Review
von Con Trai
Jugenderinnerung, Lebenswerk, Visionäre Synthese mit hoch gestecktem Ziel. Die seit langer Zeit persönlichste und nicht nur deswegen, sondern auch aus logistischen Gründen schwierigste Aufgabe John Woos, der die letzten Jahren in der Dauerrotation verworfener Projekte ebenso feststeckte wie in der zeitgenössischen Reputation eines die eigene Kraft verlorenen Auftragsregisseurs. Der Ausflug von Hongkong nach Hollywood schien nicht nur von Außen die Individualität des Mannes mit Themen-, Budget- und Zensurdiskussionen zu schädigen, sondern diesen noch zusätzlich in die innere Krise unmittelbarer Abgeschlagenheit zu versetzen. Ein störrisches Festhalten an alten Ideen und Tugenden, die nicht mehr gefragt oder erwünscht waren [ Land of Destiny ], ewige Drehbuchaktivitäten und Aufstellungsplanungen, die außer lautmalerischen Ankündigungen [ Hard Boiled 2 ] weder das Licht der Welt noch überhaupt die eigentliche Konstruktion über die träumerische Entwicklung hinaus erlangten [ Le Cercle Rouge ].
Umso mehr angesichts der Strapazen vor und während dem Dreh, dem Absprung dringend benötigter Starschauspieler wie Chow Yun-Fat und Ken Watanabe für das enorm aufgebotene Budget von 80 Mio USD, dem anschließenden Hexenkessel um das Castingtreiben, verheerender Wetterumschwünge, komplizierter Truppenversorgung, Unfällen am Set und des letztlich als unumstößlich fest geltenden Starttermins vor den Olympischen Spielen ist das vorläufige Ergebnis als durchaus positive und zeitweilig vor allem äußerst intensive Überraschung technisch nahezu untadelhafter Aufführung im ästhetischen Geltungsbedürfnis zu bezeichnen. Die als verkauft und verschollen geglaubte Ambition von Woo ist trotz der Quengeleien und Quälereien des bereits August 2004 in die konkrete Startphase gegangenen und damals noch mit 36 Mio USD geplanten Projektes in beinahe alter Frische wieder spürbar, stellt sich als temporär heftiges, leidenschaftliches, wohlausgesuchtes Verlangen voll Professionalität, Tatendrang und Arbeitslust dar. Eine ausgewogene Schaffensfreude mit dem beginnenden Aufschwung Alter Ideale, aufblühendem Unternehmungsgeist und gesättigten Ausbrüchen konzentrierter Ekstase.
[The Battle of] Red Cliff, die Schlacht von Chi bi, eine Episode aus der im 14.Jahrhundert veröffentlichten "Geschichte der Drei Reiche" nach Luo Guanzhong, als episches Glanzstück der Volkskunst mit kulturellem Wert stellt für Woo die mustergültige Beschreibung seiner Moralphilosophie und somit als vollendete organisatorische Blaupause und heilige Beteuerung der Wahrheit seiner Vorstellungen oder auch Begierden dar. Ein glamourisierendes Hohelied auf die Naturnotwendigkeit der Tugend moralischer Stärke, auf Rechtschaffenheit, Loyalität, Treue, Ehre, die Festigkeit und Stärke des Willens. Innerhalb der anschaulichen Präsentation von kriegerischen Bedrohungsszenarien und der empathisch tenoralen Re-Inszenierung einer militärischen Generalstrategie im gegenständlichen Bezugssystem.
208 AD.
Nach der gewalttätigen Einigung des Nordens strebt Emporkömmling Cao Cao [ Zhang Feng-Yi ], Gründer des Wei-Reiches, die weitere Eroberung des Landes an, und beginnt mit seiner 800.000 Mann starken Truppe in den Süden, auf den Provinzgouverneur Liu Bei [ Yau Yung ] vorzustoßen. Dessen Militärberater und Ministerpräsident des Shu-Reiches Zhuge Liang [ Takeshi Kaneshiro ] bittet den benachbarten Sun Quan [ Chang Chen ], dessen Schwester Sun Shangxiang [ Vicky Zhao ] und Zhou Yu [ Tony Leung Chiu-Wai ], den Marschall des Wu-Reiches zusammen mit dessen Berater Lu Su [ Hou Yong ] um dringend benötigte Hilfe. Doch nicht nur Zhou Yus Frau Xiao Qiao [ Lin Chi Ling ], die ebenfalls im Visier des despotischen Cao Cao steht, auch die beauftragten Kommandeure Zhao Yun [ Hu Jun ], Gan Xing [ Nakamura Shido ], Guan Yu [ Ba Sen Zha Bu ], Zhang Fei [ Zang Jinsheng ] sind angesichts der vielfachen Feldunterlegenheit skeptisch.
Entsprechend der repräsentativen Fülle der Novelle selbst im Auszug und der für die Umsetzung unweigerlich erforderlichen Straffung der Dramaturgie auch abseits der in der Kultur-, in der Literaturgeschichte oder der tatsächlich vorliegenden Verhältnisse wird auch hier wie in Daniel Lees vorhergehendem Three Kingdoms: Resurrection of the Dragon die dichterische Flanke an manchen signifikanten Punkten verändert oder gekürzt. Zumeist handelt es sich um geringfügige Neuordnungen, Dezimierungen oder hilfreiche Beifügungen zum für Glaubenseiferer schon sakrosankten Urtext mit Denkmalskultcharakter.
Anders als bei Lee, der zwar auch ausdrücklich dieselbe Inspiration vom nationalen Epos im Hinterkopf hat, aber durch ein augenfälliges Revirement mit mehr Fiktionalisierung und auch mehr Beschränkung eine neue, eigentümlich extravagierende Gesetzmäßigkeit in seinem Film fern der Vorlage gewonnen hat, lassen sich bei Woo die Anfangskenntnisse des Romans viel ertragreicher, wenn denn auch nüchterner und unromantischer verwerten. Auch die generell lineare Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen, vielleicht gehandikapt durch ein überfüttertes Figurensemble und metaphorisch etwas schwächlichen Machtsprüchen, ist in der materiell geruhsam gezügelten, nur gelegentlich folkloristischen Adaption ebenso instand wie das Werk von seinen Bewegungselementen und der Komposition eines extremen Einzelfalls her erkennbar auf ein imposant überdachtes Gesamtbild menschlichen Daseins und Könnens mit einfachem Wertprädikat ausgerichtet ist. Eine Pattsituation zwischen Glorifizierung in imponierender Würde, Notwendigkeit in gefährlicher Versuchung, Fahnenstolz aus Angst vor der Schmach und dem Resultat flächendeckender Leichenberge. Zwischen Ouvertüre und Requiem. Viel Zeit zum Abwägen und Taktieren bleibt nicht.
Hinwiederum geht es weniger um die Beschreibung der feudalen Gesellschaft, weltanschauliche Auseinandersetzungen, auch nicht um sorgfältigste Charakteristik, die kritische Reflektion zum historischen Stoff oder Apologien zum aus aktuellem Anlass entsprechend subventionierten Heldenmythos, sondern nur und schlichtweg um einen ornamtentalen, zuweilen auch überlegt theatralischen Rahmen mit Lyrischen Solostellen. Einen Konflikt – das unterschiedliche Verständnis der Kontrahenten – und die Klärung dessen mit isolierendem statt analysierendem Rationalismus. Spiel und Gegenspiel in sinnfälliger Oberflächenbearbeitung im rein malerischen Konzept, mit grundsätzlich allgemeingültiger Textsicherheit, hier in beispielhaft eng begrenzter zeitlicher Dimension. Der ewige Kampf Gut gegen Böse als gewichtiges Argument im erst besonnenen Dialog, alsbald als formbeschreibende Kraft in majestätischer Haltung.
Ganz offenkundig bereits als erregendes Moment ist deswegen auch schon die Exposition im destruktiven, keine Unklarheiten zulassenden Wirken gesetzt; glühende Unruhe als die Achsen- und Weichenstelle für das noch folgende Denken und Handeln der Protagonisten und ihrer nemesisgleichen Kontrastfigur Cao Cao. Die erste großmächtige Schlachtszene nach wenigen Minuten Prolog stellt eine drakonische Absage an dessen Herrschafts- und Lebensform und gleichzeitig den Aufbruch zur Verteidigung vor und Sturz der tyrannischen Mißordnung dar. Gemäß seiner weit über das Handwerkliche hinausgehenden inszenatorischen Fähigkeiten und auch der kategorischen Überzeugung in der Richtigkeit von opernhaft ausgreifender, affirmativ umschmeichelnder Expression zelebriert Woo jede einzelne Einstellung der zwei jeweils zwanzigminütigen mörderischen Auseinandersetzungen in einer eigenwilligen Balance rhythmischer Geschlossenheit. Eine berauschend plastische Abfolge von mit Bewusstsein gepflegter, erschreckend schöner Bilder voll kreatürlicher Anmut, auf höchste Durchschlagskraft gezüchteter Sinnesreizung bis zum massigen Exzess und agitatorischer Enthemmung. Fotogenes Körperballett im feinen Blutregen. Scheinbar im Sekundentakt gelingen ihm in unterstützender Zusammenarbeit mit der Choreographie des Verbundes Corey Yuen Kwai, Deon Lam sowie Guo Jianyong, Tarô Iwashiros hochaufgeladenen, wenn auch westlich angehauchten Score plus konsequent und quasi simultan feinnerviger Kamera- und Schnittarbeit neue, poetisch abstrakte, gleichfalls den Diskurs verschärfende Akzente für die Ewigkeit. Entwaffnend spektakuläre Materialflächen in saftig gemästeter Farbschicht. Eine Aufstellung allgemeiner Postulate der schon euphorisch taumelnden Dynamik. Aktion als artifizielle Errungenschaft, als Offenbarung, aus einer anderen Vorstellungswelt.
Der pointierte Schlussvers bereitet schließlich und endlich die vollmundige Ankündigung vor, dass dies nur ein Geplänkel, die heimliche Aufrüstung, die Ruhe vor dem Sturm war. To be continued.