Als einer der besten Spaßprodukte der späten Phase des Italowesterns führt für den Genrefan kaum ein Weg an „Spiel dein Spiel und töte, Joe“ vorbei. Denn so simpel die bewährte Prämisse auch konstruiert wurde, die Kurzweiligkeit und seine extrem hohe Unterhaltsamkeit kann man dem einfallsreichen Film kaum absprechen.
Die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Rainer Brandt ausbaldowerte deutsche Witzsynchronisation ist darüber eine wahre Pracht vom Schlag der Spencer/Hill – Filme, während Bruno Nicolai mit einem richtig rassigen, treibenden Soundtrack die Bilder noch formvollendet akustisch veredelt. Ein Fest für jeden, der den Italowestern mit treffsicherem Humor, der in keine albernen Niederungen hinabsteigt, erleben möchte.
Regisseur Leopoldo Savona („Chamaco“, „Django - Gott vergib seinem Colt“), der gar nicht so viele Filme und noch weniger Western auf dem Kerbholz hat, leistet hier jedenfalls ganze Arbeit und beschert Antonio De Teffè, der nun leider in guten wie in schlechten Italowestern seinen Mann stand, den wohl besten Film seiner Karriere.
Natürlich rein von seinem Auftreten her wieder als schweigsames Imitat des coolen Clint Eastwoods (bekam hier auch dessen legendäre Synchronstimme des unvergessenen Klaus Kindler) angelegt, glänzt er mit Zigarillo im Mundwinkel, Stoppelbart und Brandts typischen, unvergesslichen Onelinern wie selten zuvor, hat darüber hinaus jedoch noch einiges mehr zu bieten. Doch dazu gleich mehr. So wortkarg, verwegen und vorausschauend mit dem richtigen Schritt im richtigen Moment gehört er definitiv zu den Besten seiner Gattung.
Die Geschichte wird wirklich einfach wie zweckmäßig angelegt und ist selbst von Genre-Neulingen schnell durchschaut, zumal es eigentlich keine Überraschungen gibt, wenn man mal von dem hohen Bodycount absieht. Es sind demzufolge die begleitenden, skurrilen Ideen, die diesen Film so sehenswert machen. Denn eigentlich sitzt Joe Clifford (Antonio De Teffè) gerade im Gefängnis, weil er als umherziehender Schausteller nach seiner „Hamlet – Aufführung eine Handvoll Typen (durch Yoricks Schädel!) abknallte.
Doch seine sich aufplusternde, dicke Tante, die ihm zur Begrüßung erst eine scheuert, aber nicht durch die Zellentür passt (LOL!), hinterlegt gegen seinen Willen die Kaution, weswegen er wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Von ihr erfährt er auch, dass sein toter Onkel ihm in Landberry eine Goldmine vererbt hat. Also nichts wie hin. Doch vor Ort regiert der fiese Claim-Besitzer Berg (Eduardo Fajardo, „Zwei wilde Companeros“, „Knie nieder und friß Staub“), der Joe weiß machen will, dass sein Onkel, kurz vor dessen Dahinscheiden, ihm noch die Goldmine übertragen hat. Natürlich durchschaut Joe schnell, was hier gespielt wird und das Berg den Verstorbenen höchstpersönlich auf dem Gewissen hat.
„Spiel dein Spiel und töte, Joe“ steckt voller völlig überzeichneter Stereotypen und ziemlich irren Ideen, weswegen er mit Fug und Recht „Sabata“ oder die echten „Sartana“ (mit Gianni Garko) zu seiner Verwandtschaft beziehungsweise zu seinen Vorbildern zählen darf.
Joe selbst stapft stets seelenruhig und cool durch die Szenerie ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen und erledigt jedes Problem ganz nüchtern abgeklärt, während Berg ein over the top Bösewicht aus dem Lehrbuch ist. Ständig stellt er seine Handlanger ab, worunter sich auch noch beeindruckende Gestalten wie der dicke Schläger finden lassen, damit sie Joe mundtot machen oder zumindest aus der Stadt jagen, hält sich für die Ausbeutung seiner Minen eine Art Sklavenstaat, über den er tyrannisch herrscht, den er bei kleinsten Vergehen erschießt oder totprügeln lässt und macht es sich im Finale auch erst einmal in der Stadt dreist auf dem Balkon gemütlich, um meckernd und kommandierend die Suche nach Joe zu koordinieren. Eduardo Fajardo geht in dieser cholerischen Rolle wild gestikulierend und brüllend richtig auf und den Spaß den er dabei hatte, sieht man ihm auch an. Übrigens findet sich Riccardo Pizzuti unter seinen Henchmen an.
Doch hier gibt es noch viel mehr zu entdecken und selbst Randerscheinungen, wie der Friseur, der auch gleichzeitig noch Arzt und Totengräber (!!!) ist, verdienen eine Erwähnung, weil sie Joe mit unterstützen. Denn dessen Gegner sind zahlenmäßig weit überlegen, was den abgebrühten Revolverschützen eigentlich kaum zu stören scheint. Denn wo Joe auftaucht, gibt es entweder gleich eine wüste Prügelei oder eben Tote nachdem Blei in der Luft lag. So ganz allein, bekommt er sein Vorhaben aber dennoch nicht geregelt, weswegen ihm die wenigen Helfer natürlich willkommen sind.
Leopoldo Savona erzählt sein eigenes Drehbuch sehr linear, weil er schlicht nicht so schrecklich viel zu erzählen hat und setzt deswegen in erster Linie auf die unzähligen Gimmicks.
So lässt sich Joe, als er bei seinem ersten Versuch nur knapp Bergs Männern entkommt, nachdem die ihn nach Strich und Faden verprügeln, etwas später wieder kostümiert in Landberry blicken und führt Shakespeares Macbeth (übrigens total falsch geschrieben *gg*) auf, bevor er wieder für Unruhe sorgt oder kommt bei der Wirtin des Saloons unter, um ein paar Szenen später mit Schürze durch die Kneipe zu marschieren und ein paar Typen rauszuschmeißen.
Galgenhumor muss der Zuschauer allein deswegen schon fast zwingend mitbringen, weil der Bodycount des Films schon recht hoch ist und die zynisch-sarkastischen Oneliner teilweise schon böse sind.
Hervortun kann sich in den tödlichen Auseinandersetzungen übrigens wiederum Joe, der ungeahntes Ideenreichtum offenbart. Denn zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen, springt, rollt, hechtet und klettert er was das Zeug hält, schießt im Springen und Rollen oder klettert auf Dächer, um Fässer auf Gegner plumpsen zu lassen oder ein Bündel Holz wegzuschubsen, damit es eine Wippe aktiviert. Er verkleidet sich als Frau und vertraut seinen Gegnern einen explosiven Kinderwagen an, saust wie Tarzan am Seil durch Fenster, mischt sich selbst unter die Suchmannschaften, lockt Unvorsichtige mit Geldbündeln oder blendet Opponenten gleich im Trio mit einem Spiegel, als ihm die Lage zu brenzlig wird.
Insbesondere im Finale scheinen Savona die witzigen Ideen gar nicht auszugehen und er bringt sie alle bis zu einer infernalen Zündung eines Schwarzpulverfasses.
Das finale, übrigens extrem lange, Duell und das tödliche Schicksal einiger seiner wenigen Unterstützungen, die während des Showdowns in der verbarrikadierten Stadt zu Joe stehen, steht schon im krassen Gegensatz zu dem sonst sehr amüsanten Italowestern, passen aber soweit, weil die wichtigsten Figuren ohnehin überleben. Dass beispielsweise der unentschlossene Sheriff wegradiert wird, ist nur eine zwangsläufige Folge nach etablierten Genreregeln (Gesetzeshüter ohne Mumm gehen nun einmal drauf!).
Sehr attraktiv und kompetent inszeniert ist „Spiel dein Spiel und töte, Joe“ obendrein, weswegen es schon verwunderlich ist, dass Leopoldo Savona so wenige Filme inszeniert hat. Denn visuell sieht der Film schon klasse aus und mit Nicolais Musik gibt es auch den entsprechenden musikalischen Anstrich, um aus dem Film einen richtig guten seiner Gattung zu machen. Auch die lebendigen Sets (u.a. der Saloon) sind, ins richtige Licht gerückt, ein Genuss, gibt es doch zu viele biedere Brüder in der Verwandtschaft.
Klar, wer noch Wert auf den harten, nihilistischen Italowestern legt, wird hier schon nicht mehr fündig, weil zu diesem Zeitpunkt längst die Komödie in das Genre Einzug hielt. Selten funktionierte die Kombination aber so gut wie hier, wobei die deutsche Synchronisation mit einigen echten Brüllern vermutlich einen Großteil des Erfolgs ausmacht. „Spiel dein Spiel und töte, Joe“ dringt damit in den leider nicht so großen Kreis wirklich gelungener Italowestern-Komödien, wobei man damit dem Film eigentlich unrecht tut, weil er in erster Linie nicht als solche angelegt wurde, sondern schon einen ernsten Hintergrund, viele Tote und auch mal ganz klar herbe Momente hat.
Fazit:
Ganz starker Italowestern in dem Antonio De Teffè richtig aufgeht. Leopoldo Savonas souveräne, schicke Inszenierung ist erste Sahne und Bruno Nicolais Kompositionen natürlich ein Gedicht. Da kann man als genießender Genrefan so richtig ins Schwärmen verfallen.
Die total überzeichneten Figuren und das hohe Tempo, aus dem dann natürlich auch die famose Kurzweiligkeit der nüchtern betrachtet eigentlich unspektakulären Prämisse resultiert, in Verbindung mit der wirklich gelungenen, deutschen Synchronisation und den vielen irren Ideen machen aus „Spiel dein Spiel und töte, Joe“ einen Genretipp, den bisher leider noch zu wenige kennen. Italowestern-Fans werden hier bestens bedient, wenn sie sich auf humorige Beiträge einlassen können. Denn mit dem Jahre zuvor noch vorherrschenden Ernst und Nihilismus hat der Film nichts am Hut und das ist in diesem Fall auch gut so. Spitze!