Review

Gesamtbesprechung

Mit „Alias“ und „Lost“ hatte J.J. Abrams zwei Hitserien geschaffen, mit „Mission: Impossible 3“ im Kino Fuß gefasst und im Anschluss konnte er mit „Fringe“ einen weiteren Erfolg verbuchen, der es auf immerhin fünf Staffeln brachte.
Kreiert wurde die Serie allerdings von Alex Kurtzman und Roberto Orci, denen Abrams hier unter die Arme griff. Es geht um die Fringe-Division des FBI, zu der die Agentin Olivia Dunham (Anna Torv) stößt. Da ein unerklärtes Massensterben an Bord eines Flugzeugs nur mit Hilfe des brillanten, aber in der Klapse sitzenden Wissenschaftlers Walter Bishop (John Noble) aufgeklärt werden kann, macht sie dessen Sohn Peter (Joshua Jackson) ausfindig, da nur der ihn auslösen kann – obwohl er sich von seinem Vater entfremdet hat. Zusammen mit der Agentin und Laborassistentin Astrid Farnsworth (Jasika Nicole) und unter der Leitung des Chefs Phillip Broyles (Lance Reddick) löst das ungleiche Trio von da an Fälle, die immer wieder über die bekannte Welt hinausgehen.
In der ersten Staffel funktioniert dies dann weitestgehend noch nach einem Fall-der-Woche-Schema, auch wenn die Season schließlich doch alles auf einen Punkt und einen Gegner zusammenlaufen lässt, doch in den Folgestaffeln erzählt „Fringe“ deutlich geschlossener und episodenübergreifender – teilweise auch mit fiesen Cliffhangern zwischen den einzelnen Staffeln. Hauptaugenmerk liegt bei all den wissenschaftlichen Phänomenen vor allem auf einem Paralleluniversum, das einer unterschiedlichen Zeitlinie folgt, da einzelne Figuren hier andere Entscheidungen trafen als die in „unserem“ Universum, später noch weiter kompliziert durch eine alternative Zeitlinie in „unserer“ Zeit sowie Zeitreisen. Es ist erfreulich, dass „Fringe“ trotz all dieser Komplexitäten den Zuschauer noch den Überblick über das Geschehen behalten lässt, wobei die visuelle Gestaltung des Vorspanns eine clevere Hilfe ist: Unterschiedliche Farbgebungen und Logo-Designs erklären, in welchem Universum oder welchen Universen und zu welcher Zeit die Geschichte der aktuellen Episode spielen wird.

Natürlich knarzt da hin und wieder ein wenig die Logik im Gebälk, doch insgesamt erzählt „Fringe“ eine erfreulich kohärente Geschichte, die sich auch um komplexere Figuren bemüht: Wenn Personen aus den Paralleluniversen erst gegen-, später miteinander arbeiten, dann bricht das mit klassischen Gut-Böse-Schemata, vor allem, wenn die Konfrontation mit dem anderen Ich Einsichten über den jeweiligen Charakter selbst zutage fördert. Neben offiziellen Behörden beider Universen mischen auch Terroristen, Verschwörer und weitere Interessengruppen mit sowie eine als Observer bezeichnete Gruppe zeitreisender grauer Herren, welche den jeweiligen Zeitverlauf in jedem Universum „korrekt“ halten wollen. Genau dies ist allerdings auch einer der großen Schwachpunkte von „Fringe“: Wenn die Observer (zumindest zum Großteil) in der dystopischen fünften Staffel zu Feinden erklärt werden und bekämpft werden müssen, so irritiert zum einen der Ausbruch aus dem bekannten Gegenwartsszenario mit den klaren Behördenstrukturen hin zu einem Sci-Fi-Setting, in dem die Helden als Untergrundkämpfer agieren. Zum anderen allerdings werden die Fähigkeiten der Observer vom Drehbuch so gebogen, wie es gerade sein muss, wodurch der Motor stottert: Mal überwichtig und allwissend, mal leichte Beute für die tapferen Recken, das funktioniert einfach nicht.
Es ist schade, dass sich „Fringe“ in seiner letzten (zum Glück kürzeren) Staffel etwas in die Nesseln setzt, dann ansonsten beweist die Serie Charme und Format. Abseits von den überspannenden, komplexen Verschwörungs- und Wissenschaftsplots, bei denen meist am Ende nicht mehr und nicht weniger als das Schicksal der uns bekannten Welt auf dem Spiel steht, wissen auch die jeweiligen Einzelfälle, egal ob Teil des großen Ganzen oder isolierte Verbrechen ungewöhnlicher Natur, zu gefallen. Meist spannend in Szene gesetzt fesseln sie als klassische Kriminalfälle mit ungewöhnlichen Ereignissen (Mutationen, Zeitreisen und dergleichen) sorgen sie für Rätselraten bei Zuschauern wie bei den Figuren, werden nachvollziehbar aufgelöst und selten durch den deus ex machina. Zumal die recht hohen production values nicht nur für vereinzelte Actionszenen in Form von Schusswechseln, Verfolgungsjagden und Nahkämpfen sorgen, sondern auch für prachtvolle Sets und stimmig designte Locations, in denen man Zeugen befragt, gegen unbekannte Viren kämpft oder serienmordenden Übelwichten hinterher spürt.

Mehr noch als die Fälle fesseln aber die zwischenmenschlichen Subplots: Das gestörte Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Walter und Peter, das erst und nach gekittet werden kann, Traumata in der Vergangenheit aller Beteiligter, welche „Fringe“ erfreulich behutsam in ruhigen Szenen zwischen den Krimiparts thematisiert, eine langsame Annäherung der Kollegen Olivia und Peter. Oft sind diese Subplots verbunden mit den Story-Arcs der Serie und der einzelnen Staffeln, mal durchaus abzusehen (etwa was mit Peter im Kindesalter geschehen sein muss), doch dank der facettenreichen Figuren immer interessant. Es ist schade, dass manche Subplots im Ansatz wieder fallengelassen werden, etwa Übelwichte aus Peters Vergangenheit als Betrüger oder der Flirt zwischen Peter und Olivias Schwester Rachel (Ari Graynor), der schließlich zugunsten des Olivia-Peter-Paares mehr oder minder abrupt aus der Handlung entfernt wird, da diese Brüche auffallen, gerade wenn man die Staffeln nicht wöchentlich im Fernsehen, sondern in konzentrierter Dosis schaut. Erfreulich dagegen ist der humorvolle Ton, der sich vor allem aus Walters Kauzigkeit und seinen leicht irren Manierismen ergibt, aber auch aus den sarkastischen Sprüchen Peters: Er gibt der Konstruiertheit und der Abgehobenheit eine ironische Note, erdet die Serie bei allen Absurditäten und aller (pseudo)wissenschaftlichen Spekulation wieder.
Dass „Fringe“ nicht irgendwann redundant wirkt mit seinen neuen Universen und aus dem Hut gezauberten Gegnern, das liegt auch an den Darstellern, ohne welche die Charaktere nicht so trefflich funktionieren würden. Anna Torv als toughe Frau überzeugt auf ganzer Linie, trotz oder gerade wegen ihrer etwas distanziert agierenden, erst nach und nach auftauenden Rolle. Daneben hat Joshua Jackson als abgeklärter Sprücheklopfer den dankbareren, aber auch einfacheren Part, während John Nobles Leistung ganz großes Tennis ist – zumal er, wie diverse andere Castmitglieder, seinen Charakter auch in mehreren Zeitebenen, Universen und geistigen Verfassungen darstellen muss. Tollen Support liefern Lance Reddick, Jasika Nicole und Blair Browns als Ergänzungen des Maincasts, von den wiederkehrenden Nebendarstellern können vor allem Seth Gabel, Kirk Acevedo, Ari Graynor und Kevin Corrigan Akzente setzen. In den ersten Staffeln ist Mark Valley teilweise präsent, außerdem hat Trek-Urgestein Leonard Nimoy eine wiederkehrende Nebenrolle. Hinzu kommen Auftritte von bekannteren Leuten und Gesichtern in einzelnen Folgen, darunter Peter Weller, Reddicks „The Wire“-Kollege Andre Royo, William Sadler, Luke Goss, Trini Alvarado und Brad Dourif.

Wer mit einer schwachen fünften Staffel, gelegentlicher Redundanz und einigen unschön abgebrochenen Subplots leben kann, der erhält mit „Fringe“ kurzweilige, spannende und atmosphärisch dicht inszenierte Mystery-Kost mit facettenreichen Charakteren und einem willkommenen Ausbruch aus klassischen Gut-Böse-Schemata – egal, wie weit man den wissenschaftlichen Spekulationen folgen oder sie anzweifeln will.

Details
Ähnliche Filme