Review

Wenn ich mich für eines nicht interessiere, dann für das Wrestling. So richtig Gefallen konnte ich einfach nie finden an diesen gestellten Kämpfen mit Tischen, Stühlen und Leitern, die eigentlich immer nach dem selben Schema ablaufen. Und doch hab ich mir den Film The Wrestler angesehen - aus dem einfachen Grund, weil ich eingeladen wurde. Aber letzlich hab ich mir den Film schlechter vorgestellt.

Der Film fängt wie ein Homevideo an. Wir verfolgen den legendären Randy "The Ram" Robinson Ramzinski (Was für ein Name) auf den Weg in eine Arena, wo er sich mit einem anderen Wrestler prügelt, um nachher eine mäßige Gage in die Hand gedrückt zu bekommen. Randys Glanzzeiten sind vorbei. Der zwar immer noch muskelbepackte, aber deutlich gealterte Star lebt in einem Wohnwagen und kämpft mit den Problemen des fortschreitenden Alters. Ein Hörgerät ziert sein Ohr und Aufpuschmittel sind immer noch Gang und Gebe, obwohl man das in seinem Alter besser lassen sollte. Seine Freizeit verbringt der alte Star in einem Stripclub, wo er Stammkunde der Stripperin  Cassidy ist. Die ist auch nicht mehr die jüngste, was sich auch im Verhalten ihrer Gäste äußert - drei Jugendliche machen sie wegen ihres Alters auch blöd an.

Nun stellt man als Zuschauer fest: Dieses Show-Leben von Randy neigt sich dem sicheren Ende. Das Schicksal trifft ihn schließlich bei einem brutalen Kampf, wo auch ein gemeingefährlicher Tacker zum Einsatz kommt. Nach dem spektakulären Kampf und der anschließenden "ärztlichen" Behandlung im Umkleideraum, bricht Randy zusammen. Ein Herzinfarkt tritt in sein Leben. Als der nette Doktor ihm schließlich sagt, dass er mit dem wrestlen aufhören soll, fängt Randy an, sich zu ändern. Er fängt am Wochenende an, hinter der Theke eines Ladens zu arbeiten, sagt alle Kämpfe ab, für die er eingeplant war und will sich schließlich mit seiner Tochter versöhnen, der er allerdings seit Jahren keine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Dementsprechend reagiert sie auch auf ihn.

Dieses zentrale Thema - der Sturz eines ehemaligen Superstars - ist in sich gesehen sehr interessant und ausgewogen dargestellt. Viele kleine Passagen zeigen auch generell die Folgen des Alters. Randy lädt sich zum Beispiel einen Jungen in seinen Wohnwagen ein, um mit ihn ganz altmodisch auf einer uralten Nintendo zu spielen. Währendessen erzählt der Junge Randy von "Call Of Duty 4" (und spricht dabei das Duty wie Dudie aus), was an ihm natürlich vorbeigeschossen ist. Auf einem Treffen der Legenden sieht Randy auch, wie abgehalftert seine Kollegen sind und wie Zeit an ihnen genagt hat. Einer sitzt sogar im Rollstuhl.

Nachdem Randy auf Anraten seines Arztes auch das Wrestling wie einen Fremdkörper abstößt, entwickelt sich der Star beinahe zu einem Familienmensch, der sich entgültig zur Ruhe setzt. Die Versöhnung mit seiner Tochter ist nicht von langer Dauer. Den Abend, an dem er eigentlich mit ihr essen wollte, verpennt er stattdessen, nachdem er auf einer Toilette einem begeisterten, weiblichen Fan erstmal sein bestes Stück präsentiert hat. So richtig scheint es Randy dann doch nicht in seinem jetzigen Leben zu gefallen. Nachdem seine Tochter ihn wutentbrannt entgültig zum Teufel geschickt hat, fängt sein Leben auch wieder an, sich erneut um 180° zu drehen.

Denn neben dem gescheiterten Neuanfang mit seiner Tochter, wird seine Liebe zu der Stripperin Cassidy auch nicht besonders erwidert, weil sie sich einfach nicht auf einen "Kunden" einlassen will. Randy ist am Boden und rastet schließlich in dem Supermarkt aus, in dem er arbeitet. Dort hat ein Fan ihn nämlich erkannt, und Randy fühlt sich zutiefst gedemütigt. In einer reißerischen Aktion rammt er seinen Finger in die Fleischschneide, schmiert sich das Gesicht mit Blut voll und verlässt tobend den Laden. Nun ist er wieder bereit, sein ehemaliges Leben als Wrestling-Star neu aufleben zu lassen.

Ironie des Schicksal ist es, dass ausgerechnet vor Randys nächstem (und wohl auch letzten) Kampf Cassidy Einsicht zeigt, ihren Job an den Nagel hängt und sich frohen Mutes nun doch auf ihren ehemaligen "Kunden" einlassen will. Dieser hat jedoch genug von diesem Leben, dass ihm mehr Schmerz zugefügt hat als es eine körperliche Verletzung je tun könnte. Er stellt sich seinem Gegner und merkt schnell, dass sein Herz das nicht mehr lange mitmacht. Er stellt sich auf den Pfosten, will auf seinen Gegner springen und ... Ende. Der erfahrene Zuschauer weiß allerdings, was passiert sein wird. Randys Herz hatte wohl auch seinen letzten Kampf.

Randy ist von seinem Leben auf das schlimmste betrogen worden. Jetzt, wo er sich ändern wollte, stellt Gott ihm einen Streich nach dem anderen und Randy tritt zugegebenermaßen auch in jedes Fettnäpfchen. Seine erotische Erfahrung auf einer Toilette hat er sich selbst zu Schulden kommen lassen. Aus einem Star verschwindet halt nie vollständig seine Prinzipien. Und trotzdem hat man Mitleid mit ihm, denn wer kann auf einen Mann wirklich böse sein, bei dem privat aber auch nichts klappt?

Die Inzenierung ist nun nicht immer wirklich spannend, faziniert aber, vor allem durch den ein oder anderen Dialog. Vor allem, als Randy seiner Tochter ein Geschenk kaufen will, er aber rein gar nicht weiß, was sie gut findet oder welche Hobbys sie hat. Sehr oft entwickelt der Film auch einen erstaunlichen Humor. Zwischenzeitlich denkt man, eine halbe Komödie vor sich zu haben. Das äußert sich in so unscheinbaren Szenen wie dem Medikamentenkauf in der Umkleide, wo der zuständige Verkäufer (Ebenfalls ein bulliger Wrestler, wer weiß, wo er das Zeug her hat) über die Medizin quatscht wie ein Apotheker, und das auch noch mit einer weichen, sensiblen Stimme. Fast zum brüllen auch Randys Erfahrung mit Kunden in seinem Supermarkt, hervorzuheben sei hier die furchtbare Oma, die ihren Fleischsalat (oder was immer diese Pampe sein soll) aufs Gramm genau abgefüllt haben will und dementsprechend nervig quatscht: "Ein bisschen weniger... ein bisschen mehr... ein bisschen weniger... na endlich".

Die Kämpfe sind fulminant in Szene gesetzt, auch wenn es auch hier größenteils Show bleibt. Ganz ruhig kann man bei einigen Szenen aber nicht bleiben, zum Beispiel wo sich einer der Wrestler einen Dollarschein auf die Stirn tackert. Allein bei dem Geräusch muss man schon unfreiwillig an die Hand denken, die quietschend über die raue Tafel kratzt. Und mit Blut spart der Film auch nicht, stellenweise spritzt es wirklich und Randy sieht nach den Kämpfen teilweise so aus wie frisch aus dem Krieg.

Am Ende muss der Film aber doch noch in die Klischee-Falle treten. Randy kämpft gegen seinen stärksten Feind... den Ayatollah. Der kommt auf die Bühne und schwingt seine iranische Flagge, gefolgt von zahlreichen Buh-Rufen aus dem Publikum. Randy legt ihn schließlich über das Knie, nimmt die Flagge und zerbricht sie einmal in der Mitte. Das Publikum jubelt und schreit "USA! USA! USA!" - und mir kam das Popcorn hoch. Also wirklich, das hat mir den eigentlichen fast sehr guten Eindruck des Films ein bisschen vermiest, ich krieg da jetzt noch Schüttelkrämpfe bei dieser Szene.

Mal abgesehen von diesem letzten Kampf, spricht der Film aber dennoch die ruhigen Töne zwischen all dem lauten Kampfgetöse an. Mickey Rourke versucht den Randy durchweg sympatisch zu spielen, auch wenn das stellenweise schwer für den Zuschauer ist, direkten Kontakt zu dieser Figur aufzunehmen, denn es ist und bleibt seine Schuld, dass er sein privates Leben mehrmals versaut hat, auch wenn man ihm einigemale übel mitgespielt hat. Marisa Tomei spielt hier die Stripperin Cassidy solide, auch wenn mir Ihre Rolle in dem Film nicht richtig klar werden will. Warum wird tausendmal angedeutet, dass sie auch genug von ihrem Leben hat und letzendlich läuft diese Nebenhandlung doch ins Leere? Ihr Leben dreht sich zwar auch um 180°, aber irgendwie fehlt da der Funke.

Manchmal geizt der Film auch nicht mit überflüssiger nackter Haut. Immerhin befinden wir uns einigemale in einem Striplokal und da ist es klar, dass man sich manchmal minutenlang tanzende Frauen angucken muss. Allgemein langweilig wird der Film nicht, aber er ist auch nicht so ungemein aufregend, dass man die Kinoleinwand anstarrt wie ein Besessener. Trotzdem ist der Film natürlich unterhaltsam, keine Frage - denn die Charaktere spielen mit einer doch recht realistischen Intensität.

Letztlich bin ich doch recht froh, diesen Film gesehen zu haben. Für das Wrestling interessiere ich mich immer noch wie ein Vegetarier für die Currywurst-Bude, aber es war durchweg ein interessanter Einblick in das Leben eines solchen Stars. Ich kann diesen Film uneingeschränkt weiterempfehlen, denn er spricht auch Nicht-Fans wie mich an.

Fazit

Unterhaltsamer und teilweise doch recht tiefgründiger Film um eine ehemalige Wrestling-Legende. Die guten Darsteller verleihen dem Film durchaus Charakter; einige Szenen bleiben aber trotzdem unnötig und die fragwürdige Ideologie der Drehbuchautoren am Ende mit dem brüllenden "USA!" Publikum mindern allerdings die Begeisterung.

7/10

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