Review

„Es gibt keine Pizza, es gibt Grünkohl!“

Der Österreicher Franz Marischka begann seine Regiekarriere im Jahre 1959 und drehte Krimis, Heimatfilme und harmlose Komödien. Zehn Jahre später jedoch stürzte auch er sich auf die neuen Möglichkeiten, die die sexuelle Revolution im Kino bot und stieß mit „Der Mann mit dem goldenen Pinsel“ (mit Edwige Fenech) und „Ein dreifach Hoch dem Sanitätsgefreiten Neumann“ in den Bereich der Erotikkomödien vor. Es folgten so einige „Lass jucken, Kumpel“- und Lederhosen-Filme, mit denen er zu einem der Hauptverantwortlichen für die fragwürdige bayrische/österreichische Verquickung von Klamauk und nackten Tatsachen avancierte. Sein letzter Film datiert auf das Jahr 1983, der berüchtigte „Sunshine Reggae auf Ibizia“, der sich diesmal in Norddeutschland bediente: am ostfriesischen Komiker Karl Dall.

„Gelobt sei, was den Motten schmeckt…“

Der ostfriesische Bauer Karl (Karl Dall, „Lass uns knuspern, Mäuschen“) schwärmt für Pop-Sternchen Linda Lou (Isa Haller, „Himbeereis und heiße Mädchen“), die seine Fan-Post eines Tages mit einer Autogrammkarte beantwortet. Daraufhin wähnt er sich persönlich eingeladen, schwingt sich auf den Sattel seines Fahrrads und reist nach Ibiza zu Linda und ihrer Managerin Christa (Olivia Pascal, „Griechische Feigen“). Als ihm nach einigen ereignisreichen Nächten das Geld ausgeht, schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch, die er jedoch allesamt schnell wieder verliert – außer jenen als Fotograf, der ihn schließlich zu einem reichen Doppelgänger führt…

„Haben Sie ein Bad genommen?“ – „Wieso, fehlt eins?“

Der Prolog spielt noch im beschaulichen Ostfriesland, wo Karl die Euter seiner Kuh Lisa sehnsuchtsvoll streichelt und dabei verliebt an Linda Lou denkt. Niemand Geringerer als Hans-Werner Olm („Zwei Nasen tanken Super“) bringt als Postbote Lindas Autogrammkarte, woraufhin Karl seine Zelte abbricht und gen Ibiza reist. Sein Schwarm entpuppt sich als Dummenblondchen, das mit seiner schrillen Lache Gläser zum Zerspringen bringt und nicht einmal selbst seine Autogrammkarten unterzeichnet. Des Weiteren bekommt man es mit dem misogynen Bernie (Chris Roberts, „Tante Trude aus Buxtehude“) zu tun, der einst schwer enttäuscht wurde und seitdem keine Frauen mehr leiden kann – obwohl sein Hof von weiblichen Nackedeis bevölkert wird. Die einfühlsame Linda-Lou-Managerin Christa tritt jedoch an, das zu ändern… Und dann wäre da noch der extrem overactende Gottlieb Wendehals, der mit seiner nymphomanen Frau Rita (Bea Fiedler, „Die nackten Superhexen vom Rio Amore“) geplagt ist sowie deren genaues Gegenteil, die prüde, um die Jungfräulichkeit ihrer Tochter besorgte Mutter der jugendliche Barbara (Jacqueline Elber, „Macho Man“).

All deren Wege kreuzen sich dann und wann, doch die Handlung ist vollkommen nebensächlich. Diverse Witze werden gerissen, Kalauer folgen auf Slapstick-Einlagen und sketchartige Szenen sowie Ostfriesen- und Kellnerwitze. Als Karl plötzlich auf seinen reichen Doppelgänger trifft, avanciert „Sunshine Reggae auf Ibizia“ zeitweilig gar zu einer Verwechslungskomödie. Angereichert und gestreckt wird die Chose mit diversen Schlagern von Wendehals‘ „Polonäse Blankenese“ bis zu Karl Dalls „Itzi Bitzi Ibiza“ sowie einigen Reggae-Anklängen. Zum Original-Soundtrack gehörte auch der Sommerhit-Hochkaräter „Sunshine Reggae“ der Dänen „Laid Back“, der aus lizenzrechtlichen Gründen jedoch leider in den Heimkino-Veröffentlichungen fehlt. Der Film vermittelt durchaus eine nicht ungefähre Urlaubsstimmung und suggeriert zeitweise, Ibiza wäre ein einziger Oben-Ohne-Strand; kurioserweise gelingt es jedoch nicht, aus der herrlichen Kulisse Ibizas stärker Kapital zu schlagen, schwelgerische Landschaftsaufnahmen o.ä. sind der statischen Kameraarbeit fremd.

Neben vielen sekundären Geschlechtsmerkmalen (will sagen: Busen) und dem Werben für freizügigere Sexualität steht und fällt Marischkas Schwanengesang natürlich mit seinem Humor, der ein Spektrum von der peinlichen Zote über „würde Fips Asmussen die Finger von lassen“ und „war lustig – 30 Jahre vor dem Film“ bis hin zu albernem Klamauk bzw. „Ist dieser Witz ihr Ernst?“ reicht. Humoristische Qualität bringt tatsächlich Karl Dall ein, der aufgrund seines Images als proletiger Töffel (und einer gewissen Genre-Vorerfahrung) irgendwie gut zu „Sunshine auf Reggae auf Ibiza“ passt, ja, mitmachen darf, ohne dass es ihm peinlich sein müsste oder seiner Karriere schaden würde. Seine Auftritte versieht er mit seiner gewohnten Selbstironie und erweckt den Anschein – so paradox das klingen mag –, als würde er seine eigene Rolle im Film karikieren, sie zusätzlich ironisch brechen, als sei ihm bewusst, in was er da hineingeraten ist.

Das verleiht dieser dadaistischen Trash-Komödie eine zusätzliche Ebene, die anderen Filmen dieser Art sicherlich abgeht. Details wie Karls Äußerung contra Stierkämpfe oder Wendehals‘ Lektüre des „Otto-Buchs“ wissen ebenfalls zu gefallen, im Gegensatz zur Unsitte, die arme Helga Feddersen („Der Pfarrer von St. Pauli“) für die Müde Pointe eine Rolle als hässliche Nervensäge spielen zu lassen, vor der die Männer Reißaus nehmen. Gerhard Heinz‘ „Lazy Loving“ wiederum macht ebenso viel Spaß wie manch anderes Musikstück und man gab sich sogar Mühe, die einzelnen Nebenhandlungsstränge jeweils im Guten aufzulösen (was wiederum die Seichtheit des Films unterstreicht). Ein Film wie „Sunshine Reggae auf Ibiza“ mag lange Zeit als Negativbeispiel deutschen Humors gegolten haben, doch scheint sich auch eine kleine, feine Kultgemeinde um ihn gebildet zu haben. In seiner irrwitzigen Melange und seiner Offenherzigkeit sowie dank der von Karl Dall bestens bekleideten Hauptrolle wirkt er heutzutage auf mich irgendwie erfrischend und unverkrampft – und ist damit meines Erachtens längst rehabilitiert!

Oder anders ausgedrückt: An einem Katersonntag mit Matschbirne auch nicht schlechter als ein durchschnittlicher Spencer/Hill-Klopfer geeignet; flach, kurzweilig und anspruchslos, dafür ungleich sexyer.

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