Will Smith hatte zuvor in "Das Streben nach Glück" schon bewiesen, dass er überzeugend den persönlichen Niedergang einer Person darstellen kann - einen Aspekt, den er zuletzt in "I am Legend" ausliess, obwohl dort das Gefühl der Einsamkeit noch wesentlich greifbarer gewesen wäre. In "Hancock" gibt er den einsamen Loser, dem es trotz seiner Heldentaten als Supermann nicht gelingt, Erfolg und Beliebtheit bei der Bevölkerung von Los Angeles zu erzielen.
Und was macht man, wenn die Leute Einen sowieso nicht mögen ? - Man entwickelt sich zum veritablen Kotzbrocken. Hancock ist gar nicht mehr in der Lage, Konversation zu betreiben, sondern läuft mit einem dauerhaft gezückten Mittelfinger durch die Gegend. Angesichts der üblichen Heldenepen wirkt diese Absage an die Konventionen erfrischend, da es "Hancock" - dank Smiths Spiel - gelingt, den schmalen Grat zwischen unterhaltender Action und einem Schuss Tragik einzuhalten.
Neben den Showwerten seiner "Heldentaten", erzeugt der erhebliche Flurschaden, den seine Rettungsaktionen begleiten, einerseits ironisches Vergnügen, da hier einmal die andere Seite des Superheldendaseins gezeigt wird, andererseits wirkt er in seinem Versagen auch befremdlich. Als Hancock dem PR-Berater Ray Embrey (Jason Bateman) das Leben rettet und dabei wieder Effektivität bezüglich des begleitenden Schaden beweist, nimmt dieser ihn zum Dank mit zu sich nach Hause. Er will Hancock helfen und sein Image bei der Bevölkerung, vor deren Hass er ihn zuvor schützen musste, verbessern.
Im netten Häuschen angekommen lernt Hancock nicht nur Ray`s Sohn Aaron (Jae Head) kennen, sondern auch dessen Ehefrau Mary. Seine Reaktion auf Mary ist mehr als eindeutig, kann er doch kaum seinen Blick von ihr lassen, aber wenn Charlize Theron eine brave Hausfrau darstellt, dann kann daran doch etwas nicht stimmen ?!
"Hancock" als reinen Gegenentwurf zu den typischen Superhelden-Stories zu begreifen, greift zu kurz, denn letztlich besteht der Film aus einer Ansammlung von Zitaten. Seine Sinnkrise und auch das spätere Infragestellen des Superheldendaseins verweisen konkret auf "Spiderman". Selbst sein heruntergekommenes Wesen und seine abweisende Art, sind etwas überzogene Elemente aus dessen Comics. Dabei liegt die Betonung auf den Comics, denn im Gegensatz zu den Filmen, kämpft "Spiderman" in der Originalvorlage sehr lange um Anerkennung und wird durch Zeitungsboss J.J.Jameson so sehr verunglimpft, dass er zeitweise als Verbrecher gesucht wird. Regelmässig gibt es in den Comics Sequenzen, in denen er sein "Helfersyndrom" in Frage stellt und sich fragt, warum er seine Kräfte nicht für sich selbst nutzt.
Als Sympathieträger legen sich solche Anwandlungen schnell und natürlich bleibt auch Will Smith als Hancock, trotz seiner kantigen Art zu Beginn, immer der Beliebteste. Das liegt zum einen daran, dass seine Ausfälle gegenüber der Bevölkerung selbstverständlich Smith-mässig cool rüberkommen und meist nur die treffen, denen man gerne selbst so begegnen würde, zum anderen der "neue" Superhelden-artgerechte Hancock dank guter PR-Beratung schnell aufs Tableau kommt. Damit ist die Superhelden-Persiflage, die sowieso nur dezent angedeutet wird, schnell wieder zu Ende und der Film bekommt den klassischen tragisch-ernsthaften Charakter, der angesichts der grossen Verantwortung, die so ein Held nun einmal hat, auch angemessen ist. Auch das Zitieren geht munter weiter, wenn etwa die Produzentenhandschrift von Michael Mann daran zu erkennen ist, dass der grossangelegte Banküberfall an "Heat" erinnert.
Problematisch an dem veränderten Charakter des Films ab Mitte der Spielzeit ist keineswegs die scheinbare Gegensätzlichkeit, die sich im Detail schon angedeutet hatte, sondern die fehlende Identifikation mit dem Helden "Hancock". Während ein Darsteller wie Tobey Maguire deutlich im Schatten seiner Figur Spiderman bleibt, steht hier hauptsächlich Will Smith im Mittelpunkt. Mit gewohnter Lässigkeit und gleichzeitigem Durchhaltevermögen kann Smith zwar weiterhin punkten, aber seine schnelle Abkehr von den Verhaltensmustern zu Beginn, wirken wenig glaubwürdig.
Damit verliert der Film zunehmend seinen anfänglich originellen Charakter und wird zum Starvehikel mit Blockbusterallüren. Vom eigentlichen Ursprung der überraschenden Superhelden-Variante bleibt nicht viel übrig, wodurch der Film einen unausgewogenen Eindruck hinterlässt - durchaus unterhaltend, aber voller ungenutzter Möglichkeiten (5/10).