Es müssen wohl die positiven Erinnerungen an „Stand by me“ sein, die die Produktionsgesellschaft bewogen hat, ausgerechnet das Konglomerat „Hearts in Atlantis“ von Stephen King zu verfilmen, ein Konstrukt aus einem nicht allzu langen Roman, einer Novelle und drei längeren Kurzgeschichten.
Was dabei herauskommt ist eine weitere Reflexion auf das Erwachsenwerden und die Erinnerungen an die Entscheidungen der Jugendzeit, dumm nur, daß wir die in diesem Fall irgendwie nicht wirklich benötigen können.
Scott Hicks nimmt sich in seiner Arbeit vornehmlich dem um 1960 spielenden Roman an, der die Ereignisse rekapituliert, die der Begegnung zwischen dem Jungen Bobby Garfield und dem seltsamen alten Mann Ted Brautigam folgen. Zwar gibt es auch eine traurige Rahmenhandlung, in der geklärt wird, was aus den Jugendfreunden geworden ist, aber die ist irgendwie pointen- wie folgenlos.
Das ist auch kein Wunder, denn King schuf mit „Atlantis“ einen zwar wunderschönen Kurzroman, der jedoch mehr ein Seitenprojekt in Bezug auf seinen Siebenteiler „Der Dunkle Turm“ ist. Später wirken sich die Ereignisse noch auf die Zukunft der Beiteiligten aus und King versucht sich in der Novelle noch an einer Reflektion auf das Erwachen der Friedensbewegung und in den Kurzgeschichten auf den Vietnamkrieg. Der Charakter der Carol Gerber stirbt im Film einfach irgendwann, während sie im Buch auch in der Novelle vorkommt und später den Rahmen beschließt, nachdem sie zu einer Art Terroristin zwischendurch mutierte.
Der Film konzentriert sich dagegen ganz auf Bobby Garfield und sein Alter ego, gespielt von Barry Morse – und hier verfehlt der Film sein Ziel, denn er läuft mit seinem Plot ins Leere, hat keinerlei Botschaften anzubieten, die man im Vorgänger nicht schon besser untergebracht hätte und läßt die erzählerischen Fäden verkümmern.
Das interessante Thema rund um den seltsamen Mann mit den noch seltsameren Fähigkeiten, der sich von „niederen Männern“ verfolgt sieht, wird im Film dann noch vereinfacht, indem aus Brautigam (ungemein gekonnt gespielt von Anthony Hopkins) ein simpler Hellseher wird, der von der Regierung gesucht wird, um die Russen auszuspionieren. Die phantastischen Elemente (im Buch ist Brautigam ein Wesen aus einer anderen Welt in menschlicher Gestalt, der vor einer unangenehmen Aufgabe geflohen ist) werden komplett fallengelassen, womit aber auch die Bedeutung abnimmt.
Der Film wird auch sonst seiner Vorlage nicht gerecht – das hochkomplexe Mutter-Sohn-Verhältnis inclusive Lügen, Haßliebe und beginnender Adoleszenz wird auf die gängigsten Szenen vereinfacht, das Ersatzvatergefühl heruntergespielt.
Und am Ende wird Ted dann verhaftet, ohne daß sich für Bobby daraus etwas Handfestes ergibt, nur eben, daß sich seine Kindheit ab dort verändert. Daß er im Buch am Ende scheinbar wieder seinen Häschern entkommen ist und Bobby eine neue Richtung im Leben gibt, fehlt völlig.
Ich möchte aber nicht unterschlagen, daß es sich trotzdem um einen kompetenten, gefühlvollen Film mit wunderschönen Bildern handelt, der in ruhigen Zügen seine dramatischen Karten brauchbar ausspielt und auch für Jugendliche durchaus diskussionswürdige Fragen aufwirft. Der Cast ist recht gut (Hopkins sticht natürlich hervor), wenn auch die Jugenddarsteller auf keinen Fall so hochfein gecastet sind wie das Quartett aus „Stand by me“.
Ein schöner, nostalgischer, aber dennoch leicht verschenkter Film, der in der Aussage seiner Optik leider nicht das Wasser reichen kann. (6,5/10)