Die Klasse
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Inhalt:
In dem Kinofilm „Die Klasse“ wird der Lehrer Francois Marin (François Bégaudeau) ein Schuljahr lang in einer Problemschule in Paris begleitet. Der im Mittelpunkt des Filmes stehende Lehrer ist mit dem Schullalltag in Paris (TV Spielfilm) konfrontiert. Der Film lässt den Zuschauer die Hierarchischen Strukturen der französischen Schule entdecken, die sich in den Rollen der Lehrer und Schüler wiederspiegelt. Ferner treten in „der Klasse“ verschiedene Spannungsfelder auf die sich gegenseitig bedingen (Kultureller Hintergrund, Ethnischer Hintergrund, Sprache, Rollenkonflikte, Religion, der Nationalstaat, Gerechtigkeit, Gleichheit, Gewalt, Wohnraumpolitik, Normen und Werte, Schularchitektur). Da nicht alle Themen in einem Spielfilm behandelt werden können, erfährt der Zuschauer einen dramatischen Strang der sich schließlich in einem Konflikt zwischen dem Lehrer Francois und „der Klasse“, innerhalb dieser Schule äußert.
Charakteristik:
Zunächst werden dem Zuschauer in dem Film die Lehrer, die sehr kollegial miteinander umgehen, mit Ihren Erfahrungen und den Fächern die sie unterrichten vorgestellt. Danach gibt es einen ersten Überblick über die Schüler, deren Sprachkompetenz. Der Lehrer klärt mit Schülern im Altern von c. 13 – 15 Jahren Wörter die im Text vorkommen und nicht verstanden werden. Dabei bezieht sich das Verständnis nicht unbedingt auf den Verstand, sondern vielmehr auf den Sprachschatz und dessen Anwendbarkeit. „Ja sehr gut, Geistreich – auf das Wort kommen wir später noch zurück“. Die Sammlung geht weiter „Herablassung“, „Agenterie“, dann der Lehrer „was ist das, irgendeine Idee?“. Daraufhin antwortet der Schüler „... sind das die Einwohner von Argentinien?“ Der Lehrer fragt den Schüler, „wie heißen die Einwohner von Argentinien?“ – „Na Argenteries“, die Klasse lacht und auch der Lehrer kann sich ein schmunzeln nicht verkneifen. Der Lehrer versucht das Wort von einer anderen Seite zu erschließen. „Du guckst doch Fussball? – das Team Argentinien, wie heißen die Spieler?“ Daraufhin antwortet der Selbe Schüler „Na Fussballer“. Der Lehrer „Na gut – weitere schwierige Wörter?“. Dieser kleine Dialog beschreibt zum einen die Schwierigkeit der französischen Sprache und auf der anderen Seite den Wortschatz der Schüler. Für den Lehrer ist es selbstverständlich, dass man weiß wie die Einwohner von Argentinien genannt werden. Doch der Schüler hat dies nicht gelernt und macht deshalb einen Fehler. Trotzdem bemüht sich der Lehrer dem Schüler eine Brücke zu bauen und benennt ein Beispiel aus der Lebenswelt des Schülers. Irgendwie ist es auch klar das hier der Schüler scheitert, denn es liegt nicht an mangelnder Kompetenz, dass er es nicht weiß, sondern schlicht einfach daran, dass er in der für ihn fremden Sprache es nicht weiß. Trotzdem bricht der Lehrer, auch aufgrund der Lacher aus der Klasse ab. Denn die Schüler werden unruhig und es könnte passieren, dass die bisher gute Arbeitsatmosphäre gestört wird. Diese Sprachproblematik spiegelt sich in den Szenen des Films immer wieder. Vor allem deutlich wird dies dann später noch in den Szenen in denen der Lehrer Elterngespräche führt. Der Zuschauer darf hier zugucken und erleben, welche Welten hier aufeinander treffen.
Nachdem der Zuschauer erfahren hat, dass die Schüler nicht „perfekt“ sind zeigt der Film aber auch, dass die Lehrer eben auch nur Menschen sind, die Bedürfnisse haben und für die Themen wie Respekt und Achtung eine gewichtige Rolle spielt. Ein besonderes Beispiel für die „Vermenschlichung“ der Rolle des Lehrers bietet die Lehrerkonferenz, welche sich zunächst mit den Schülern und den „Problemen“ in der Klasse, Schule beschäftigt. Als Vorschlag gilt eine Form von Sanktionsmaßnahmen, ein „Punktesystem“ welches diskutiert wird. Die Schüler starten mit 6 Punkten und wenn man bei Null angelangt ist tritt ein Disziplinarausschuss in Kraft. Eine Elternvertreterin meldet sich „ich stelle fest, dass hier an dieser Schule immer nur von Sanktionen gesprochen wird, aber niemals versucht wird zu motivieren.“ Daraufhin eine Lehrerin „aber die Schüler motivieren sich selbst, durch gute Noten, dadurch das sie in höhere Klassenstufen kommen und wir motivieren sie in Klassenkonferenzen, durch Ehrenpreise ...“. Die Lehrer nehmen hier sofort eine Konfrontationsposition ein, die im Moment keinen Raum für Offenheit und Diskussion lässt. Damit schieben sie den schwarzen Peter automatisch zu den Schülern, die letztlich selbst verantwortlich sind wie es ihnen auf der Schule ergeht. Daraufhin wird die Idee diskutiert. „Nehmen wir mal an jemand hat 34 Punkte gesammelt, wenn wir auch für gutes Verhalten Punkte verteilen – das gäbe dann einen enormen Spielraum für schlechtes Verhalten (...) das schafft einen Raum von Straflosigkeit. Das recht gefährlich ist, dass ist für mich die typische gute Idee die falsch ist“ Daraufhin meldet sich der Lehrer „in diesem Fall findet wir vielleicht eine Form von Sanktion die es ermöglicht, alle Punkte auf einmal abzuziehen.“ Die Lehrer gehen schon von einem erwartet schelchten Verhalten, an den gesetzten Normen aus, deshalb sehen sie sich mit „Bonuspunkten“ um eine Möglichkeit der Strafe beraubt. Die Wortmeldung der Elternvertreterin (in der Minderheit), scheint hier nicht die Beachtung zu finden, wie sie sich wünschen. Folgt man der Szene weiter, kommt das Thema Regel auf und der Sinn in dem sich längst nicht alle einig sind. Auf der einen Seite „wenn du eine Regel aufstellst, dann müssen auch alle Schüler gleich an ihr behandelt werden“. So ein Lehrer, daraufhin entgegnet Francois mit dem Wort „Spielraum“ und erklärt warum er glaubt dass man Regeln auch als Lehrer auslegen darf. Was hier im Subton mitschwingt ist zum einen der Sinn von Regeln und zum anderen aber auch wenn es schon Regeln gibt die willkürlich subjektive Auslegung dessen. Doch dies wird vom Schulleiter abgewiegelt „ich weiß ihr würdet gerne bis 00.00 Uhr weiter sprechen“ (allgemeines schmunzeln) „aber das geht nicht, wir haben auch andere wichtige Themen zu besprechen“. „Insbesondere ein sehr sensibles Thema und zwar den Kaffeeautomaten der neu angeschafft wurde“ (allgemeines schmunzeln) eine Lehrerin entgegnet „ja, ja, ja das Thema ist sehr sensibel (...).“ Das Ende des Themas, welches sich mit den Schülern beschäftigen soll durch den Vorsitzenden der Konferenz deutet auf mehreres hin. Meine Interpretation ist, dass die Lehrer sich mit einer Art Ohnmacht konfrontiert sehen und deshalb selbst keine Ahnung haben wie man dies strukturell lösen kann. Beziehungsweise man dies auch nicht will. Auf der anderen Seite zeigt es auch, dass die Lehrer genauso „menschlich“ sind und Bedürfnisse haben mit denen sie zu kämpfen haben, auch wenn es sicherlich hier in ironischer Weise der „Kaffeeautomat“ ist. Dennoch bleibt dem Zuschauer nichts anderes als selbst darüber nachzudenken wie er dies beurteitl. Der Eindruck, dass die Lehrer sich hier einfach aus der Affäre ziehen haftet, für mich jedoch an dieser Szene sehr stark.
Im Vorfeld des nächsten Themas das ich beleuchten möchte war die Klassenkonferenz an denen die Lehrer und auch zwei Schülervertreter teilgenommen haben. Es geht zum Ende des Schuljahres darum sogenannte Empfehlungen dokumentarisch zu verwahren. Es beginnt damit, dass die Vertreterinnen den Schülern Informationen weitergegeben haben. Doch der Lehrer Francois hält dies nicht für richtig, er glaubt das es sich so gehört, dass was da besprochen wurde auch in dem Raum bleiben sollte – „egal“ was und wie da die Argumente ausgetauscht werden sollten. Ein Schüler Souleymane (Franck Keïta) stellt eine Frage: „Hey Misièu, angelblich, auf der Klassenkoferenz gestern mein ich, haben sie mich heruntergeamcht.“ (...) der Lehrer tadelt zunächst und behauptet seine Position „was heißt das Sie haben mich runtergemacht?“ „Naja runtergemacht halt“. Der Lehrer erklärt sich nun „Naja – es gibt Leute (...) die sagen wenn Du so weiter machst, zu denen ich nicht gehöre, dass Du dann Ärger bekommen könntest.“ Der Lehrer spricht im Konjunktiv, so als stünde noch nichts fest und nimmt sich aus dem Konflikt heraus. Daraufhin der Souleymane „bei allen Lehrern – es geht immer nur um Rache – ich check`s nicht“. Also der Schüler versucht zu erklären, dass wenn ihm Strafe angedroht wird, dass es sich doch um Rache handle. Der Lehrer entgegnet ihm „wir sind doch hier nicht auf der Straße“ wir verwarnen hier nur. Doch die Frage nach einem Schauplatz auf der Straße stellt sich unmittelbar. Würde der Lehrer vielleicht wenn er sich persönlich angegriffen fühlt anders handeln? Würde der Schüler anders handeln? Auf Beide, das wird im Laufe des Films klar, müssen ein Verständnis füreinander entwickeln. Auf jedenfall zeigt es aber auch, dass die Entscheidungsgewalt hier einseitig verteilt ist. Der Lehrer führt weiter aus: „Es geht uns nicht um Rache – wir müssen ein wenig Disziplin durchsetzen. Wenn ein Richter jemanden verurteilt, dann geschieht dies nicht weil er sich rächen will, sondern dann sorgt er einfach nur dafür das die Gesellschaft funktioniert“. Für den Lehrer ist die Gewaltverteilung eindeutig, er ist in der Position des Unterdrückers und des Rechts. Er ist die Legislative und Executive zugleich. Er hat den Wissensvorsprung und auch die Sprachkompetenzen Dinge differenziert zu erklären. Der Schüler hat dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Er hat die Erkenntnis gewonnen, dass er ungerecht behandelt wird und versucht sich zu wehren. Der Lehrer reagiert beleidigt „glaubst Du das ich nichts besseres zu tun habe als Dich herunterzumachen!“ Eine Schülerin meldet sich, gestern haben sie ihn als „beschränkt“ tituliert. „Sehr gut, sehr gut“; Francois wirkt in diesem Moment etwas hilflos, kann sich aber auch nicht von seiner Unterdrückerolle losmachen und erkennen, dass er womöglich – auch wenn er glaubt den Kindern „nur helfen zu wollen“ trotzdem auch, wenn wohl in guter Absicht, Fehler macht die zu ernsthaften Konflikten führen. „Ich weiß nicht Esmeralda als Schülervertreter, seid ihr damit beschäftigt diese zu vertreten oder die Schüler gegen mich aufzuhetzen?“ Sie entgegnet: „Wir erfüllen unsere Rolle“. Der Konflikt gleitet spätestens jetzt von der Sachlilchen Ebene in die persönliche „ ihr habt gestern ständig gekichert und das hat mir ein bisschen weh getan“. (...) ein Wortgefecht zwischen der Schülervertreterin und dem Lehrer folgt. Der Lehrer vergisst sich und entgegnet „Es tut mir leid, aber sich so in der Klassenkonferenz zu benehmen, dass tun für mich nur Schlampen“. Der Lehrer versucht zu relativieren. Die Schüler checken das und wiedersprechen natürlich heftig. Souleymane regt sich auf „ Du Looser sprich nicht so mit mir“ (...) „wir können vor die Tür gehen wenn Du willst“. Er steht auf und verletzt eine Schülerin, hört nicht auf den Lehrer. „Du Wixer“ sagt der Schüler und er muss den Lehrer in zum Rektor begleiten. (...)
Kritik:
Der Film „Die Klasse“ schafft es viele Ebenen innerhalb der Schule zu beleuchten. Alle handelnden Personen erscheinen hier als fragwürdig, Sowohl die Lehrer als auch die Schüler und aber auch die Schulleitung. Dennoch zeigt der Film auch, dass nicht alle immer die gleiche Rolle spielen. Es gibt Schüler für die man mehr und weniger Sympathie hegt, genauso ergeht es einem bei den Lehrern. Der Mikrokosmos Schule wird sehr gut wiedergespiegelt und trifft sehr gut die Situationen die in einer Schule mit solchem Konfliktpotential auftreten können. Gut ist sicherlich auch, dass viele Themen angesprochen werden, aber der Film seinen roten Faden behält. Insgesamt wird das System Schule in Frage gestellt, von Szene zu Szene kann der Zuschauer immer mehr zu der Erkenntnis kommen, dass die Bedingungen die hier vorherrschen keinem gerecht werden. Die Lehrer sind keine Monster, ebenso wenig die Schüler. Doch letztlich ist auch klar geregelt wie man mit bestimmten Situationen umzugehen hat und das ist sympathisch an dem Film dass er nicht mit einem Happy End endet.
Fazit:
Ein Film der es schafft den Mikrokosmos Schule sehr gut zu beleuchten, aber keine Lösung aufzeigt. Es liegt jetzt bei dem Zuschauer den Film hinzunehmen oder sich dafür stark zu machen etwas zu ändern.