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Next Level VR Sh*t

Es hat einen Grund, warum Erinnerungen verblassen. Das ist eine der Hauptaussagen von "Strange Days", einem oft zu unrecht übersehenen Cyber-Thriller der Extraklasse. Nach einem Script von ihrem damaligen Mann James Cameron, realisierte Kathryn Bigelow eine spektakuläre Zukunftsvision, die sich mittlerweile näher anfühlt als je zuvor. Es geht um einen High-Tech-Kopfaufsatz, mit dem man aus der Ich-Perspektive Erinnerungen anderer Menschen durch seine Augen und Sinne laufen lassen und so nach erleben kann. In einer Welt kurz vor dem Ende des zweiten Jahrtausends, in der Chaos, Gewalt und Realitätsflucht regieren, ist diese Erfindung Fluch und Segen zugleich. Erst recht wenn ein perverser Mörder seine Spielchen mit der neuen Technik in ungeahnte Höhen treiben kann...

Man kann es während des Abspanns kaum glauben, dass das fast zweieinhalb Stunden gewesen sein sollen. "Strange Days" packt einen, nimmt Tempo auf und lässt sich nicht mehr aufhalten. Spannend, pulsierend, innovativ, mit dem ganz besonderen Millennium-Vibe, schon fünf Jahre vor dem eigentlichen Event. Die Idee gab es zwar ein dickes Jahrzehnt vorher schon in "Brainstorm", nur eben ein ganzes Stück lahmer. Cameron weiß, wo und wie er klauen kann. Die Ego-Sequenzen sind atemberaubend, Juliette Lewis und Amanda Bassett sind talentierte Firecracker und Bigelow holt alles aus ihrer Regiearbeit raus. Cameron plus Bigelow war damals ein unschlagbares Team. Und "Strange Days" fühlt sich noch immer seiner Zeit voraus an. Ein ansteckender Ritt in das Kommende und auf der Rasierklinge. Geht ab wie ein Zäpfchen. Über das Loslassen und Begrüßen der Zukunft. Warnend und faszinierend.

Fazit: der beste Millennium Film kam fünf Jahre vorher... "Strange Days" treibt die "Brainstorm"-Idee stylisch auf die Spitze und ist ein Lieblingsfilm, den man ewig etwas unterschätzt. Die Zukunft ist jetzt. Und ziemlich düster. Bigelow ist die beste Regisseurin, die Hollywood je hatte. 

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