In Zeiten, in denen teuer forcierte Hollywoodblockbuster kein unbedingtes Garant für klingelnde Kassen darstellen, sind auch - oder gerade - treue Freaks eine feste Größe in der Filmwirtschaft geworden. So entstand neben der amerikanisch-japanischen Co-Produktion The Machine Girl auch gleich ein zweiter Film ähnlichen Sujets. Die Veröffentlichungsreihenfolge ist dabei gut gewählt, sucht man doch mit Tokyo Gore Police noch einen drauf zu setzen, was im weitesten Sinne gelingt.
Japan in naher Zukunft: Die Tokioter Polizei wurde privatisiert. In denen der Samurai nachempfundenen Rüstungen treten sie den Kampf gegen Ingenieure an, gefährliche Mutanten, genetische Killer, die sich sicher erst durch ein schlüsselartiges Geschwür in ihrem Körper ausweisen. Inmitten der Verbrechensbekämpfung, bei der sich die Gesetzeshüter mit öffentlichen Exekutionen und weiteren Propagandavideos frei nach Paul Verhoeven an die Öffentlichkeit wenden, die junge Ruka (Eihi Shiina, bekannt durch Audition). Nachdem ihr Vater, ebenfalls Polizist aus Überzeugung, sein Leben im Aufstand gegen die Wandlung des Ordnungsapparates verloren hatte, widmet sie sich leidenschaftlich dem Kampf gegen die Ingenieure. Ein tiefes Gefühl der Verwundung läßt sie jedoch nicht nur zu selbstverletzendem Verhalten, schemenhaft durch einen Spot für Ritzmesser aufgegriffen, tendieren, mit ihr zieht auch die ausbruchsbereite Rache durch die Unterwelt.
Seinem Namen macht Tokyo Gore Police alle Ehre. Blutfontänen und Gemetzel durchziehen die unwirkliche Sphäre wie die Mutationen, die mit Kreationen wie einer alligatorhaften Vagina Dentalis, Schneckenfrauen, Stielaugen und Monsterpenissen auch Fans von David Cronenbergs Werken oder Clive Barkers Kreationen ein wenig Achtung abringen. Souverän bedient Regisseur Yoshihiro Nishimura, hier, wie auch bei The Machine Girl sowie dem durchaus mit guten, jedoch verheizten Ansätzen versehenen Meatball Machine ausserdem in der Spezialeffekt- und Make-Up-Abteilung besetzt, die Klischees vom völlig durchgedrehten Japan, setzt eine sperrig-mangaartige Atmosphäre frei, die uns pubertäre Entdecker seinerzeit für den in Europa nahezu unbekannten Comic- und Zeichentrickmarkt Japans begeistern konnte, bevor Kinder mit leuchtenden Augen "Anime" quitschend lediglich an Sailor Moon und RTL2 dachten.
Auch wenn längst nicht jeder Effekt beeindruckende Rätsel über dessen Umsetzung aufgibt, so gelingt es Tokyo Gore Police doch wesentlich besser als noch tief im Trash dümpelnden Realverfilmungen wie Mutant City oder La Blue Girl zu überzeugen. Mangels verpflichtender Treue zum Werk und dank der tollen Einfälle und dem trotz der recht langen Laufzeit von ohne den langen Abspann immer noch 104 Minuten flutschenden Tempos kann man über wenige, kleine Leistungsabfälle der Technik durchaus mal hinwegsehen.
Obwohl Tokyo Gore Police als Splatterfilm für johlend beschwingtes Publikum nicht so treffsicher ist, wie jüngst ein Planet Terror, so muß man ihm doch seine Qualitäten zugestehen. Natürlich ist Ruka wie auch ihre Kollegin Ami Hyuga (The Machine Girl) keine Yuki Kashima (Lady Snowblood) oder Nami Matsushima (Sasori - Scorpion). Hier tut sich der klare Unterschied zwischen einer emotionalen Rachegeschichte und einem schier auf Effektschau ausgelegten Rachefeldzug auf. Tokyo Gore Police ist ein Jahrmarkt, der sein Publikum mit scheinbaren Attraktionen begeistern möchte. Die Schaulust befriedigt der Film dabei eben nicht auf provinziellem Niveau, sondern entpuppt sich schon als spaßiger kleiner Freizeitpark.
Nie wollte die Produktion mehr sein und so konzentriert sie sich auf ihr Publikum, liefert genau was man sehen wollte. Das wachsame Auge sieht im Feuerwerk hier und dort kleine Tribute aufblitzen, so fragt man sich, ob ein mit verzerrter Stimme sprechender Cop nicht auch dem seinerseits einer Samurairüstung nachempfundenen Darth Vader entlehnt sein könnte und ob die Ansagerin nicht eine Mischung aus dem Schulungsvideo aus Battle Royale und der durchgeknallten Lucy aus Crazy Lips sein könnte. Besonders schön anzusehen auch der in giallo-artiger Egoperspektive auf Hurenjagd befindliche Ingenieur.
Vollmundig und seines Publikums Zuspruch gewiss kündigt Tokyo Gore Police schließlich an, daß es bald mehr zu sehen gäbe. Nach dem Gore ist vor dem Gore sozusagen. Man darf gespannt sein, ob man tatsächlich noch einen Scheit nachlegen kann. Das Interesse ist nach dieser Inszenierung sicher.