Die Spezialeffekte von Ray Harryhausen und die dazugehörigen Filme, die von ihnen veredelt werden - in dieser Reihenfolge muss man es nennen - verströmen noch heute ungezügeltes Abenteuerflair und einen immensen Unterhaltungswert. Die Stop Motion-Technik ist nur bedingt veraltet und stellt damit in der Welt der Tricktechnik gewissermaßen einen Anachronismus dar. Während die ersten computeranimierten Effekte schon wenige Jahre nach ihrer Entstehung überholt wirkten, erfreut man sich auch heute noch - nicht nur aus Nostalgie - an den mitunter bereits ein halbes Jahrhundert alten Handwerksstücken.
Das hat seinen Grund. Harryhausens Kreaturen aus der Natur und dem Reich der Mythen und Sagen feiern jeden Augenblick ihrer Bewegung als ein Stück Lebendigkeit. Gerade der nicht perfekte Bewegungsfluss ist es, der die faszinierende Aura der Harryhausen-Magie umgibt. Ihm zum Dank weiß der Zuschauer von heute zu schätzen, welcher Aufwand hinter den Szenenarrangements gesteckt haben muss. Der Zuschauer von damals bekam erst durch das Hakige in der Bewegung der Monster das Fürchten gelehrt. Gerade die unwirkliche Stück-für-Stück-Fortbewegung, voller kurzer Pausen und eckiger Veränderungen, rief ein Gefühl der Beklemmung hervor und ließ selbst naturalistische Designs wie die Bienen und Krabben aus “Die geheimnisvolle Insel” wirken wie absurde Monstren aus Parallelwelten.
Die “Sindbad”-Reihe war stets voll von diesen Gestalten aus 1000 und einer Nacht, die von einem charmanten Hauptdarsteller entweder selbst bezwungen oder, das machte die eigentliche Schlitzohrigkeit des Seefahrers aus, gegeneinander ausgespielt wurden. Veredelt von stilechten Sets, hübschen Frauen und fantasiereichen, wenn auch amüsant-unernsten Plots waren “Sindbads 7. Reise” und das noch bildgewaltigere Story-Duplikat “Sindbads gefährliche Abenteuer” von bemerkenswertem Unterhaltungswert geprägt.
Nun, so scheint es, steht und fällt der Rahmen mit der Qualität der Harryhausen’schen Schaffenskraft. In “Das Auge des Tigers” stimmt nichts mehr so richtig - angefangen bei den zentralen Animationen über den Hauptdarsteller hin zur farblosen Geschichte.
Was der Puppenmeister diesmal nämlich im Repertoire hat, ist ein kunterbuntes Allerlei vergangener Verdienste: die fleischigen Feuerkobolde als Wiedergänger der Skelette aus “Jason und die Argonauten”, die Riesenwespe aus “Die geheimnisvolle Insel”, Miniatureffekte wie in “Herr der 3 Welten” und ein Höhlenmensch, der an den Zyklopen aus “Sindbads 7. Reise” erinnert. Keiner der Effekte reicht dabei handwerklich an die Vorgängerfilme heran. Neben der fehlenden Kreativität kommt also selbst die Umsetzung deutlich zu kurz.
Zentrales Problem ist es aber, für welche Zwecke die Tricks verwendet werden. Im Blickfeld steht ein Urahne Gollums, ein Schach spielender und schreibender Pavian nämlich, der einmal ein Mensch war. Ihn zu animieren ist eine unverständliche Entscheidung, wo man ein dressiertes Tier hätte nehmen können. Im Zeitalter der fotorealistischen CGI, in dem die “Herr der Ringe”-Trilogie entstanden ist, mag es nachvollziehbar sein, ein menschenähnliches, nach Empathie verlangendes Wesen zu animieren. Hier ist es das noch nicht. Was Harryhausens Schmiede verlässt, sollte unnahbar, unerklärlich und fremdartig sein, müssen diese Attribute den Wesen doch schon aufgrund ihrer abgehackten Bewegungsweise zugeschrieben werden. Ein solches Wesen zum Verbündeten zu machen, widerspricht den Spielregeln und führt zum Nichtfunktionieren des Tricks. Als dann auch noch der gehörnte Steinzeitmensch mit Sindbad und seiner Truppe kooperiert, ist der Untergang der Reihe besiegelt. Erst recht, als mit “Höhlenmensch vs. Säbelzahntiger” der unspektakulärste Endkampf der gesamten Franchise geliefert wird.
Hatte man darüber hinaus bislang immer das Gefühl, die Sindbad-Filme würden auch ohne die Kreaturen funktionieren, so geht dieser dritte Teil gemeinsam mit ihnen unter. Böse Zungen würden sagen, die Namen von Regisseur und Hauptdarsteller hätten seinerzeit als Omen fungieren können (“Sam Wanamaker a Good Movie” hinter der Kamera und “Patrick Wayne interessiert’s” davor). Von der unscheinbaren Geschichte des verwandelten Pavians besudelt, weiß auch der tapfere Seefahrer weder ein noch aus, als er mit einem Best Of aus 20 Jahren Harryhausen konfrontiert wird und sich wundert, in was für einem Film er da mitspielt. Patrick Wayne mag von markanter Statur sein und mit seinem Vollbart und der Lockenpracht (im Deutschen noch zusätzlich mit markanter Robert de Niro-Synchronisation) oberflächlich Eindruck schinden, an die Kernigkeit und Präsenz seines Vorgängers John Philip Law kommt er dennoch nicht heran, geschweige denn an die charakterliche Prägnanz seines Vor-Vorgängers Kerwin Mathews. Die Präsentation bleibt zudem farblos und trotz einiger netter Sets und mancher gelungener Arrangements (die Einstellung, als die Crew in einem geöffneten Tor steht und dahinter eine Welt vorfindet, die nichts mit derjenigen vor dem Tore zu tun hat, erinnert an manch surreales Gemälde Dalís) seltsam unmagisch. Die verhältnismäßig lange Laufzeit von 109 Minuten macht das Problem nicht besser.
Ob die Filme tatsächlich so stark von den Ergebnissen des Stop Motion-Künstlers abhängig waren, ist nicht klar zu beantworten, das Nichtgelingen des dritten “Sindbad”-Filmes unterstützt diese These jedoch. Ähnlich uninspiriert wie Harryhausen zeigt sich die gesamte Filmcrew, die einen halbherzigen Abschluss der Trilogie abliefert. So gehört die aufregendeste Szene allen Ernstes zwei Frauen, die sich halb nackt an einem See sonnen und kreischend davonlaufen; nicht etwa dem Ungetüm, das deren Ruhe störte.