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"I'm not a pornographer, I'm a actor" -

P.T. Andersons zweiten Film nach seinem Debüt mit "Last Exit Reno" so etwas wie Warmherzigkeit zu unterstellen, ist vielleicht marginal zu hoch gegriffen, aber trotzdem nicht vollständig von der Hand zu weisen: "Boogie Nights" ist bis dato wohl einer der authentischeren, ganz sicher aber einer der verständnisvollsten Blicke auf die Chronik der Pornographie und der in ihr Involvierten.

Um den relativ konventionell gehaltenen Rise-and-fall-Plot seines Hauptcharakters herum, inszeniert Anderson dabei eine sezierende, aber zeitgleich doch nie wirklich boshafte Milieustudie über die Sein- und Scheinmechanismen der sich immer weiter enthumanisierenden Porno-Industrie.

Gewagt ist "Boogie Nights" dabei nicht so sehr in seiner Darstellung des Expliziten, sondern vielmehr in der Banalisierung seines Themas: Anderson und sein Cast nähern sich ihrem Thema ohne falsche Scheu oder Verklemmtheit, neigen jedoch auch zu keiner Zeit dazu, die Schicksale der Betroffenen zu bagatellisieren oder zu instrumentalisieren - seltsame Heldenverklärung und der Flirt mit dem Schmutz, wie sie im prätentiösen "Larry Flynt" von Forman praktiziert werden, sind hier ebenso wenig vorzufinden, wie die oftmals mit dem Thema einhergehenden Zoten und Peinlichkeiten.
Vielmehr akzeptiert "Boogie Nights" das portraitierte Gewerbe mit all seinen Spleens und menschlichen Dramen (stark: Macys Abgang) als etwas nahezu alltägliches - dies ist die wahrhaft mutige Geste, die Anderson für sich verbuchen kann; nicht die Handvoll an Softcoresequenzen, die sich über die zweieinhalb Stunden verteilen.

Obwohl die gegen Ende auftretende Parallelmontage-Sequenz von Gewalteskalationen als Synonym für den Niedergang und Zerfall des Makro- und Mirkokosmos aller Beteiligten, ein Schlag in die Magengrube des Zuschauers ist, und sich als sehr beklemmend und effektvoll erweist: Die ganz großen Emotionen, die die späteren Werke des Regisseurs prägen sollten, finden sich in "Boogie Nights" noch nicht.
Jene Distanziertheit ist sicherlich anhand der eingangs getroffenen Erwägungen zu erklären, kostet aber doch einiges an Empathiefaktor auf der emotionalen Ebene.

Auch der unmittelbar nach der Parallelmontage einsetzende zwischenzeitliche Genrewechsel fällt mit seiner Zentrierung auf das Drogenbusiness und den tarantino'schen Brutalitäten etwas aus dem Rahmen, und erscheint somit als ebenso gewöhnungsbedürftiges, wie letzendlich auch sinnloses Intermezzo auf dem Weg zum Finale, welches durch seine nahezu zynische Heile-Welt-Attitüde wieder zu versöhnen weiß.

Der Cast erweist sich dabei trotz einiger Exoten wie Nina Hartley als durchweg praktikabel; vorallem Mark Wahlberg bewies einiges als Selbstbewusstsein und Ironie, korreliert seine private Vita als gescheiterter Musiker und Unterwäsche-Model doch an manchen Stellen auffallend mit der Lebensgeschichte seiner Figur. Reilly und Hoffman haben insgesamt wenige Sequenzen, in denen sie sich wirklich frei spielen können, überzeugen aber trotzdem als starke Nebencharaktere.

Kurzum: "Boogie Nights" macht sehr vieles richtig, ganz wenig falsch, fällt aber aufgrund der qualitativ nahezu einzigartigen Folgewerke, hinter Andersons anderen Filmen schon fast etwas zurück - irgendwie bezeichnend für das Potential des Wunderkinds auf dem Regiestuhl, dass er damit noch immer im Ausnahme-Bereich liegt.

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