Ich erinnere mich noch genau, was für ein Hype vor dem Millenium gemacht wurde. Manche dachten die Welt geht unter, einige es würde nun alles besser werden, viele waren auch der Ansicht die Computer würden erheblichen Schaden davon tragen und es gab sogar welche die glaubten ein UFO würde landen. Danach Enttäuschung und aufatmen, der alte Trott ging trotz der großen "Zwei" weiter. James Cameron (The Termonator, Titanic) machte sich über das Millenium schon fünf Jahre vorher seine Gedanken. Zusammen mit Jay Cocks (Gangs of New York) präsentiert er uns eine Story mit Science Ficton Elementen, die jedoch gleichzeitig erschreckend real wirkt. Seine damalige Ehefrau Kathryn Bigelow (Gefährliche Brandung, Tödliches Kommando) übernahm die Regie. Cameron investierte als Produzent 42 Millionen Dollar in diesen Sci-Fi-Thriller.
Der Countdown läuft, nur noch zwei Tage bis zur Jahrtausenwende. Der Ex-Cop Lenny Nero (Ralph Fiennes) vertickt fleissig seine Droge. Ein vom FBI entwickeltes System, wo man die Empfindungen anderer Menschen auf sich übertragen kann. Von seiner Bekannten Iris (Brigitte Bako) bekommt er ein Video zugespielt, welches einen grausamen Mord enthält. Kurze Zeit später wird Iris von einem Killer ermordet. Der Killer hinterlässt eine Botschaft für Lenny. Mit Hilfe von Mace (Angela Bassett) und Kumpel Max (Tom Sizemore) kommt Lenny einem Komplott auf die Spur, welches die gesamte Welt verändern könnte.
Der erhoffte Erfolg im Kino blieb aus, dabei stellt "Strange Days" sogar noch heute ein fesselndes Erlebnis da. Cameron ist es hier tatsächlich gelungen, mehr aus einer eigentlich einfachen Story zu machen. Im Grunde genommen geht es nur um den Mord am Rapper Jeriko One (Glenn Plummer) und einen psychopatischen Mörder, der Lenny immer Botschaften hinterlässt und somit den Verdacht immer mehr auf den Ex-Cop lenkt. Wäre da noch Lennys ehemalige Freundin Faith (Juliette Lewis), welche nun als Sängerin Karriere macht und mit dem dubiosen Produzenten Philo Gant (Michael Wincott) zusammen ist. Aus diesen Elementen zaubert Cameron eine Story, die viele Überraschungen parat hält. Nur aus Zufall gerät Lenny in diese Zugmühle aus Korruption und Mord.
Dabei kann er sich stets auf Freundin Mace verlassen, die ihm nicht nur einmal das Leben rettet. Bigelow setzt hier weniger auf Action, obwohl davon einiges vorhanden ist. Shootouts, Prügeleien und Verfolgungsjagden. Meist recht kurz gehalten, aber immer knackig inszeniert. Manchmal wünscht man sich ein bisschen mehr Action, aber die Atmosphäre und Spannung entschädigt für Vieles. Allein schon die Idee mit dieser High Tech Droge ist der Hammer. Durch eine Elektrokonstellation auf dem Kopf und einer Disc, kann man das Erlebte anderer Menschen nachempfinden. So kommt es, dass Lenny beim Mord von Iris live dabei ist und dem Mörder bei seiner Arbeit öfters über die Schulter schauen kann. Wer der geheimnisvolle Mörder ist, erfährt man erst ganz zum Schluss. Wer genau aufpasst, kann es sich schon vorher denken.
Im Finale laufen dann geschickt alle Fäden zusammen und man sieht sich mit der Realität konfrontiert. Etwas so einfaches, kann eine Katastrophe anrichten und die muss abgewendet werden. Dank Bigelows spannender Inszenierung ist " Strange Days" nie langweilig, obwohl das Tempo in einigen Passagen sehr gemächlich ist. Hinzu kommen auch die überzeugenden Darstellern, allen voran Ralph Fiennes, dem ich so eine Rolle gar nicht zugetraut habe. Sein Charakter Lenny Nero ist eigentlich ein totaler Loser. Immer pleite, viel auf andere angewiesen, doch im Verkauf seiner High-Tech Droge ist er ein Ass. Aus dem Polizeidienst ist er damals rausgeflogen, leider geht man zu wenig auf die Beziehung zwischen ihm und Faith ein. Auch warum Mace eine so gute Freundin von ihm ist, wird zu kurz erwähnt. Lenny Nero ist nur ein kleiner Mann, der im Film viel einstecken muss und erst am Ende zu großer Form aufläuft. Ralph Fiennes macht einen großartigen Job und spielt sogar Michael Wincott als schmierigen Produzenten Philo Gant an die Wand. Angela Bassett steht die harte Frauenrolle sehr gut und Juliette Lewis spielt überzeugend die Sängerin Faith. In weiteren Rollen versteckt sich noch viel Prominenz, wie Tom Sizemore, Glenn Plummer, Vincent D´Onofrio und Kelly Hu hat einen Miniauftritt.
Auf jeden Fall darf die großartige Kulisse nicht vergessen werden. Los Angeles präsentiert sich hier in keinster Weise als futuristisch, sondern als düster und gefährlich. Überall Aufstände und Kriminalität. "Strange Days" spielt größtenteils bei Nacht, was die Intensität noch verstärkt. Man kommt sich fast vor wie in den 80er Jahren. Clubs, schmierige Kneipen, dunkle Hinterhöfe, Fabrikgebäude und viele Nebelmaschinen. Dazu den schlichtweg brillanten Score von Graeme Revell, der an Vielseitkeit kaum zu toppen ist.
Ein wenig mehr Action und ein paar Hintergrundinfos mehr und "Strange Days" wäre perfekt geworden. Ansonsten besteht nämlich kein Grund zur Klage. Die düstere Atmosphäre, ein genialer Score, Hochspannung und überzeugende Darsteller sorgen über zwei Stunden lang für fesselnde Unterhaltung. Bigelows stärkster Filmbeitrag bisher.