Ist es wirklich schon 10 Jahre her, dass "American Pie" in die Kinos kam ? - So richtig verändert hat sich seitdem im amerikanischen Verständnis von Jugendzeit, erstem Sex und der wahren Liebe, die letztlich nur einer moralisch anständigen Haltung entspringen kann, nichts. Auch die Tabus, die im bigotten Amerika besonders stark unter der Oberfläche wuchern, haben sich weiterhin gehalten und bedürfen nach wie vor des Kinos, um im gewissen Rahmen gebrochen zu werden.
Doch trotz diverser us-amerikanischer Eigenarten, kamen Filme im Gefolge von "Amerian Pie" auch in Europa immer gut an, denn die dort beschriebenen Erfahrungen haben einen weltweit generalistischen Charakter. Während dem ersten Teil der "American Pie"-Reihe noch eine ausgewogene Mischung zwischen Tabubruch und ernsten pubertären Erfahrungen gelang, überboten sich die meisten Filme in dessen Fahrwasser nur noch in möglichst zotigen Witzen. Mit "Sex Drive" kommt jetzt wieder ein Film dieses Genres in die Kinos, der aus diesen Fehlern gelernt hat. Vordergründig vor allem deshalb, weil er ganz ungeniert die Klassiker des Genres zitiert.
Die eigentliche Story, bei der es sich um ein typisches Road-Movie handelt, erzählt im Grunde die gleiche Geschichte wie "The sure Thing" (deutsch "Der Volltreffer") aus den 80er Jahren, ein Paradebeispiel für witziges und intelligentes Kino in diesem Genre. Ian (Josh Zuckerman) macht sich auf den Weg über die Strassen Amerikas, um dort ein Mädchen zu treffen, dass ihm Sex verspricht. Anders als zu den analogen 80ern hat er sie über einen Chat kennengelernt, wodurch die Unsicherheit bleibt, ob die dort offerierten Fotos auch der Person entsprechen. Sogar das Geschlecht ist fraglich.
Während "Mann" sich vor 25 Jahren noch sicher sein konnte, dass "Frau" wenigstens existiert, spielt "Sex Drive" geschickt mit den Auswüchsen des digitalen Zeitalters und geht in dieser Hinsicht noch einen deutlichen Schritt weiter als "American Pie". Einerseits kann man seinen Augen nicht trauen, weil jede Information gefälscht sein kann, andererseits steht man ständig unter Beobachtung. "Big Brother is watching you" ist gar nicht mehr nötig, wenn selbst an den entlegensten Stellen der Welt Irgendjemand mit dem Foto-Handy oder der Webcam lauert und die kleinsten Verfehlungen sofort für alle im Internet ersichtlich werden lässt. "Sex Drive" ist in seiner entlarvenden Komik deutlich bissiger als Vorbilder wie "American Pie".
Doch nicht nur der Anlass der weiten Reise zeigt Parallelen zu "The sure Thing", sondern auch die Entwicklung des Love-Interest zwischen den beiden Hauptpersonen. Denn bevor Ian mit seinem besten Freund Lance (Clarke Duke) im vom grossen Bruder geklauten GTO von 1969 zum sexuellen Ziel aufbricht, steigt ausgerechnet Felicia (Amanda Crew) noch mit ins Auto, mit der Ian seit Kindertagen befreundet ist, und in die er heimlich verliebt ist. Erfreulicherweise macht "Sex Drive" daraus kein Geheimnis und lässt die Protagonisten nicht erst Sekunden vor dem Ende erkennen, dass "das Gute so nah liegt", sondern beschreibt durchaus sensibel, wenn auch nicht besonders ungewöhnlich, die Annäherung der Beiden.
Während allerdings "The sure Thing" seine Story in ein realistisches Szenario einfügte und auf abgefahrene Witze verzichtete, erzählt "Sex Drive" auch die bekannte Geschichte vom "Loser", der noch "Jungfrau" ist, und bettet diese in eine Vielzahl auch gewöhnungsbedürftiger Witze ein, die deutlich werden lassen, dass in den USA in der "analen Phase" etwas schief gegangen sein muss. Das das hier weniger unangenehm wirkt, liegt daran, dass "Sex Drive" auf ein besonders typisches Element verzichtet - das Ablachen über sogenannte Aussenseiter. Zwar tauchen hier auch einige schräge Typen auf, aber diese gelten eher als prototypisch für einen gewissen Menschenschlag, der nicht wenig verbreitet ist.
Die Anfeindungen, denen Ian ausgesetzt ist, finden konsequenterweise ausschliesslich in seiner Familie statt, in der sein homophober Bruder Rex (James Marsden) ständig auf ihm herumhackt und sein kleiner 14jähriger Bruder ihn lächerlich macht, indem er schon ältere Mädchen abbekommt.
Schön beobachtet der Film, wie Ian aus anderer Position in dieselbe Rolle gelangt, denn er stösst ständig unbewusst seiner neuen Stiefmutter vor den Kopf, die versucht seine Sympathie zu erringen. Im Gegensatz zu "American Pie" verzichtet der Film gänzlich auf unfähige Idioten, sondern setzt im Gegenteil auf erstaunliche Fähigkeiten von offensichtlichen Aussenseitern der Gesellschaft. Die Dialoge mit Ezekiel (Seth Green) von den Amish-People gehören in ihrer sarkastischen Intelligenz zu den Höhepunkten des Films.
"Sex Drive" gelingt es, einer typischen Geschichte neue Aspekte abzugewinnen, in dem er seine Tabubrüche geschickter anwendet. Dadurch entsteht weniger der Eindruck einer übertriebenen Abreaktion, die letztendlich die moralischen Vorstellungen nur zementiert, sondern eine tatsächliche - wenn auch dezente - Demaskierung us-amerikanischer Eigenarten. Der Film wirkt trotz seiner konventionellen Liebesgeschichte weniger verlogen, auch gut daran zu erkennen, dass der große, brutale Bruder endlich auch einmal die Konsequenzen aus seinem Verhalten zieht. Dazu bleibt der Film über seine gesamte Laufzeit sehr witzig und unterhaltend (7,5/10).