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J. Michael Straczynski, seines Zeichens Schöpfer der Science-Fiction-Serie „Babylon 5“, kam kürzlich nach Fertigstellung des Ablegers „Lost Tales“ zu der Erkenntnis, dass seine Schöpfung an einem Punkt angelangt sei, an dem es nichts mehr zu erzählen gäbe, und alles, was noch nachträglich hinzugefügt werde, mehr vom Gesamtbild subtrahiere als addiere. Es sei für ihn an der Zeit, das Kapitel „Babylon 5“ endgültig zu schließen. 

Nun, nach Begutachtung des zweiten Akte-X-Kinofilms „Jenseits der Wahrheit“, ist zu konstatieren, dass sich Chris Carter lieber ein Beispiel an seinem Kollegen hätte nehmen sollen. Denn seine Fortführung der erfolgreichsten Genreserie der Neunziger ist vieles, aber ganz sicher keine sinnvolle Ergänzung zum Gesamtbild. 

Dazu muss kurz festgehalten werden, wie die Serie 2002 endete: Mit einem von der Regierung zum Tode verurteilten Mulder, der mit Hilfe von Scully fliehen konnte und dann (scheinbar) mit ihr in einer Explosion starb. Ausgangsbasis für den neuen Film wären also  zwei offiziell für tot erklärte Charaktere gewesen.
Was den Film nicht daran hindert, uns eine unbehelligt auf der Kinderstation eines katholischen Krankenhauses praktizierende Dr. Scully und einen vollbärtigen, in einer Waldhütte hockenden Mulder zu präsentieren, der auf Anfrage einer zweitrangigen FBI-Agentin ohne Umschweife direkt in die Höhle des Regierungslöwen marschiert. Als wäre kein Urteil mehr gegen ihn zu vollstrecken. 

Nun ist es grundsätzlich kein Kapitalverbrechen, eine möglichst allgemeinverständliche Ausgangsbasis für einen Kinofilm zu schaffen, aber unter diesen Umständen ist das vollständige Ignorieren der Serienhandlung ein herber Schlag ins Gesicht der treuen Fans. Sind sie es doch, die dem (vom produzierenden Studio FOX ohnehin schon ängstlich geringbudgetierten) zweiten Kinostreich das Geld einbringen sollen. Warum werden sie, obwohl gegen Ende der Serie zur Genüge mit haarsträubendsten Storyentwicklungen gequält, nun vollends im Stich gelassen? Welcher marginal interessierten Laufkundschaft wird sich denn da mit dieser Hauruck-Konstruktion an den Hals geworfen? So verschreckt man noch das letzte Publikum. Akte X – Jenseits der Logik. 

Da muss man sich schon einzig und allein auf das Wiedersehen mit den beiden Charakteren und deren Chemie zueinander freuen. Und wird in dieser Hinsicht belohnt: Duchovny und Anderson spielen die Rollen ihres Lebens immer noch fabelhaft und helfen einem dabei, das schwurbelnde Mysterykarussell aus Visionen, Entführungen und Organschmuggel ohne Übelkeit zu überstehen. Welches, da muss man ehrlich sein, zu Hochzeiten der Serie nicht einmal zu Ausstrahlungsreife gelangt wäre. Der entscheidende Grund, weshalb Mulder sich ausgerechnet jetzt noch einmal in Lebensgefahr begeben sollte, er wird vom Film einfach nicht geliefert. Zu wirr ist die Konstruktion um den pädophilen, von göttlicher Eingebung erfüllten Ex-Priester (Connolly behilft sich großteils mit Schütteln und Rütteln) und die sinistre Organisation, die mit ihm auf unerklärliche Weise verbunden ist und in regelmäßigen Abständen Menschen verschwinden lässt. Da ist dann auch überhaupt kein Bezugspunkt für unsere beiden Hauptcharaktere mehr vorhanden, weswegen sich der Film mit einer Zweithandlung rund um eine, um das Leben eines kleinen Jungen ringende Scully über die Laufzeit rettet. Welche immerhin gerade mal anderthalb Stunden beträgt, was die mangelnde Spannungsentwicklung umso nachdrücklicher unterstreicht. Carters reiferen Ansatz und Mut zu unbequemen Themenkomplexen (Vergebung für Kindesmissbrauch, Gentherapie) in allen Ehren, aber es darf nicht vergessen werden, dass die besten Folgen seinerzeit diese, vom Film nun in den Fokus gerückten Elemente behandelten und dennoch gleichzeitig Hochspannung boten. Diese Mischung war immerhin der Kern des Erfolgs. 

Sicher, der Film hat seine Momente. Mulder und Scully im FBI-Flur vor den Porträts von Bush und Hoover, die Schwimmbadszene, die Atmosphäre des Drehorts Vancouver oder einfach die vielen eingebauten Details aus der Serienhistorie. Aber das sind nur Brotkrumen, von Carter und Co. ausgestreut, damit man als Fan auch bloß nicht den Blick hebt und das ernüchternde Ganze betrachtet.
Das in seiner schummrig-betulichen Optik nicht einmal den (seinerzeit) aufwendigeren Doppelfolgen das Wasser reichen kann. Das sowohl die Beantwortung noch offener Fragen ausspart als auch die Entwicklung der Charaktere seit dem Serienabschluss mehr zementiert denn fortentwickelt. Und das letztlich mehr vom Mythos „Akte X“ subtrahiert denn addiert. 

Es ist wohl wirklich an der Zeit, die Akte zu schließen. Zumindest unter Carters Verantwortung. Wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann einen jungen Autor/Produzenten, dem zu dem Thema noch etwas Gutes einfällt. Der darf dann gerne das kleine Büro im FBI-Keller entstauben. Aber bis dahin:
Licht aus.

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