Ein Film kann weh tun - Menschen können weh tun - Wie sich weisse Blumen schwarz verfärben -
Eigentlich sollte es der Urlaub werden für die Beiden, eine Idylle im Wald, umrungen von endlosweiter Natur in nahezu utopisch unberührten Zustand. Zwei Menschen, die eine, sozialpädagogische realistischdenkende Kindererzieherin, der Andere, der etwas gutmütige, liebe und nette Mann von Nebenan, der sich irgendwo, fernab seiner Männlichkeit stets damit verbunden fühlt, sich beweisen zu müssen. Doch die Harmonie passt, da wird gerne mal das nächste Urlaubsziel ganz bodenständig als Campinglocation gewählt, auch wenn, danach sieht es aus, der Luxusurlaub mit Kreuzfahrt drin gewesen wäre. Der sich ständig in Belanglosigkeiten verredende Streckenlotsencomputer, als Absicherung zurück in ihre Heimat und dorthin, wo sie diese, den Alltag, und die schreckliche, elitäre Realität des Konsums und des Luxus zurücklassen wollen. Eden Lake ihr Ziel, ein Fleck auf der Karte, so winzig und klein, dass Eden, dass vermeintliche Paradies so unrealistisch erscheint, wie die Hoffnung für die teilweise mittellosen Bewohner darin. Denn hinter der Fassade dieser endlos weiten Wälder lauert der Unmut, der Unmut und die Wut einer Generation von Menschen mit Kindern, die sich kampflos den Bauplänen eines wirtschaftlich angesehenen Bauunternehmens wehren müssen. Das Eden Lake soll ein Neues werden, höher, weiter, reicher, abgefurcht von jenen, die dort keinen Platz haben, die Durchschnittlichen Bürger, die Kinder, die unter der Fittische ihrer niedergeschlagenen Väter, dort draußen ihren Kick suchen, die Bestätigung stark zu sein...Wut, die wie ein Schrei verhallt.
Und diese Wut bekommen auch die beiden turtelnden Urlauber zu spüren, denn als ihr Urlaub am Seeufer beginnt, die Ruhe nahezu zu spüren ist, tut sich ein Schlimmes auf, das Aufeinanderprasseln von generell gegenseitig gegensätzlicher Mentalitäten. Das ruhige Paar, liegend am Strand wird von trinkenden Jugendlichen gestört, mit Bulldogge und lauter Musik bewaffnet, wollen sie ihr letztes Stück Freiheit geniessen - ihr Wald, Eden Lake als Zuflucht vor der Realität und die Hoffnungslosigkeit ihres Daseins. Doch diese Freiheit, diese Freiheit sich auszuleben, zu vergessen, nimmt Anderen die Freiheit - und da ist Eskalation nicht fern. Es ist wie ein Aufeinanderprasseln, welches man als Teenie kennt um vom wohligen als böse abgestempelten Spiesserbonzen erwartet. Die Musik möchte man nicht leiser machen, lieber sich behaupten.
Ein normales Treffen, so unscheinbar und doch so nah wie es eben ist. Da ist das Verständnis auf beiden Seiten, irgendwie, auch wenn dort mit Rüpelleien nicht gespart wird - der Mann schreckt zurück, unterlegen, umdrehend, nimmt er die Situation hin, möchte er doch keinen Streit. Doch die Situation wird schlimmer, Tag für Tag, Nacht für Nacht, Geräusche im Wald, da bekommt man es mit der Angst zu tun, auch wenn tief im Innern die Hoffnung und das Wunderschöne, dieser naturnahen Umgebung glänzt. Doch als Zuschauer weiss man es ohnehin, der Score treibt es gnadenlos voran, ab der ersten Sekunde. Ein Schauspiel, dass sich auch aufgrund seiner Schönheit, dieser Zufriedenheit in eiskaltem Terror wiederfindet. Anfängliche Bilder, die wie aus einem Romantikfilm erster Sorte anzusehen sind, aber unterlegt mit einer ruhigen, dennoch arg bedrückenden und pessimistisch in seiner Art, als könne man das später aufkeimende Unheil schon spüren. Das Unheil, diese Missverständnisse, dieses Beweisen der Kids, die vermeintliche Rache, so unnötig sie ist, findet ihren Anfang, denn der teure Geländewagen des Mannes eignet sich wunderbar als Beute.
Ab da an kanns und wirds schlimm und schlimmer werden, denn Eden Lake greift auf ganz vehemente und eindringliche Art ein Thema auf, dass zwar nicht neu ist, aber fernab vermeintlicher Backwoodvorurteile, die man hinter dem kleinen Schocker sieht, recht schnell verblasst - oder eben nicht, sofern man dahinter nicht den nächsten einfältigen Backwoodsplatter mit Gesudel erwartet. Ein Thema, dass zwar längst nicht neu ist, Gewalt von Kindern bzw. auch an Kindern und Selbstjustiz, doch kein Film zuvor brachte dies in seiner intelligenten Inszenierung so beeindruckend und erdrückend wider. Da ist der versehentliche Tod an dem Hund bloss der Auslöser für weiteres Übel, denn fortan, so will es der in Wut aufbrausende Besitzer des Hundes, ein Teil dieser rüpelhaften Teenies, dass man die Beiden, für die Greultat jagen wird. Situation an Situation baut sich auf, die einen erstarren lässt, denn nur als allzu eindringlich kann man die konsequente Art beschreiben, wie die Jugendlichen unter Einfluss ihres wütenden sogenannten Anführers Dinge begehen, fernab ihrer eigentlichen Moral und Mentalität, bloss um nicht unter seinem herablassenden Blick und Worten als Feiglinge darzustehen. Da bekommt der mittlerweile gefangen genommene Mann von jedem einen Messerschnitt mit dem Cutter, gefesselt mit Stacheldraht, ist er hilflos der Situation unterworfen, während seine Frau, nahezu ungläubig im Gebüsch zusehend den Verstand verliert.
Eden Lake, so einfach sein Plot dieser Geschichte auch sein mag, dieses rücksichtslose und konsequente Darstellen, dieses Aufeinanderprasseln vermeintlich gesellschaftlich unterschiedlicher Menschen, die einen schwer im Leben, ihrer Freiheit und Umfeld genommen, einfache Leute, Tendenz zur Armut - und dort das reiche, dennoch symphatisches, eben bodenständiges und vernünftiges Päarchen, stellt der Film so schockierend dar, dass man als Zuschauer bloss Angst bekommt. Angst vor der Realität, Angst vor der Psyche. Und da tut jeder einzelne Schritt der auf der Flucht befindlichen Dame weh, von ihrer unvermeintlichen Schönheit zu Beginn ist in ihrem blutverschmierten Gesicht nicht mehr viel zu sehen und auch ihr weisses Kleid, anfänglich mit bunten Blumen versehen, färbt sich langsam ins unkenntliche schwarz. Diese Wege der Frau sind gesetzt mit Schocks, die man erahnen kann, aber selbst wenn man die Szene, hier zb. mit Bärenfalle erahnen kann, das darauffolgende, das zu Erwartende lässt erschrecken, denn Eden Lake ist kalt, aber vorallem fesselnd rücksichtslos und brutal.
Die Symphatie liegt knallhart auf der Seite der Frau, schleicht sie sich, mittlerweile den Mann verloren durch den Wald, doch so ist es das Ende, dass wohl freilich die Opfer und Täterfrage beeinflusst. Eden Lake ist, wenn man so will, ein politischer und gesellschaftlicher Film, der sicherlich polarisiert und vor den Kopf wirft, denn Selbstjustiz, so aussichtslos die Lage auch ist, ist immer noch der Härteste Weg, auch wenn dann meistens unter Kurzschluss. Und Eden Lake ist hart -
"Aber es sind doch nur Kinder"
- Die Fassade hinter dem Engelsgesicht, der aufbrausende Zorn der Hoffnungslosen -
Fazit:
Eden Lake ist Gesellschaftsstudie, pure Folter, für Zuschauer, wie auch die Protagonisten. Er ist Realität, bloss in stark überspitzter Form, aber dennoch real. Wie sich Grenzen vermischen, wie sich Berge bewegen, oder auch nicht. Wie Brücken zu Mauern werden. Hinter der Fassade steckt das Übel und das muss man ersteinmal verdauen. Eden Lake sollte man gesehen haben. Aber dafür muss freilich die Situation passen, denn leicht goutierbar ist das Alles nicht - im Gegenteil. Der Abspann läuft - man bleibt sitzen - geschockt - alleingelassen.
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