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Wie wäre es, wenn du deine Erinnerung für immer behalten könntest? Oder noch besser: Wie wäre es, wenn du die Erinnerung eines Fremden nachvollziehen könntest? Die Grundidee von "Strange Days" ist gleichermaßen simpel als auch raffiniert gewählt und wird in eine kalendarisch zwar überholte, aber stimmige und angenehm überdrehte Zukunftsversion transportiert.

Atmosphärisch gelungen ist der Streifen allemal, die Sets sind düster und wirken authentisch; die Bilder, die uns Regisseurin Kathryn Bigelow vorsetzt, sind eindrucksvoll. Schon die Eingangsszene, in der der erste Squid-Traum aus der Ego-Perspektive verfolgt wird, weiß zu überzeugen. Doch "Strange Days" ist nicht nur optisch fesselnd, auch der Plot hat es in sich. Zunächst gerät der Stein des Anstoßes nur langsam ins Rollen, macht aber nichts, schließlich erhalten wir genug Zeit, uns mit den Charakteren anzufreunden. Nach einer guten halben Stunde überschlagen sich die Ereignisse und der Zuschauer kommt in den Genuss eines spannenden Sci-Fi-Thrillers mit wohldosierten Actionanteilen. Die Spannung bleibt fast durchgehend auf hohem Niveau, gegen Ende nehmen allerdings einige Indizien die Auflösung etwas vorweg.

Die letzten 20 Minuten des Films sind die Achillesferse eines bis dato überdurchschnittlichen Werkes. Die Auflösung pendelt sich irgendwo zwischen gekonnter und gezwungener Raffinesse ein, der anschließende, actiongeladene und nach Plotaufschlüsselung etwas überflüssig gerate Showdown zieht sich in die Länge, der Aufstand der schwarzen Bevölkerung löst sich im Nichts auf. Die verzweigten Handlungsstränge, die die ersten zwei Stunden grandios überbrückt haben, scheinen die Regisseurin zum Schluss überfordert zu haben. immerhin: Das hollywoodmäßige Happyend stört gar nicht mal so sehr, die Gefühlsduselei wird auf ein nötiges Maß beschränkt und entspricht dem Verlauf der nervenaufreibenden Silvesternacht.

Zweiter Kritikpunkt, der den Gesamteindruck schmälert: Sämtliche Figuren werden vom Cast überzeugend dargestellt, allerdings kranken die Dialoge an der Brachial-Coolness des Drehbuchs. Zwar sind einige Aussprüche des Anti-Helden Nero (gespielt von Ralph Fiennes, eine seiner besten Rollen) kultverdächtig, aber andererseits möchte man einige Satzfetzen schlichtweg überhört haben - sie verleihen dem Film stellenweise einen leicht dümmlichen Touch.

Fazit: "Strange Days" ist ein Sci-Fi-Action-Thriller, der mit einer stimmigen Atmosphäre, gut aufgelegten Schauspielern, einem spannenden Plot sowie einigen kritischen Zwischentönen (Rassismus, Ehtik) überzeugen kann. Das halbgare Finale und einige Fehltritte in Sachen Dialoge und Humor trüben den absoluten Filmgenuss. Nichtsdestotrotz ein Streifen, der definitiv mehr Beachtung verdient hat. 7,5/10 Punkte.

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