Ein filmischer Faustschlag mitten ins Gesicht - aber keiner, wo man gerne die andere Wange noch hinhalten mag. Denn einen künstlerischen Anspruch, der die Leiden des Zuschauers rechtfertigen würde, gibt es hier leider nicht. Zwar versucht Regisseur Eric Stanze seine ganz eigene Version von fast unertragbaren Rape-and-Revenge-Streifen wie "Last house on the left" oder "I spit on your grave" zum "besten" zu geben, doch der Film krankt vor allem an einem: seiner unerträglichen Nähe zur Realität. Selten zuvor wurden dermaßen die menschlichen Abgründe derart realistisch und sadistisch intensiv dargestellt wie in diesem Film. Das hat schon fast nichts mehr mit Film zu tun - in meinen Augen jedenfalls...
Es geht um den Mehrfachmörder Leonard; als kleiner Junge von seiner Schwester verführt, von seinem Dad mißhandelt und von der Umwelt ausgestoßen, begeht Leonard bereits mit 15 seinen ersten Mord. Jetzt ist er 27 und Clara sein letztes Opfer. Dann ist sein "Scrapbook" voll - das "Scrapbbook" ist quasi ein Tagebuch - vom Opfer für den Täter. Denn Leo zwingt alle seine Gefangenen, die am eigenen Leibe erfahrenen Perversitäten und Erniedrigungen aufzuschreiben - zu seinem Vergnügen, zu seiner Lust, zu seiner Berühmtheit. Als kleiner Mord- und Strauchdieb will er nämlich nicht enden; mit Abscheu in den Augen anderer will er sich selber gehen sehen. Doch Clara die sich tapfer gegen ihn auflehnt, aber immer wieder scheitert, sieht in dem Scrapbook ihre Chance...das Eis das ihn umgibt zu brechen!
Ich weiß ehrlich nicht wie ich diesen Film beurteilen soll. Genau wie bei "Irreversibel" fällt es mir schwer einen Unterhaltungswert zu finden; einen Kunstanspruch kann "Scrapbook" definitiv nicht aufweisen - "Irreversible" meines Erachtens auch nicht, aber der Vergleich hinkt ein wenig. Denn dies ist ein Undergroundfilm eines Undergroundregisseurs. So ist alles eine Spur roher, ungeschliffener, kranker. Und das macht den Film so "gefährlich". Kann man sich bei anderen Werken noch aufgrund des Wissens das alles nicht real ist, zumindest etwas distanzieren, so ist man bei Stanze den Emotionen völlig ausgeliefert. Mit einem flauen Gefühl im Magen bin ich jedenfalls froh als der Abspann kommt; was zum Teufel habe ich die letzten 1 1/2 Stunden gesehen?
Die beiden Hauptdarsteller Emily Haack und Jeremy Wallace "spielen" derart gut und realistisch das es wirklich schon weh tut. Wallace steht das Wort KRANK beim ersten Anblick aufs Gesicht geschrieben, seine Art der Vorbereitung (er las sich über ein halbes Jahr vor Drehbeginn in die verschiedenen Memoaren geisteskranker Killer ein) tat ihr übriges. Eine wirklich ultrakranke Darstellung. Emily Haack muß diesen Mann wohl entweder abgrundtief hassen oder lieben um ihren Part zu spielen; sich vergewaltigen lassen (kommt noch intensiver als in "Irreversibel"), anpinkeln lassen, zusammenschlagen lassen - die Liste der Demütigungen ist lang und nimmt den Großteil des Filmes eins. Ihre Angst, ihre Emotionen - man leidet mir ihr mit und manches....tut verdammt weh! So weh das man teils dran ist abzuschalten. Der Schock um wessen Willen? Der nach Gier, Sensationslust oder nach purem Sadismus? Jedenfalls hier kommt der Voyour voll auf seine Kosten - abgeblendet wird nie.
Aber reicht es aus sich knapp über eine Stunde nur mit Erniedrigungen und Vergewaltigungen zu beschäftigen? Gibt es nicht noch eine Handlung mit dem Scrapbook? Die kommt auch erst nach einer Stunde, nimmt aber nicht soviel Platz ein, das sie fesseln könnte oder gar in einem wirklichen Zusammenhang zum Film steht, der eigentlich nur auf die Zurschaustellung von Folter & Qual abzielt. Dieser psychologische Kniff, eigentlich interessante Grundidee wird leider nur als Mittel zum Zweck mißbraucht und wirkt so freilich etwas aufgezwungen. Findige Seher können das Ende freilich erahnen, so das auch Spannung selten aufkommt; einzig die Hetzszene durch die Scheune ist spannend. Die Atmosphäre ist von Anfang bis Ende pessimistisch, kühl und leicht "snuffartig", was Regisseur Stanze durch Stilmittel wie Handkameragebrauch unterstreicht. Ansonsten gibt sich die Inzenierung nicht viel; Amateur halt. Und hier ist weniger diesmal auch mehr. Flugs ein paar Wochen Männerwirtschaft und fertig ist die versiffte Bude, Haupthandlungsort.
Zwar bemüht sich Stanze seinen eigenen Stempel ultimativen Terrors aufzuzeigen, doch nicht nur der Terror an sich, sondern auch eine "Seele" machen einen Film, selbst wenn er nur verstören soll, aus. Und genau das fehlt irgendwie. Oder ich habe einfach nicht solch einen Bezug zu solchen Filmen...