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Sergio Corbucci. Bei diesem Namen gerät eine ganze Gruppe Filmfans ins Schwärmen, denn dieser Mann hat zusammen mit Sergio Leone ein ganzes Genre revolutioniert. Wenngleich in „Für eine Handvoll Dollar“ mit Clint Eastwood der archetypische Antiheld geboren wurde, so hat er mit Franco Neros Django einen ebenbürtigen Bruder erhalten, der eine Welle unzähliger Plagiate auslöste, die alle von dem Erfolg dieses einen Filmes profitieren wollten. Drei Jahre waren seit diesem Zeitpunkt ins Land gegangen und der italienische Western feierte seine besten Tage, als „Il Grande Silenzio“ in die Kinos kam und Corbucci sein Meisterwerk ablieferte, indem er den düsteren und bedrückenden, aus „Django“ bekannten, Stil aufgreift und in einer Konsequenz perfektioniert, wie sie der eingefleischte Enthusiast in diesem Genre auch noch nicht erleben durfte.

Dabei beginnt alles ganz vertraut: Ein einsamer Held (Jean-Louis Trintignant) reitet durch eine unmenschliche, trostlose und totbringende Gegend, in der Kopfgeldjäger Jagd auf eine Gruppe verstoßener Menschen machen, die, um sich am Leben zu erhalten, die Gesetze übertreten müssen. Es kommt wie es kommen musste. Der stumme Pistolero trifft auf die im Gebüsch lauernden Headhunter und legt sie in Windeseile um. Schon bald ertönt der markige Score eines Ennio Morricone und man wiegt sich in Sicherheit vertraute Gefilde betreten zu können. Doch etwas ist anders, das Blut der Getöteten wirkt in dem Schnee viel realer und lebendiger. Ja, Schnee und wer meint, ein Western gehöre in die staubigen Niederungen des amerikanisch-mexikanischen Grenzgebietes, der irrt sich, denn „Leichen pflastern seinen Weg“ – so der deutsche Titel – spielt in einer verschneiten Berglandschaft, die nicht minder widrig ist, als eine Wüste im heißen Süden. Besonders der farbliche Kontrast macht den großen Reiz aus und die Gewaltszenen wirken dadurch noch stärker. Doch erst einmal weiter im Kontext.
Schnell werden auch noch die anderen beiden wichtigen Akteure vorgestellt, nämlich Sheriff Burnett (Frank Wolff), ein sehr gesetzestreuer Mann, der, bis die Generalamnesie für die in den Wäldern lebenden Menschen vom Gouverneur durchgesetzt wird, die Kopfgeldjäger in Schah halten soll und weiteres unnötiges Morden zu verhindern hat und Loco, genial verkörpert von Klaus Kinski, dem Kopf der Bande, einem überaus kaltblütigen und sadistischen Mannes, dessen Weg wahrlich von Leichen gepflastert ist. Allein aus dieser Konstellation kann man schon erahnen, dass für genügend Spannung gesorgt ist, denn trotz seines anklingenden Wahnsinns ist Loco nicht dumm und würde sich nicht mit dem Sheriff anlegen, da sein Vorgehen eigentlich legal ist, denn die Steckbriefe existieren ja und die „Ware“ wird geliefert – zwar meist tot als lebendig – aber immer im Rahmen des Erlaubten. Weitere Brisanz erhält die Geschichte durch die Tatsache, dass Silence, so wird der stumme Fremde von allen genannt, einen Hass gegenüber Kopfgeldjägern pflegt und die Angehörigen der Opfer rächt, wenngleich auch hier auf legale Art und Weise, denn er zieht nie zuerst. In einer genialen Szene, kurz bevor der Konflikt zwischen den Parteien anzusteigen vermag, sitzen die drei Protagonisten zusammen in der Postkutsche und fahren zu ihrem gemeinsamen Bestimmungsort. Man merkt förmlich, wie die Spannung in der Luft liegt und die Szenerie wird nur durch äußerst makabere Szenen aufgelockert, in denen Loco am Wegesrand verscharrte Leichen mitnimmt, um diese dann gegen die Belohnung einzulösen. Wenn zum Beispiel einer dieser toten Körper kopfüber auf die Kutsche gezogen wird und dann der eingeschlafene Sheriff erwacht und durch das Kutschenfenster den leblosen Korpus entdeckt, dann erkennt man Corbuccis tiefschwarzen Humor, der sich durch den Film zieht, wie der sprichwörtliche rote Faden.
Ist man erst einmal im Dorf angekommen, spalten sich die Geschichten ein klein wenig. Während Silence von der Witwe Pauline, deren Mann ebenfalls von Loco ermordet wurde, beauftragt wird eben jenen zu töten, kommt es zwischen dem Sheriff und den örtlichen Kopfgeldjägern zu ersten Auseinandersetzungen auf verbaler und finanzieller Ebene, die zu einer erneuten Spannungssteigerung führen, denn irgendwann einmal muss einer der harten Jungs einen Fehler begegnen und dann würde Leid und Tod über das Dorf einbrechen. Man befindet sich immer am Rande der Eskalation und durch den Friedensrichter Pollicut im Hintergrund, der auch noch sein eigenes Süppchen kocht, ist die Situation nicht viel entspannter. Besonders in dieser Phase des Filmes sind die Dialoge zwischen Burnett und Loco sehr interessant und unterstreichen auch den kritischen Charakter des Filmes, der unter anderem durch die drastisch dargestellte Gewalt widergespiegelt wird, aber auch durch die Frage, was denn nun schlimmer bzw. scheinheiliger sei: Die Tatsache, dass die Gesuchten von den Jägern gleich erschossen würden oder ob man sie lebendig abliefere und sie dann einige Tage später am Galgen baumeln würden. Sowieso ist die Einbindung dieser Parallelgesellschaft, die offensichtlich von der Dorfgemeinde ausgestoßen wurde, bzw. sie diese verlassen mussten und sich nun mit Diebstählen über Wasser halten und am Leben halten müssen sehr interessant und ermöglicht ein breiteres Interpretationsspektrum. Es zeichnet sich durch das Eintreffen des neuen Sheriffs und der veränderten Politik des Gouverneurs zwar Entspannung ab, doch diese währt nicht lange, womit ich eigentlich einen fließenden Übergang zum Ende des Filmes herstellen kann, denn zuerst scheint das Gesetz zu siegen, denn Loco wird nach einer Schlägerei mit Silence, nachdem dieser seinen Kontrahenten bis aufs Äußerste gereizt hat, inhaftiert und soll überführt werden. Doch hier zeigt der italienische Western wieder sein abscheuliches Gesicht, denn Loco kann sich durch eine List befreien und lässt den Sheriff qualvoll im eiskalten Wasser ertrinken, während Silence sich von Pauline pflegen lässt. Deren Beziehung ist übrigens nicht zu übertrieben dargestellt und führt somit zu keinem Bruch innerhalb des Filmes, sondern zu einer Tragik, die dann beim finalen Duell zwischen Silence und Loco zum Tragen kommt. Wieder einmal wird bewiesen, warum Western nacht italienischer Art die Antithese zu ihren amerikanischen Brüdern, die sie sicherlich inspiriert haben, denn ohne einen John Ford und Co. hätte es Filme wie „Leichen pflastern seinen Weg“ nie gegeben, sind, denn jenes, was den Zuschauer nun erwartet, raubt einem die Luft und nicht nur deshalb, weil es wunderbar photographiert und geschnitten wurde, wie schon der ganze Film selbst, hier kann man auch auf der technischen Seite kaum größere Unterschiede zu den Leone-Western ausmachen, auch wenn dort einige Bildkompositionen und Kamerapans sicherlich noch beeindruckender sind, sondern weil es einen mit einer unvorstellbaren Härte trifft, mit der man nicht gerechnet hat und einen mit einem Gefühl von Aussichtslosigkeit und Ungerechtigkeit zurücklässt, wie man es nur selten erleben dürfte. Einzig die letzte Laufschrift lässt Hoffnung aufkommen, dass Gier, Gewalt und Unmenschlichkeit sich am Ende nicht doch durchsetzen, wenngleich diese wenigen Zeilen Text in Anbetracht des gerade gesehenen Endes ein geringer Trost sein dürften und mir persönlich ein Weglassen dieser Worte besser gefallen hätte, da so Corbuccis Botschaft noch stärker an uns herangetreten wäre und man sicherlich noch etwas länger hätte verdauen müssen.

Abschließend muss noch ein Wort an die Schauspieler verloren werden, denn auch diese Besetzung ist teilweise genauso ungewöhnlich, wie das Setting in den schneebedeckten Bergen. Mit Jean-Louis Trintignant als Silence, der sich eigentlich durch Charakterrollen einen Namen gemacht hat, konnte man für diesen Stummen Rächer sicherlich die Idealbesetzung gewinnen, denn durch seine gewonnen Routine in seinen früheren Personen, ist es ihm möglich, die Rolle überaus glaubhaft darzustellen, auch ohne ein Wort zu reden. Jene wären sowieso überflüssig gewesen, denn allein durch seine Mimik und Gestik, man beachte nur die Sprache seiner Augen, verleiht er seiner Rolle die nötige Tiefe. Mit Klaus Kinski, hier sicherlich in einer seiner besten Darbietungen, hat er einen ebenso talentierten Partner, dessen Verkörperung des Loco durch Mark und Bein geht und kein anderer Schauspieler ist prädestinierter für diesen Part gewesen, als Kinski persönlich. Schon mit seinem ersten Auftreten auf der Leinwand und einem Blick in dieses entschlossene Gesicht, überkommt einem ein Unbehagen, welches auch erst einige Zeit nach dem Abspann abklingen will. Bei diesen zwei grandiosen Persönlichkeiten hat es ein Frank Wolff natürlich schwer, noch weitere Akzente zu setzen, doch auch er macht seinen Job überaus gut und glaubwürdig und seine Figur des Sheriff Burnetts kann überzeugen. Mit Vonetta McGee als Pauline und Luigi Pistilli als Pollicut sind auch die Nebenrollen sehr stark besetzt und runden das Gesamtbild perfekt ab.

„Leichen pflastern seinen Weg“ braucht sich in keiner Weise hinter den Leone-Western verstecken, kann er doch mit einer überaus spannenden, kritischen und unterhaltenden Geschichte auftrumpfen, die dazu sehr konsequent umgesetzt wurde und einem noch Lange in Erinnerung bleiben wird. Von den hunderten Vertretern dieser Filmbewegung gibt es einige Must-Sees und dieser Film gehört definitiv dazu.

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