Review

Dreierlei Dinge wecken Interesse an William Lustigs "Maniac": Das erste ist sein Ambiente, sein unbequemes Ambiente, gekennzeichnet durch ein morbid drapiertes Protagonistenapartment, schummriger Beleuchtung und pornogleich versiffter Bildästhetik. Das ist nicht sehr einladend. Soll es auch gar nicht sein. Schließlich soll die Stimmung der abgründigen, verstörten Seele eines Wahnsinnigen entsprechen. Und das tut sie, zweifellos.

Das zweite ist die Spannung: "Maniac" ist nicht durchgehend hoch spannend, dafür jedoch versteht Lustig es ungemein, einen Mord hinauszuzögern (ausgezeichnet sind die aufreibenden Augenblicke in der U-Bahn-Toilette zum einen und die unheilvollen Minuten in der Wohnung des Models zum anderen). Doch operiert Lustig im Grunde mit überflüssigen Gewaltsequenzen und katapultiert sich damit immer wieder aus dem gehobenen Horror- ins triviale Splattergefilde, wenn der derbe - für Jugendschützer zu derbe - Effekt (in Szene gesetzt vom Spezialisten Tom Savini, der sich in Zeitlupe quasi selbst den Schädel wegsprengt) stets mit der subtilen Vorgehensweise bricht.

Das dritte und zugleich reizvollste der Interesse weckenden Dinge ist schließlich eine Gestalt, die man schon immer mal psychoanalysieren wollte: Frank Zito (Joe Spinell, gleichzeitig auch mitverantwortlich für die Story). Der Maniac. Ein Mann mit einem schweren psychischen Defekt. Der brutal tötet, sich dann übergibt und wimmert, er wollte es doch nicht, um anschließend Schädeldecken aufzuschlitzen und den Skalp seiner Opfer an Schaufensterpuppen zu nageln. Ein Kerl, in dessen Abgründe eigentlich niemand freiwillig steigen würde, mit Ausnahme des Psychoanalytikers. Dieser dürfte auf einen schizophrenen Geist stoßen, der in gewisser Weise dem des Norman Bates ähnelt. Die Parallele bildet die Mutter-Psychose: Wie bei Bates besitzt die bereits verstorbene Mutter auch bei Zito noch Macht und Einfluss.

Anders als in Hitchcocks "Psycho" manifestiert sich die Mutter jedoch nicht im Körper ihres Sohnes. Für uns nicht wahrnehmbar spukt sie in dessen Kopf. Sie - und nicht etwa eine Schaufensterpuppe als Ersatzfreundin - ist Zitos imaginärer Gesprächspartner. Wir erfahren, dass Mutter mit vielen Männern verkehrte, sich prostituierte ("Es waren so viele Männer […] - Warum? Weil sie dir ein paar Dollar gaben?"), dass sie verdammt autoritär war. Dass sie ihren Frank oft alleine ließ, ihn auf der Toilette einsperrte und ihm Zigaretten auf der Brust ausdrückte, wenn er nicht gehorchte. Das ist eigentlich nicht allzu viel, was uns über Zitos Erziehung mitgeteilt wird, aber es verrät, dass in seinen Sozialisationsphasen einiges schief gelaufen sein muss.

Und nun, gegenwärtig, scheint jener Frank Zito seine Mutter nicht mehr loslassen zu wollen. Ein instinktives Bedürfnis, das aus dem Versäumnis, der verwehrten mütterlichen Zuneigung und Wärme, resultiert. Koitus, Attraktivität, aufreizende Frauen - alles erinnert an Mutter, die Hure, und katalysiert die Obsession. Durch das Morden reißt Zito sie an sich, beendet immer wieder aufs Neue den sündigen Ausflug der Mutter, die er in seinen Opfern zu sehen glaubt. Folglich dient der Skalp der Getöteten nicht als Trophäe, sondern ist das Mittel, um von der Mutter Besitz zu ergreifen. Das klingt nach hoffnungsloser Mutterliebe und ist paradoxerweise doch nur eine Art Schutzreaktion. Denn vergraben unter dieser vermeintlichen Liebe zur Mutter wuchert der Mutterhass, das wahre Gefühl, das unterdrückte.

Dies wird selten offensichtlich - wie so einiges in "Maniac", das sich nur andeutet und nicht klar ausgesprochen wird. Frank Zito bleibt eigentlich geheimnisvoll, uneindeutig. Etwas sickert an die Oberfläche. Und lässt sich interpretieren. Doch Fragen werden offen bleiben: Spielt Sadismus eine Rolle (Den Mord am U-Bahn-Opfer kommentiert Zito ungewöhnlich mit: "Das magst du gern, nicht wahr? Das ist doch genau das, was du gern hast, nicht?")? Weshalb gelingt es ihm bei den Treffen mit der Fotografin Anna D'Antoni (bis zu einem gewissen Punkt) sogar, sein mächtiges Es, den Sitz der Triebe, insbesondere den Sitz seines Destruktionstriebes, zu kontrollieren? Was geschieht bei ihm bewusst, was unbewusst? - Das nun sind die Rätsel einer kranken Psyche; psychoanalytische Rätsel, ungemütliche Rätsel. Sigmund Freud hätte seine Freude gehabt.

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