November 2006 machte das Gerücht die Runde, dass Tsui Hark, frisch von den eigentlich geplanten Seven Swords Mehrteiler befreit als Nächstes auf den Spuren der Pang - Brüder Oxide und Danny wandeln sollte. Die Ankündigung mit höchst zweifelhafter Ehre bezog sich auf die Fortsetzung The Eye 3 ihrer bisher größten und auch international erfolgreich zur Verwertung gebrachten Horrorkapazität, die mit The Eye 2 und dem wenig beachteten und dann auch nur blasphemisch gescholtenen The Eye 10 sowie dem träg-plätschernden amerikanischen Remake bereits gängig ausgeschlachtet wurde. Zwischen Verlautbarung und Veröffentlichung unterzog sich das Projekt einem Wandel, der nicht nur hinsichtlich der Titeländerung eine Umgestaltung in der Plakatierung einlegte, sondern vom bereits ausufernden Wildwuchs im festgefahrenen Gruselmetier Abstand nahm und trotz des Eindringens des Unheimlichen einen gänzlich anderen Aspekt in den Vordergrund rücken sollte; auch wenn die Synopsis im Erzählkern mitübersetzt wurde – After her husband is killed in a mysterious accident, a widow is haunted by images of things she has never seen or experienced.
Das Missing in der Umgestaltung bezieht sich Weniger auf die Suche nach Etwas oder Jemandem, sondern auf das Entbehren und Begehren sehnsuchtsvoller Gefühle, auf das Einbüßen der großen Liebe und das Nachtrauern dieser glückseligen Geborgenheit elementarer Bedürfnisse. In der die Welt von Heute einen sorgenfreien Glanz erhalten hat, der das eigentliche Grau in ihr vorübergehend in ein lichtdurchflutetes Blau voller unendlicher Entspannung und seelischer Ruhe verwandelt hat.
Der Moment des aufgeräumten Wohlbehagens samt ausgleichender Regeneration als dringend benötigte Linderung sonstiger entzündlicher Prozesse im Alltag hält nur kurz an, die aufkeimende Frohmut und Lebensfülle hat nur wenige Zeit zu erblühen, bevor ein Todesfall auch der luziden Daseinsfreude den Garaus macht. Der stauende Schock des Verlustes kleidet die Szenerie erneut in die metallisch kühle Gleichförmigkeit der reizlosen Schattenseiten psychischer- und physischer Leiden und drängt die schlagartig einfallenden smaragdgrünen bis türkisen Farbschübe in die Erinnerung an eine flüchtig bessere Existenz zurück. Eine falsche Gegenwart, mit einem gefangenen Zeitpunkt, in der das Grauenhafte aus dem Jenseits Fuß fasst. Eine unauflösbare Kontroverse zwischen Schmacht und Paranoia, Drama und Mystery und Materie und Symbol. Horror mit menschlichem Antlitz:
Die Ärztin Gao Jing [ Angelica Lee ], in ihrer Freizeit leidenschaftliche Taucherin, wird eines Tages von ihrer Patientin Xiao Kai [ Isabelle Leong ] zu einer Vernissage ihres Bruders Dave Chen Guo - dong [ Guo Xiao-Dong ] eingeladen, auf der sie zu ihrem Erstaunen feststellt, dass dieser im Geheimen die Unterwasserwelt samt Gao Jing abfotografiert hat. Beide verlieben sich schnell ineinander und planen während einer Geburtstagsfeier den Tauchgang zu einer im Meer untergegangenen und dort noch vergrabenen Stadt. Zwei Wochen später bittet Gao Jing ihren Mentor Dr. Edward Tong Hok - tsz [ Tony Leung Ka-Fai ] um eine Hypnose, um das Verschwinden ihres Freundes bzw. dessen Tod aus ihren verdrängten Gedächtnis hervorzuholen. Als dies nur mehr Verwirrung bringt, Xiao Kai zunehmend merkwürdiger wird und auch Daves Freund, der Meeresarchäologe Professor Haiya Amu [ Chang Chen-Yue ] keinen Rat weiß, wendet sich die immer verstörender wirkende Frau an ihren rückfälligen Klienten Simon [ Chang Chen ]; der ihr glaubhaft versichern mag, mit seiner ebenfalls verunglückten Frau und auch mit Dave in Kontakt treten zu können. Bald haben sich die Obsessionen und die vermehrt gefährlichen Okkulterscheinungen unaufhaltsam miteinander vermischt.
Ein Medium des Unrealen, schroff wie grobes Felsgestein, windig umbrandet vom schäumendem Gischt, dass jede Behaglichkeit, Schwerelosigkeit oder andere immerfließende Idylle tunlichst vermeidet und nicht einmal in der Fantasie eine Reise in den Komfort erlaubt. Ein verstörend passiver Text voll Desillusion, mentaler Kontrolle und einem starren Prinzip abgestorbener Kommunikation, mit der gesetzten, ernsthaften, trotz einiger überaus solider Erschütterungen nicht gleich nachdrücklichen Art zu reden.
Die Abhängigkeit vom Schicksal, die Angst vor der Niederlage, der schmerzempfindliche Impuls zur Veränderung, zur läuternden Entscheidung, zur Beseitigung lähmenden Energiemangels ist dabei sowohl das Problem im Film als auch von ihm selber; Filmemacher Tsui, der neben der Regie auch als Autor und Produzent der Chiffre tätig ist, scheint ebenso einen Schwund in der benutzten Sprache der Arbeit zu erleiden wie er seine Figuren mit Defiziten, Lücken und Schwächen ausstattet. Seltsamerweise fehlt diesmal der Raum für die innere Anspannung, die Standhaftigkeit, die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Thema der Eigenschaften menschlichen Gemütes, dass trotz extremer Umstände keine Höchstleistungen seines Erschaffers, nicht einmal ungesunden Ehrgeiz, sondern vielmehr eine stark eingeschnürte Altersweisheit oder auch Müdigkeit nachlassender Passion zu verströmen hat. Dabei fehlt nicht das Verständnis für das Gleichnis emotionaler, psychologischer, gesellschaftlicher und auch ökologischer Selbstbehauptung, auch nicht die entscheidenden Blickfänge und das künstlerische Arrangement, sondern der Bestandteil seiner Individualität, die bejahende Zuneigung für die eigenen Ideen und das innere Vertrauen in die dargebrachten Aussagen und der sinnlichen Wahrnehmung.
Gerade hier, in einem anfänglich persönlich anmutendem Sujet inszeniert Tsui mit einer ungewöhnlichen Selbstdisziplin bis hin zur anorganischen Askese, er formuliert seine Bilder mit einem rezeptiven Wortschatz, dem sicheren technischen Gebrauch und auch dem Wissen ritueller Handhabung; bewegt darüber hinaus aber keine Andenken, sondern isoliert seine Ideen wie handzahm gebunden zwischen zwei Buchdeckeln, oder noch eher unter der glattpolierten Glasscheibe einer anonymen Ausstellung, an der er das Publikum nur von außen zusehen und nie richtig an das Ergebnis, das gefühlskalte Erlebnis seiner kombinierten Malerei herantreten lässt. Er präpariert eine distanzierte Versuchsanordnung über den Charakter der Person, die er am Strang bewegen lässt und den multi-perspektivischen Geisteszustand, in der er oder sie ist.
Die apathisch sureale Geschichte – eine nüchtern verzahnte Reproduktion von Johnny Tos Linger, Danny Pangs In Love with the Dead und Teng Hua-Taos The Matrimony – wandert in mehreren feinklastischen Umwegen über die Wissenschaft zum Mythos und von der Analyse zum abergläubisch Unerklärlichen als Ergänzung und Konkurrenz zugleich, um mit halbseidenen Rätseln, Drehungen und Wendungen die Visionen der Angst ebenso wie die unterschwelligen Gefühlslagen zum Hervorbrechen zu provozieren, aber als hilfloser Gedankenkomplex mit überkommener Beschränkung der Erkenntnis zu enden. Die Welt der Wünsche und Begierden kollidiert dabei mit der Sphäre der Transzendenz sowie dem Ambiente der Immanenz. Ein Wechselspiel vom Imaginären mit dem Phantastischen und Poetischen, ohne wirklich eigenständigen Ansatz, in einem der Kreativität gegenüber wohl von vornherein repressiven Umfeld, dass längst jegliche Unschuld, Anmut und damit die Fassade vor den Abgründen verloren hat.