Der anspruchsvolle Catcherfilm, dessen Drehbuch Barton Fink im gleichnamigen Film schrieb und für das im banalen Hollywood kein Platz war, ist schließlich doch noch gedreht worden.
Wie eine dezente Vorahnung erscheint „Spun“ rückblickend: Mickey Rourke als The Cook, beim Aufbrühen von Drogengebräuen immerzu der Fernseher angeschaltet, Wrestling glotzend. Jetzt selbst in der, sinnbildlich betrachtet, partiell autobiographisch anmutenden Rolle derer, die da catchten. Teleportiert in eine Körperwelt des Pseudo- und Trivialsports.
Du bist eine Showfigur, fern der Realität, in einer Nischenwelt abgesprochener Gladiatorenkämpfe und um Dich herum gesponnene spinnende Soapstorys. Wrestling, so amerikanisch wie sonst kaum etwas. Ein Metier, in dem Dir der amerikanische Traum einfach auf den Leib geschrieben werden kann und Du es laut Storyline zum Fake-Weltmeister und ganz real gefeierten Superstar schaffst, genauso wie es in solch einem bipolaren Zirkus der Inszenierung auch eines Feindbildes bedarf. Du bist nicht weiß? Werd doch ein Iraner und stachele das Publikum an. Es will sehen, wie Gut und Böse sich raufen.
Freilich, die Akrobatik bleibt indes unfingiert und zuweilen schmerzhaft. Als Wrestler bist Du der Trapezkünstler in der Manege. Und suchst den doppelten Boden manchmal vergeblich. Einem wie Owen Hart schaufelte das Gimmick auf der Suche nach dem Spektakel schon das Grab. Du bist Stuntman, nicht nur Schauspieler, unterwirfst Deinen Körper rigoros nur der Show, den Kameras, die über Deinen Schultern nicht mehr als solche wahrgenommen werden, eine Selbstveräußerung bis zur Erschöpfung. Stacheldraht, Glas, Rasierklingen, Tacker malträtieren den Astralkörper. Irgendwann wird er alt. Und Du bist nicht mehr nur der Steroide, auch immer mehr der Schmerzmittel untertänig. Glorie und Schmerz, eine Hassliebe, Du kommst da nicht raus, raus aus der Pose, raus aus der schönen inszenierten Parallelwelt, bevölkert von Wrestlingfans und -nerds, die Deine Familie sind, verpasst den Absprung. Der Stern am Himmel senkt sich.
Vom Madison Square Garden, in dem der größte Fake-Triumph gefeiert wurde, hinein in die provinzielle Grundschulsporthalle; die Umkleide: vom Backstage-Bereich ins Klassenzimmer, vom Superstar zum Gaukler, Randy „The Ram“ Robinson. Eine Gage so üppig, dass sie nicht einmal mehr für das Obdach im Suburbia-Trailer-Park genügt. Du bist vollends angekommen im White Trash. Fern von der Zeit, die einen einholt, überholt, zurücklässt. Allein, allein. Es ist das eine als solches Kunstsubjekt, den soziokulturellen Wandel der Welt um sich herum zu überleben, und es ist das andere, dann immer noch in die veränderte Welt zu passen.
Der Wehmut über die Vergänglichkeit der Heldenfigur wird unterdrückt, im Würgegriff lässt sich die Realität nur schwer realisieren. Die Tage des "Nintendo Entertainment System" sind gezählt. Sie sind es schon seit verdammt langer Zeit. Mit superpixeligen 8-Bit-Spielen lassen sich Nachbarskinder nicht mehr hinter Öfen hervorlocken, wenn es heutzutage „Call of Duty 4“ gibt. Die eigene Spielfigur noch zu spielen, das ist, als befände man sich in einem Museum, ohne zu wissen, dass es eines ist. Der Inbegriff eines Lebens in der Vergangenheit. Hach, die Achtziger waren geil, die Neunziger ziemlich scheiße. Das meinst Du, der Du aus einer Zeit stammst, in der Rock noch hart war. Die Vergangenheit - und das bedeutet manchmal eben die Gegenwart der Achtziger - zu erhalten, ist auch das oberste ästhetische Prinzip des Wrestlers. Die Mähne blondieren, die Haut grillieren, unter der Sonnenbank, Anabole verfrühstücken. Und der Tochter in seiner geschmacklichen Desorientierung eine potthässlich schrille Jacke schenken wollen.
Die Zeit hat die ganzen Wunden diesmal nicht geheilt, weder die der vernachlässigten Tochter, noch die am eigenen Körper. Der ist mittlerweile ein einziger Tränensack. Brille, Hörgerät, ein verquollenes Gesicht, ziemlich fertig. Es ist schwer, jene Actionfigur zu bleiben, die man an die Kinder verschenkt. Dem Spielzeug sieht man es nie an, beim Ringen das Ringen nach Luft, das Husten und Prusten. In der Autogrammstunde sitzen die einstigen Stars mit ihren Urinbeuteln und hoffen auf den einen oder anderen Fan, der für einen Obolus sich eine Signatur erkauft. Eine kleine Wrackprämie. Die antiquierten VHS-Kassetten bleiben liegen.
Die Karriere scheint vorbei. Dein Herz kapituliert. War es all die Jahre der Schmerzmittel zuviel? Willst Du irgendwann draufgehen? Bypass. Was nun? Jetzt, als man die Ringhalle verlässt, wird man sich dessen gewahr, wie einsam man ist. Die Annäherung an die Tochter ist gründlich und endgültig vermasselt. Pardauz, das hat gesessen. Tiefschlag. Es riecht so langsam stechend nach dem Schweiß des Versagens. Es gibt da noch eine Stripperin, mit ihr könnte es was werden. Auch sie ist nicht mehr die jüngste - mit Verlaub, für das Milieu jedenfalls, in dem alternde Körper ebenso keine große Zukunft mehr haben. Beim Kunden zu einem Private Dance zu kommen, ist mittlerweile harte Arbeit.
Im Supermarkt hinter der Delikatessentheke setzt sich die Laufbahn fort. Der Gang dorthin fühlt sich noch an wie der Gang zum Ring durch die Katakomben des Backstage-Bereiches. Es wird wieder geklopftes Fleisch veräußert. Doch ist es nicht das Wahre, wenn die eigentliche und einzige Berufung eine andere ist. Ein bypassoperiertes Herz sollte nicht mehr wrestlen? Es kann nicht anders. Es wurde für den Ring geboren. Leute wie Hulk Hogan oder Ric Flair, solche, die dank lächerlicher Storylines noch als Opas in der Arena standen, sich gegen zwanzig Jahre jüngere Muskelberge bewährten und unermüdlich, nur hüftsteifer und mit faltigerer Sonnenbankhaut in ihren Gimmicks wie eh und je gestikulierten, solche waren wandelnde Belege für die existenzielle Abhängigkeit von der Scheinwelt des Entertainmentsports. Es ist nicht leicht, von einer Legende Abschied zu nehmen, schon gar nicht, wenn man selbst diese Legende ist.
The Show goes on. Du schaffst das schon, oder doch nicht? Verdammt, der Schmerz, das Herz. Du schnaufst, kannst Dich kaum noch halten. Im Begriff, Dich geradewegs an den Abgrund zu schinden, suchst Du vergeblich nach Cassidy, der Stripperin, eben war sie noch da.
Es gab da einen Wrestler, Eddie Guerrero, der starb an Herzinsuffizienz infolge jahrelanger Schmerzmittelzufuhr. Er beendete seine Matches bevorzugt mit einem Splash vom obersten Seil der Ringecke. Es ist der gleiche Finishing Move, der auch Darren Aronofskys eindrücklichem Portrait ein Ende setzt.