Da hocke ich nun also in der Kinovorstellung des „Grabmals des Drachenkaisers“, und neben mir sitzen zwei Mädels, die den entertainenden Qualitäten dieses dritten Mumie-Vehikels offensichtlich schon im Vorfelde misstrauen, haben sie sich doch mit einer großen Flasche Rotkäppchen-Sekt gerüstet, um das Drama rund um den tönernen Bösewicht ohne Richtung Handydisplay abschweifende Gedanken zu überstehen.
Der Film selbst scheint um derlei Aufmerksamkeitsbeschränkungen im Saal zu wissen und drückt einfach selbst von Minute Eins an ungefragt auf die Tube. Huschhusch führt er uns mit dem Schwippschwager von Google Earth in die Welt des alten China, in welcher es gerade dem Kaiser Han, verkörpert von Jet Li, nach der Unterwerfung aller Provinzen und dem Bau der Großen Mauer nach noch mehr Macht dürstet. Ganz klar, die Unsterblichkeit muss her, und bewerkstelligen soll das die Hexe Zi Yuan (Michelle Yeoh), die ihm und nur ihm dienstbar sein dürfe. „Schauschegwaschoschei“ oder so ähnlich tönt mir der Kaiser in meinen mitteleuropäischen Gehörgang, was, aha, der Sekt nebenan schlägt erste Wellen, auch gleich mal prompt nachgesprochen wird. Haha, Chinesisch, lustig. Weit hat’s der chinesische Film trotz allen Renommees nicht gebracht, wenn so ein paar Brocken Idiom in einem amerikanischen Blockbuster schon für Heiterkeit sorgen - wäre man versucht zu denken, wenn einen der Film nicht schon wieder mit einem netten Effekt einseifen würde: Yuan hat den Kaiser und seine Armee gerade mit dem Matschgesicht-Fluch belegt, und, während diese sich nun in authentische Terrakottakrieger-Fälschungen verwandeln und einer grausamen Zukunft als Exponate in europäischen Wanderausstellungen entgegensehen, die geheiligte Spruchrolle der Unsterblichkeit in Sicherheit gebracht. Ende Prolog. Kicherkicher.
Auftritt Brendan Fraser, der einem in seiner Rolle als Rick O’Connell tatsächlich so etwas wie einen kleinen Moment Heimeligkeit beschert, bevor dieser von seiner Frau fachgerecht wieder zunichte gemacht wird, die ja, wie allgemein bekannt, dank einer Auswechslung im Mumienbekämpfungskader nunmehr von Maria Bello verkörpert wird. Und wahrlich, bei Grapthars Hammer, was für eine Fehlbesetzung! Sich ihrer Unähnlichkeit mit der Vorgängerin vollkommen bewusst, versucht Bello gar nicht erst, deren Evey zu imitieren, sondern gibt eine Knallchargen-Vorstellung, die sich gewaschen hat. Aber dies ist auch nicht der Film, in dem so etwas von Belang wäre. Flugs geht es nach Shanghai, um dem Filius zum Ausbuddeln der antiken Garde zu gratulieren, und ihn und seine geheimnisvolle Martial-Arts-Freundin (die sich als Yuans Tochter herausstellt, hoppla, Spoiler) zwecks Teamkomplettierung zu rekrutieren.
Denn latürnich hält eine Mumie von Rang nicht still, wenn die O’Connells in der Nähe weilen. Böse chinesische Uniformgesichter sind schuld an der Wiedererweckung, eines davon sieht sogar aus wie der famose Anthony Wong, nur dass der doch wohl nicht bei so einem Kinderzirkus mitmachen würde. Muss eine Verwechslung vorliegen. Zwischendurch wird noch der mittlerweile einen Imhotep-Themenclub leitende Onkel Jonathan eingesackt, und ab geht die wilde Jagd durch Shanghais Straßen. Wir merken uns: Chinesen anno ’46 wundert gar nichts, nicht einmal kopflos-brennend dahingaloppierende Steinpferde. Und selbst John Hannas Wannabe-Oneliner werden beschwingt von den beiden jungen Damen von nebenan imitiert (die China-Theorie gehört revidiert), mit freundlicher Unterstützung von Rotkäppchen. Erwähnenswert: Der Film ist so infernalisch laut und selbst in seinen ruhigen Momenten so nervös, dass derlei Ablenkung durch Dritte überhaupt nicht störend auffällt.
Auf der Leinwand kotzt jetzt ein Yak. Bitte nicht auch noch das nachmachen, denke ich mit Sorgen um die Möblierung und meine Klamotten. Aber nein, so weit lassen die zwei es nicht kommen, und da der Film jetzt doch mal ein wenig innehält und uns das Gefühls- und Liebesleben von O’Connell Jr. näher bringen möchte (Schauspieler Ford hat immerhin schon für etwaige Sequels unterschrieben), verschwinden die beiden aus dem Saal. Klischeebruch! Wahrscheinlich sind sie Nachschub holen, das hält man ja auch nüchtern kaum aus, denn mittlerweile sind unsere Heroen auf der Suche nach Shangri-La in derartiger himalayischer Bedrängnis, dass nur noch die Yeti-Gang sie zu retten vermag. Jawoll, es gibt ihn, Reinhold, und er ist viele, und Fieldgoals beherrschen sie auch noch. Mit vereinten Kräften und unter Aufbietung sämtlicher Feinheiten amerikanischer Footballtricks wird der, mittlerweile sämtliche Elemente beherrschende Gammelschurke in ein wüstes CGI-Gemenge verwickelt, an dessen Ende die aus Cohens Glanzstück „xXx“ bekannte Lawine ein Cameo hinlegt.
Vielleicht taucht ja auch noch Vin Diesel auf, orakele ich das Wunschdenken des mittlerweile wieder im Saal befindlichen, und mit frischen Spirituosen versorgten Kichererbsenduos voraus. Doch der Babynator bleibt uns glücklicherweise erspart (was nicht heißt, dass Cohen nicht auch ein illegales Straßenrennen hätte einbauen können, nach der Yeti-Sache scheint nunmehr alles möglich).
Das sagenumwobene Shangri-La selbst sieht dann bei Erreichen echt schnieke aus, doch bevor man das Lob an die aufopferungsvollen Damen und Herren der Special-Effects-Abteilung geistig ausformuliert hat, ist Derwisch Cohen schon wieder weiter gekreiselt, was im Übrigen symptomatisch für seine gesamte Arbeit ist: Kein Set, keine Einstellung ist schön genug, als dass sie mehr als vier Sekunden für sich beanspruchen darf. Es gibt noch viel zu sehen, getrödelt wird nicht, wenn der große Gleichmacher Cohen sowohl Nebendarsteller, Kreaturen als auch veritable Weltwunder in den Rang eines Wimpernschlags erhebt. Alles irgendwie Action, aber auch irgendwie egal. Mit Geduld, Spucke und viel Wohlwollen kann man so etwas auch Regiestil nennen. Welcher kompletten Bankrott anmeldet, wenn es an das Duell der beiden Legenden Yeoh und Li geht. Ohne Störung einer erkennbaren Choreographie quetscht sich die Handkamera zwischen die Schwerter der beiden Kontrahenten, der Schnitt erledigt den beschleunigenden Rest, denn wer vertraut schon auf die Fähigkeiten zweier ausgebildeter Kampfsportprofis? Cohen zumindest nicht.
Derweil die obligatorischen CGI-Armeen vor der Tempeltür aufeinanderprallen, wird drinnen noch mal Rabatz gemacht. Hier fällt auf, dass das Drehbuch der beiden „Spider-Man“-Autoren Gough und Millar nicht unbedingt das Schlechteste sein muss, da der rote Faden der Vater-Sohn-Geschichte sogar noch seine Entsprechung in einer Action-Sequenz findet. Es bleibt Spekulation, denn Rockin’ Rob ist in Gedanken und Schnitt natürlich schon wieder weiter. Wofür der nur die ganze Zeit so gehetzt hat, fragt man sich, wenn der Film ohne eine längere Szene einfach mit einem da-geht-noch-was-Witz beschließt. Der auch noch mit Texttafel erklärt wird, hier wird niemand im Unklaren gelassen, danke, Rob.
Das Saallicht geht an. Flott war es ja, unterhaltsam und nicht einen Funken anspruchsvoll. Alles wurde vorgekaut, Zeit zur Besinnung war nicht gegeben. Die Mädels sind schon längst gegangen, haben sich den kompletten Showdown erspart. Verdenken kann man es ihnen nicht, Respekt vor dem Werk des Regisseurs kann ja nun kein ausschlaggebender Faktor sein, denn Cohen hat eben knappe zwei Stunden bewiesen, wie egal ihm alles ist. Und man kommt unweigerlich wieder zur Henne-und-Ei-Frage: Haben diese Filme das Publikum, das sie verdienen, haben sie es sich herangezüchtet, bedienen sie es schon im vollen Bewusstsein mit heruntergeregeltem Nährwert? Wird das alles künftig noch viel, viel schlimmer werden? Rob Cohen würde mir sicherlich antworten, dass doch eh alles wurscht ist. Na dann, Stößchen.
Die GALA-Wertung:
FLIRTCHANCEN: 4 von 5 Sektgläsern
CATERING: Das Popcorn war in Ordnung.
OOPS...: Zwischendurch immer noch genug Zeit gefunden, Rachel Weisz zu vermissen.