Mark Wahlberg spielt einen jungen Tellerwäscher, auf den, wegen seines großen Penis, ein bekannter Porno-Produzent, gespielt von Burt Reynolds, aufmerksam wird. Von einem jungen Pornostar, gespielt von Heather Graham, bereits früh aufgesucht, gibt er schnell sein Debüt mit einer älteren Darstellerin, gespielt von Julianne Moore, die für den jungen Mann später zu einer Mutterersatz wird. Ihm gelingen Durchbruch und Aufstieg in der Branche, auf den schließlich der Fall und der Absturz in die Kriminalität folgen.
Paul Thomas Anderson ist zweifelsohne ein Meister seines Fachs und, was auch "Magonlia" oder "There Will be Blood" bezeugen, der vielleicht beste Autorenfilmer der letzten Jahre. Und auch "Boogie Nights" ist ein beeindruckendes Drama, mit dem Anderson fesselt und berührt.
Zunächst einmal ist "Boogie Nights" sowohl als Zeitportrait, als auch als Milieustudie durchaus überzeugend. Die wilden 70er und der Anfang der 80er, zu dem konservativere, prüdere Haltungen wieder aufkamen, fließen als historischer Rahmen durchaus ins Geschehen ein, während der Einblick in die Porno-Industrie vorurteilsfrei und realistisch gerät, ohne, dass altbekannte Klischees und Stereotypen auch nur in einer Sekunde Verwendung finden würden.
Ähnlich verhält es sich mit den Charakteren, die bis zur kleinsten Nebenfiguren keinesfalls schablonenhaft oder nach dem Klischee gestrickt sind. So gelingt die Konstruktion der Hauptfigur sehr gut, der Lebenslauf des jungen Tellerwäschers, der sein einziges wirklich herausragendes Talent zwischen den Beinen trägt, die Schule abgebrochen hat und schließlich sein Elternhaus verlässt, schließlich jedoch zum gefeierten und preisgekrönten Star der Porno-Industrie aufsteigt, ist hervorragend konstruiert, genauso, wie der Fall des Stars, der den Drogen, dem Größenwahn und der sich allmählich anbahnenden Impotenz zu verdanken ist. Dass einzelne Facetten der Figur und der Handlung dabei vom realen Porno-Darsteller John Holmes inspiriert sind, gestaltet das Geschehen dabei noch interessanter.
Auch die Nebenfiguren entpuppen sich als normale Menschen, mit alltäglichen Problemen, einem nachvollziehbaren Gefühlsleben, nur, dass sie eben beim Pornofilm tätig sind. Da wäre zum Beispiel der Porno-König, der davon träumt, den "perfekten Film" zu drehen und für die Beteiligten beinahe wie der Vater einer großen Familie ist, eine jüngere Porno-Darstellerin (Graham), die gern ihren Highschool-Abschluss nachmachen möchte, ein betrogener und vernachlässigter Ehemann (Macy), eine ältere Darstellerin (Moore), die für ihre jüngeren Kollegen gern eine Art Mutterrolle übernimmt, ein Darsteller (Cheadle), der von seinem eigenen Geschäft träumt, um seine Familie zu ernähren und zwei weitere Beteiligte, die schließlich zusammen mit der Hauptfigur ins kriminelle Milieu abgleiten. Die Geschichten um die Figuren, die fast so emotional und berührend geraten, wie es bei "Magnolia" der Fall ist, sind sehr gut gestrickt und fesseln den Zuschauer über weite Strecken.
Narrativ leistet Anderson ebenfalls weitestgehend gute Arbeit. Anfangs lässt er den Film schnell an Fahrt aufnehmen, im Mittelteil ergeben sich dann jedoch ein paar kleinere Längen, da das Tempo zunehmend gedrosselt wird. Zudem scheiden sich hier die Wege der Figuren, weswegen die Erzählweise zunehmend episodischer gerät, dafür entschädigt jedoch das zunehmend dramatischer werdende Finale, das kaum besser und kraftvoller sein könnte. So fesselnd wie "Magolia" ist der Film dabei jedoch nur selten. Beste Unterhaltung kommt augrund der starken Dramatik auf jeden Fall zustande, zumal auch die eine oder andere amüsante Stelle vorhanden ist, etwa, wenn ein Beteiligter nach dem Anderen über den riesigen Penis des Nachwuchs-Stars schwärmt, während Anderson den Zuschauern den Anblick bis zum Ende schuldig bleibt.
Musikalisch ist "Boogie Nights" mit verschiedenen Songs, teilweise auch aus den 70ern und 80ern, durchaus treffend unterlegt, während die intensive visuelle Umsetzung des Geschehens von Anderson auch diesmal keinen Grund zum Mäkeln hinterlässt. Die Sex-Szenen sind dabei zurückhaltend inszeniert, wobei man Anderson hier kaum mangelnde Konsequenz unterstellen kann, denn das Gefühl, mitunter eine billige Fleischbeschau zu sehen, hätte dem glaubwürdigen und klischeefreien Werk im Endeffekt sehr geschadet.
Mark Wahlberg, der hier noch am Anfang seiner Karriere stand, zuletzt aber in "Fear" durchaus zu überzeugen wusste, spielt seine Hauptrolle souverän, ist sowohl als anfangs leicht nervöser Jugendlicher, als auch als relativ erfahrener Porno-Star durchaus überzeugend und macht auch beim anschließenden Fall des Stars eine gute, tragische Figur, die durchaus fesseln kann. Burt Reynolds passt allein schon wegen seiner Präsenz und seines unverkennbaren Charismas in die Rolle des Porno-Königs, in der er eine der besten Darstellungen seiner Karriere auf die Leinwand bringt, die vollkommen zu Recht für den Oscar nominiert wurde. Ähnlich stark ist die ebenfalls Oscar-nominierte Julianne Moore, die als Mutterfigur unter den Pornodarstellern, eine enorm emotionale Leistung abliefert, während auch Heather Graham mit ihrer etwas lasziven Art perfekt in ihrer Rolle aufgehoben ist, in der sie eine rundum gelungene Leistung vollbringt. Der restliche Cast ist mit bekannten, für gewöhnlich sehr starken Charakterdarstellern, wie Don Cheadle, Philip Seymour Hoffman, Philip Baker Hall, John C. Reilly, Louis Guzman, Alfred Molina und William H. Macy gespickt, die ebenfalls auf ganzer Linie überzeugen.
Fazit:
Neben dem unbefangenen, klischeefreien Einblick in die Porno-Branche der 70er bietet Andersons "Boogie Nights" einen grandiosen Cast auf, sowie eine gefühlvolle Inszenierung, die, ein paar Längen im Mittelteil einmal außen vor, sehr gut unterhält und fesselt. Am beeindruckendsten ist dabei einmal mehr, wie Anderson mit seinen Charakteren, die allesamt jenseits der Stereotypen oder Vorurteile, die man angesichts des Metiers durchaus hat, konstruiert sind, umgeht und, wie er mit ihren Geschichten fesselt.
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