Alle paar Jahre ergreift ein unbescholtener junger Mann eine Filmkamera und dreht einen Low-Budget-Horror-Film mit Freunden als Ersatz einer echten Crew, der sich durch seine unabhängige Kompromisslosigkeit und seiner Verweigerung gegenüber den Sehgewohnheiten des, aufgrund des Nischendaseins eh nicht angesprochenen Zielpublikums, als ein Klassiker herausstellt. Sowohl "Tanz der Teufel" und "Blutgericht in Texas" waren solche Filme, so wie "Eraserhead" oder "Begotten". "Ice from the Sun" von Eric Stanze möchte auch ein solcher Film sein. Ist es aber nicht.
"Ice from the Sun" erzählt eine der konfusesten Geschichten der Filmgeschichte, wohl aus der Verlegenheit heraus, die Filmkritiker ansprechen zu müssen, die alles gut finden, was sie nicht verstehen: Allison, die sich gerade die Pulsadern aufgeschnitten hat, und in die Badewanne gelegt hat, wird von einer weiblichen Stimme darüber informiert, dass man ihre Seele wieder zurück in den wieder hergestellten Körper zurückschicken würde, um eine Mission zu erfüllen. Allisons Mission ist es in eine Paralleldimension einzukehren, in die ein übermächtiges Wesen alle Jubeljahre 6 auserwählte Menschen zwingt, nur um sie mit ihren Ängsten zu konfrontieren und zu töten. Dieses Wesen ist "Die Präsenz". "Die Präsenz" hieß früher in mittelalterlichen Zeiten Abraham und war der Gehilfe und Lehrling des Zauberers Ambolin, der das Paralleluniversum schuf, und es mittels dem Eis der Sonne vor den Engeln des Himmels und den Teufeln der Hölle zu versiegeln. Doch Abraham wollte mehr Macht und zerstörte Ambolin schließlich. Da sich die Mächte aus Himmel und Hölle das wüste Treiben nicht länger ansehen wollen, schicken sie nun Allison, ein Wesen aus Fleisch und Blut in jenes Reich, um den durchgedrehten, gottgleichen Magier daran zu erinnern, dass auch er einst ein homo sapiens war - das würde seine Kraft und seine Welt zerstören.
"Ice from the Sun" sieht sich aber nicht so interessant, wie er nun klingen mag. Der gesamte Film ist auf Super 8 gedreht. Dadurch bekommt der Film jenen grobkörnigen, verwaschenen Look, der irgendwo zwischen finanzieller Notwendigkeit und wagemutigen Stilmittels pendelt. Doch damit nicht genug: In der Postproduktion veränderte Regisseur Stanze das Material, beließ einige Szenen in Schwarzweiß, setzte negativierte Szenenbilder ein, beschädigt den Filmstreifen absichtlich, und, und, und. Hinzukommt der völlig unausgewogen gemixte Dialogton und ein ziemlich abgefahrenes Sounddesign - Hin und wieder hört man im Film sogar einen imaginären Uraltprojektor rasseln, so als würde man ein uraltes Filmfragment schauen. Dazu schneidet Stanze den Film wie ein Musikvideo: Möglichst auf den Rhythmus des Heavy-Metal-Soundtracks. Er schneidet separierte Szenensplitter vor und hinter ihrer initialen, chronologisch korrekten Vorkommnis und wiederholt in einem Loop verschiedene Bewegungen. Stanze war es anscheinend wichtig, dass "Ice from the Sun" einen möglichst experimentellen Look bekommt. Jedoch ist jene kreative Arbeit an der Optik an sich, noch das beste, was sein Horrorfilm zu bieten hat.
Unter den richtigen Produktionsbedingungen wäre nun vielleicht ein Industrial-Horror mit Clive-Barker- und David-Lynch-Einflüssen entstanden; jedoch hatte Stanze nicht das Geld, das in diesem Beispiel schlichtweg unabdingbar gewesen wäre, um einen anständigen Film fertig zu stellen. Während er mittels seiner Kamera versucht, auch die letzte visuelle Variation zu kreieren, ist das, was die Kamera einfängt, mehr als peinlich: Stanzes Freunde, eine Truppe aus gepiercten Heavy-Metal-Fans aus der illusionierten MTV-Generation müssen die Opfer in dem höllischen Spiel darstellen. Dabei verstehen diese Knallchargen anscheinend genauso wenig von Schauspiel, wie eine Plastikente von Atomphysik. Die größte Lachnummer ist dabei D.J. Vivona als "Die Präsenz". In seinen 08/15-Klamotten und seiner mehr als profanen Erscheinung wirkt er nicht gerade wie ein Zauberer aus einer anderen Dimension, sondern eher wie ein Fussball-Hooligan, der sich in der Tür geirrt hat.
Dank der puren Unfähigkeit der Menschen im Film (von Darstellern will ich gar nicht erst reden), Emotionen darzustellen, ihrer Rolle schauspielerischen Ausdruck zu verleihen, dem billigen, nicht mal zweckdienlichen Setdesign und der puren Sensationslust Stanzes, mit der er die gewalttätigen, oft eher mies getricksten Goreszenen bis ins kleinste, perverse Detail ausbreitet, bleibt "Ice from the Sun" eine gigantische, lächerliche Enttäuschung. Stanze ist eindeutig kein intelligenter Filmemacher. Jeder wirklich ambitionierte Regisseur hätte sich das Potential, das in der Fantasygeschichte von "Ice from the Sun" liegt, für ein Projekt in weiter Zukunft reserviert, bis er genug Ressourcen und Finanzen zur Verfügung hat, um seine Vision entsprechend auf die Leinwand zu bringen. So ist "Ice from the Sun" nur eine quälend langweilige, uninspirierte Videoproduktion, die sich in dem Moment selber von ihrem experimentellen Gedanken verabschiedet, in dem Stanze Gewalt inszeniert, damit wenigstens die Chaoten aus der Gorefraktion interessiert fühlen. Danke, ohne mich.