Als ich das erste Mal von "The Wrestler" gehört habe, war meine Vorfreude ziemlich groß: Nicht nur als FIlmfan und Fan vieler Mickey Rourke-Filme, sondern auch als langjähriger Wrestling-Fan. Dementsprechend wird mein Review sich auch in zwei Teile gliedern, einmal einer Kritik zum Film an sich und einmal auch in Bezug dessen, wie das Pro Wrestling hier dargestellt wird.
Aber der Reihe nach. "The Wrestler" folgt dem in die Jahre gekommen Ex-Wrestling Star Randy "the Ram" Robinson (Mickey Rourke). Seine große Zeit in den 80ern ist längst passe. Das einzige, was ihm geblieben ist, sind ein geschundener Körper, eine gänzlich zerüttete Beziehung zu seiner Tochter (Evan Rachel Wood) und das Wrestling inklusive dessen Fans, für die er immer noch ein Held ist. Aber er spielt in dem Business keine wirklich große Rolle mehr. Trotz seines (ehemaligen) Ruhmes ist er eine Randexistenz, für den normalen Menschen schlichtweg ein Verlierer. Eine Chance nochmal dem RUhm vergangener Tage nacheifern zu können bietet sich in einem Match mit seinem Erz-Rivalen aus den 80ern: The Ayatollah (Ernest "The Cat" Miller). Doch bevor es soweit kommt, versagt sein Herz. Er ist gezwungen in Rente zu gehen. Und nun versucht er sein Leben in den Griff zu bekommen, eine Beziehung zur alternden Stripperin Cassidy (Marisa Tomei) aufzubauen, einen Job zu finden und auch seiner entfremdeten Tochter wieder näher zu kommen.
Sicherlich ist diese Story vom Prinzip her nichts Neues. Und ob sie letzten Endes im Wrestling-Business, im Boxen oder meinetwegen auch in Bereichen ausserhalb der Welt des Sportes spielt, ist dabei egal. Das Schema ist bekannt. Bevor ich aber weiter darauf eingehe, erstmal zum Wrestling, denn dieses eher unverbrauchte Metier hat sich der Film nunmal "ausgesucht".
Und man kann ganz klar sagen, dass es Darran Aronofsky bzw. dem Writer Robert D. Siegel durchaus sehr gut gelungen ist, das Business einzufangen. Sicher, aus dramaturgischen Gründen gibt es kleinere Abstriche. Sieht ein unwissender Seher "The Wrestler" kann schnell der Eindruck entstehen, dass ehemalige Wrestling-Legenden gerne mal so enden, da ein "positiver" Kontrast fehlt. Und schaut man sich ehemalige Größen wie Jake "The Snake" Roberts oder in gewisser Hinsicht auch Ric Flair an, dann merkt man, dass "The Wrestler" in Bezug auf gescheiterte Existenzen auch ein recht akkurates Bild zeichnet. Auch in Bezug auf Thomas Billington (besser bekannt als Dynamite Kid, Teil der British Bulldogs und unter halbwegs informierten Wrestling-Fans definitiv eine Legende), wobei dessen Schicksal vielleicht noch tragischer ist, als das des fiktiven "The Ram". Aber viele ehemals erfolgreiche Wrestler es auch geschafft, sich ein Leben abseits des Wrestling aufbauen zu können. Dwayne "The Rock" Johnson dürfte dabei wohl das bekannteste Beispiel sein und es gibt auch unzählige andere. "The Wrestler" zeichnet ein düsteres Bild, was dramaturgisch auch richtig so ist, aber es ist keineswegs gänzlich repräsentativ.
Auch das offene Darstellen, wie Matches besprochen werden, trägt zum Realismus bei. Heutzutage weiss eh so ziemlich jeder, dass Wrestling nicht konkret "fake" ist (nicht faker als z.B. ein Film für einen Stuntman), aber halt geschrieben bzw. abgesprochen. Und wenn hier Kritik aufkommt (in einem Review) über die dargestellten Inhalte von "The Wrestler", dann auch bitte gut fundierte. Denn in einigen amerikanischen Independent Ligen (abseits des WWE-Imperiums oder dem Möchtegern-Konkurrenten TNA) sind Matches mit Stacheldraht, etc. definitiv kein Hirngespinst. Und bevor nun gesagt wird, dass das alles illegaler Hinterhofkram ist: Die CZW (welche regelmäßig einige der hier Auftauchenden Wrestler bookt) veranstaltet regelmäßig solche Matches, in Japan sind diese Art Matches bei Promotion wie u.a. Big Japan Pro Wrestling (und früher auf FMW, um ein weiteres Beispiel zu nennen) ebenfalls Gang und Gebe und selbst Ring of Honor (die ebenfalls bei "The Wrestler" unterstützend zur Seite standen) oder die legendäre ECW hatten diverse solcher Matches. Selbst in Deutschland bei der WXW gibt es ab und an solche Matches. Von daher ist das hier nicht nur realistisch dargestellt, sondern zeigt auch, wie hart manch ein Wrestler für sein Geld arbeiten muss und wie gnadenlos die Fans sein können.
Nun aber genug davon (wollte das nur mal richtig stellen) und zum eigentlichen Film. Wer hier auf große Wrestling-Action hofft, der wird natürlich enttäuscht sein. Natürlich gibt es kurze Matches, aber das dient vor allem der Atmosphäre, es hilft in "The Ram"s Welt einzutauchen. Aber "The Wrestler" ist vor allem eines: Ein charmantes und vor allem höchst intinmes Verlier-Porträt. Die Kamera weicht selten von Mickey Rourkes Seite, der Look ist trist und "down to earth". Im Ring ist "The Ram" ein Star, auch wenn die Fans nicht mehr annähernd in den Scharen auftauchen, wie früher, er ist akzeptiert, für manche eine lebende Legende. Dementsprechend wirken diese Szenen auch anders. Aber abseits des Ringes herrscht die knallharte Realität.
Wenn auf einer Konvention, auf der alte Stars Autogramme für ein paar wenige, eintrudelnde Fans geben, alte Knacker sitzen, alle mit den Spuren, die der harte Wrestling-Alltag mit sich bringt und keiner auch nur im Ansatz wie ein (ehemaliger) Star wirkt, dann ist das eine Szene, die unter die Haut geht. Man kennt sich, man ist wie eine Familie, aber letzten Endes ist jeder für sich gescheitert, konnte den (im Wrestling Business durchaus für viele auch nur kurzfristigen) Ruhm nur im Idealbild für sich festalten. Die Fans finden es toll sich mit einem alten Helden fotographieren zu lassen, aber sie haben ihr Herz längst an neue verloren.
Ähnliches gilt für die tragikomische Szene, in der "The Ram" mit einem Nachbarsjungen ein altes Wrestling-Spiel zockt. Für ihn ist das nicht nur Spass, es zeigt ihm, dass er einst ein Star war, es erfüllt ihn mit Leben. Doch der Junge würde viel lieber Call of Duty spielen, was "the Ram" natürlich kein Begriff ist. Auch wenn "the Ram" hinter Fleischtheke irgendwann ganz den Entertainer rausholt, um sich mit seiner Situation besser abfinden zu können, freut man sich mit ihm, hat Spass mit ihm, aber spürt die tiefe Traurigkeit, die Melancholie, die dort unterschwellig mitschwingt.
Letzten Endes gibt es aber zwei Personen ausserhalb "seiner Welt" (welche er aufgrund des Herzproblems verlassen muss), denen an "The Ram" wirklich etwas gelegen ist und die auch ihm viel bedeuten: Seine Tochter und der Stripperin Cassidy. Seine Tochter hasst ihn erst, da er nie für sie da war. Doch langsam schafft er es, dass sich die Wogen glätten. Und in Cassidy, welche wie er ein Auslaufmodell ist, hat er jemanden gefunden, der auf gleicher Wellenlänge schwebt. Mit beiden gibt es sehr berührende Szenen (u.a. mit der Tochter, als sie an ihrem früheren Lieblingsplatz wieder näher zueinander finden, mit Cassidy als sie in einer Kneipe in alten Tagen schwelgen, als sie die Welt noch nicht überholt hatte). Doch auch wenn alles sich zu bessern scheint, "The Ram" ist ein emotionaler Krüppel und schon bald fehlt ihm der Ruhm, insbesondere als seine Fortschritte alle auseinanderfallen, nachdem Cassidy ihm eine Abfuhr erteilt, da sie in gewisser Hinsicht ähnlich gescheitert ist wie "The Ram". In einer Kurzschlussreaktion haut er noch mal richtig auf die Pauke, was darin resultiert, dass er seine Tochter einmal zu viel verletzt. Das läuft dann auf die Katastrohpe hinaus: "The Ram" nimmt das Match gegen "The Ayatollah" an. Als Cassidy dann doch erkennt, dass sie und Randy eine Zukunft haben, ist es zu spät und "The Ram" eilt seinem sicheren Untergang entgegen.
Was bei all der Einfühlsamkeit, der Intimität mit den doch ziemlich (hart gesagt) abgewrackten Charakteren höchst lobenswert ist: Sie versinken nie im Selbstmitleid. Sie versuchen gegen ihr Schicksal anzukämpfen, das beste aus ihrer scheinbar ausweglosen Situation zu machen. Somit sind die Figuren (insbesondere natürlich Mickey Rourke und Marisa Tomei) immer sympathisch. Was auch an den starken schauspielerischen Leistungen liegt. Vor allem an Mickey Rourke, der den Film auf seinem Rücken trägt. Und ich denke kaum ein Schauspieler hätte es geschafft, das so natürlich, charismatisch und glaubhaft rüberzubringen. Nicht, weil Rourke der beste Schauspieler aller Zeiten ist, sondern weil er in vielen Punkten seinen Charakter versteht, sein Charakter ist. Er kennt das Gefühl, ein begehrter Star zu sein und dann tief zu fallen, bis nicht nur seine Karriere ein Scherbenhaufen ist. VIel mehr braucht man dazu nicht sagen, das haben andere schon zu Genüge getan.
Fazit: Einfühlsames Verlierer-Drama, das eine unglaubliche Intimität mit seinem Hauptcharakter ausstrahlt und einen tristen, zu keinem Zeitpunkt kitschigen oder aufgesetzt emotiondudligen, Eindruck vom Leben eben dieses schildert. Grossartige Schauspieler tun ihr übriges, wodurch man verschmerzen kann, dass weder die Idee noch der Ablauf in geringster Weise innovativ sind. Auch das etwas düstere, da dramaturgisch bedingt einseitig betrachtete, Bild des Pro Wrestling Businesses stört da kaum.