich wirklich Oscar-reif ist, bleibt fraglich, aber ihn tänzelnd, philosophierend, Cruise aufbauend und nahezu jede Szene an sich reißend, zu sehen, macht wirklich Spaß.
Die Romanze zwischen Jerry und Dorothys wird durch ihren neunmalklugen Sohn Ray herrlich aufgefrischt, etwas Herzschmerz gibt es obendrauf, an die finanziellen Grenzen schreitet man auch, doch letztlich siegt das Gute. Das will uns dann auch der Film sagen. Grenzenloser Kommerz garantiert kein wirkliches Leben, sondern macht den Menschen zum Sklaven seiner Arbeit. Wirkliches Leben bedeutet in dieser Branche Fühlung zu seinen Mitmenschen aufzunehmen, lieber finanzielle Einbußen hinzunehmen und dafür für die Menschen, die einen brauchen, auch wirklich da zu sein.
Ok, die Moral wird mit dem Holzhammer serviert, die Kritik bleibt zahm und verdächtig nach publikumsgerechter Erfolgsgeschichte riecht es hier auch stark, weswegen die vielen Nominierungen nur ein deutliches Anzeichen auf die typische hollywoodsche Selbstbeweihräucherung a la „A Beautiful Mind“ sind. Doch so abgekartet „Jerry Maguire“ auch war, sein Ziel erreicht er: leichtfüßiges Unterhalten.
Fazit:
Weitestgehend klischeefreies, recht witziges Drama mit einem routinierten Tom Cruise, der verzweifelt versucht wieder Herr der Lage zu werden. Über seine enorme Laufzeit unterhält „Jerry Maguire“ dank flotter Regie, guten Darstellern und erfolgsorientierter Story jedenfalls problemlos. Nichts Neues, nichts Innovatives, sondern ganz simples Entertainment. Why not?